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Leben auf 143 Metern

Der Katholische Militärpfarrer Torsten Stemmer begleitete seit August 2020 die 250 Soldatinnen und Soldaten auf der Fregatte „Hamburg“ bei ihrem Einsatz im Rahmen der Mission IRINI. Während der Zeit an Bord ohne Landgang stand er als Seelsorger für Gespräche und religiöse Angebote zur Verfügung. In diesem Blog teilte er seine Erlebnisse und Erfahrungen mit.

September 2020: Gottesdienst an Bord

Natürlich feiern wir auch hier an Bord der Fregatte "Hamburg" Gottesdienste. Eine Kapelle oder ein Andachtsraum steht uns dafür nicht zur Verfügung. Stattdessen nutzen wir die gegebenen Möglichkeiten des Schiffes. Bordgottesdienste finden da statt, wo es die Situation, der Platz und das Wetter zulassen.

Besonders eindrucksvoll sind natürlich die Gottesdienste an Oberdeck, wenn man in der Sonne steht und den Blick über das weite, offene Meer schweifen lassen kann.

Hier auf der "Hamburg" feiern wir unsere Bordgottesdienste normalerweise am Sonntagnachmittag um 14 Uhr. Ab und zu auch am Samstag, wenn wir zum Beispiel am Sonntag einlaufen, denn dann ist der Tag so gefüllt, dass man den Gottesdienst nicht gut unterbringen könnte.

Ich beginne bereits einige Tage vor dem Gottesdienst mit der Vorbereitung. Die Lesungen und Evangelien des kommenden Sonntags begleiten mich dann durch die Woche, so dass ich nach und nach meine Predigt entwickeln kann. Ich versuche dabei immer einen Bezug zu entwickeln zwischen dem Bibeltext und der damit verbundenen Theologie sowie der Lebenssituation und dem Alltag an Bord.

Gottesdienst auf Oberdeck

Da es keinen festen Gottesdienstraum gibt, fällt die Entscheidung über den Ort manchmal erst sehr kurzfristig, da wir das Wetter und die operative Lage berücksichtigen müssen.

Wenn es die Umstände erlauben, gibt es wohl keinen schöneren Ort für den Gottesdienst, als einen Platz an Oberdeck. Der Blick auf das weite Meer und den Himmel mit der Sonne lassen einen die Schönheit der Natur und die Größe Gottes erahnen.

20 Minuten vor Gottesdienstbeginn wird „Pennant Eight“ gesetzt. Eine Flagge, die anzeigt, dass auf diesem Schiff nun ein Gottesdienst stattfindet. Dies hat nicht nur symbolische Bedeutung. Durch das Setzen der Flagge signalisieren wir, dass zur Zeit kein Bordzeremoniell durchgeführt wird: so entfällt beispielsweise in See die „Front“. Dabei handelt es sich um eine Ehrerweisung zwischen Kriegsschiffen, bei der die Soldaten an Oberdeck in Grundstellung gehen und Front zum vorbeifahrenden Schiff einnehmen. Außerdem werden über die Schiffslautsprecheranlage keine Durchsagen mehr gemacht. Außer im Notfall hat der Gottesdienst nun eine gewisse Priorität.

Nicht ohne Kirchencocktail

Zum Gottesdienst an Bord gehört natürlich – wie zu Hause in der Kirche – der Gesang. Besonders gelingt das, wenn es einen Soldaten gibt, der die Lieder mit einem Instrument begleiten kann. Hier an Bord der "Hamburg" kommen wir beim Singen in den Genuss, von einer Gitarre begleitet zu werden. So macht das Singen und Beten gleich doppelt so viel Spaß und schließlich gilt immer noch das gute alte Zitat vom Heiligen Augustinus: „Wer singt, betet doppelt.“

Nach dem Gottesdienst folgt dann der schon fast obligatorische Kirchencocktail. Bei Saft oder Kaltgetränk bleibt man noch eine Weile zusammen und tauscht sich aus. So lässt sich ein Sonntag auf See aushalten.


17. September 2020: Alltag an Bord eines Kriegsschiffs

Als eingeschiffter Militärpfarrer gestaltet sich der Tagesablauf an Bord eines deutschen Kriegsschiffes natürlich deutlich anders als im heimatlichen Stützpunkt.

Der Tag beginnt um 07:00 Uhr mit dem allgemeinen Wecken. Bereits wenige Minuten vorher erklingt über die SLA (Schiffs-Lautsprecher-Anlage) das „Wecklied“. Dieses wird von der gerade stehenden Seewache ausgesucht. Um Punkt 7 erklingt dann der Ruf „Reise, Reise, aufstehen!“

Was folgt, ist die persönliche Morgenroutine, fast wie zu Hause: waschen, rasieren, Zähne putzen, anziehen, anschließend Frühstück.

Kontakt mit allen an Bord

Dienstbeginn ist um 8 Uhr. Als Militärpfarrer hat man dann die Gelegenheit noch bei einer Tasse Kaffee ein wenig die Stimmung aufzunehmen und erste Gespräche zu führen.

Wenig später beginne ich meinen ersten „Rundgang“ durch das Schiff. Mein Ziel ist, es mehrmals am Tag die verschiedenen Seewachstationen zu besuchen, um so mit den unterschiedlichen Seewächtern in Kontakt zu kommen.

Die Seewachstationen werden in einem dreier-Wach-System betrieben: Brücke, Operationszentrale (OPZ), Schiffstechnischer Leitstand (STL), Funkraum, Weapon Section Base.

Daneben gibt es noch viele andere betriebsame Räume, wo geschäftiges Treiben herrscht: Schiffslazarett (die schiffseigene Arztpraxis und Notaufnahme), Hubschrauberhangar und neben vielen weiteren natürlich die Kombüse (die Bordküche), hier werden jeden Tag vier Mahlzeiten für die fast 250 Personen umfassende Besatzung zubereitet (Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Mittelwächter). Am Donnerstag gibt es darüber hinaus noch den „Seemannssonntag“ (Kaffee und Kuchen) und sonntags „Kaffee und Kuchen“.

Mit den aktuellen Informationen vertraut

Um 11 Uhr findet unmittelbar vor dem Mittagessen die Offizierlage statt. Hier bietet sich die Gelegenheit, wichtige Neuigkeiten und Informationen weiterzugeben und mitzunehmen. Anschließend steht das Mittagessen an.

Nach einer kurzen Mittagspause tritt der Hauptabschnitt 400 um 13 Uhr auf dem „freien C-Deck“ zur Mittagsmusterung an. Als Militärpfarrer ist man eigentlich keinem Hauptabschnitt direkt zugeordnet, meistens wird man jedoch der Sanität bzw. Versorgung assoziiert. Daher nehme ich hier an Bord der HAMBURG an den Musterungen des Hauptabschnitts 400 teil. Bei der Mittagsmusterung werden vom I SVO die wichtigsten Neuigkeiten und Informationen weitergegeben. Für die Versorgung ist die Planung des Schiffes bzgl. Hafenaufenthalten, Materialbestellungen, Ersatzteillieferungen usw. immer besonders wichtig.

Nachmittags setze ich meine Runden durchs Schiff fort. Auch außerhalb der Seewachstationen treffe ich immer wieder auf Soldaten*innen. Gesprächsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte finden sich eigentlich fast immer: Freunde und Familie, Hobbys, Urlaub, Erlebnisse der Seefahrt und natürlich die Aufgaben, die die Soldaten hier an Bord haben. Gerne sind sie bereit mir ihren Aufgabenbereich zu erklären und zu zeigen. So lernt man sich kennen.

Persönliche Gespräche

Immer wieder melden sich bei solchen Gelegenheiten oder zwischendurch Soldaten*innen zu persönlichen Gesprächen an. Entweder können wir uns dann sofort zu einem Gespräch unter vier Augen zurückziehen oder wir vereinbaren einen Termin. Für vertrauliche Einzelgespräche steht mir eine kleine Sitzecke in meiner Kammer zur Verfügung. So lässt sich die Vertraulichkeit waren und wichtige Gespräche müssen nicht „zwischen Tür und Angel“ geführt werden.

Um 16 Uhr findet normalerweise die HAL-Lage statt: Die Hauptabschnittsleiter treffen sich mit dem Kommandanten und Ersten Offizier um die wichtigsten Punkte des Tages und für den kommenden Tag (und ggf. darüber hinaus) zu besprechen. Wenn es Bedarf gibt, nehme ich an dieser Lage ebenfalls teil.

Ab 17 Uhr ist es dann schon wieder Zeit zum Abendessen. Auch anschließend bin ich viel an Bord unterwegs. Gerade wenn abends die Betriebsamkeit des Tages nachlässt und es etwas ruhiger wird im Schiff, ist oft Gelegenheit für Gespräch und Austausch. So bin ich dann meist noch die ein oder andere Stunde unterwegs. Und bevor man sich versieht, ist der Tag auch schon wieder rum.

Die wenige freie Zeit ist kostbar

Neben dem Routinedienst und Seewachen stehen in den verschiedenen Abschnitten immer wieder Wartungen, Übungen, Einweisungen, Fortbildungen usw. auf dem Programm. Langeweile kommt da meistens nicht auf.

Die (wenige) freie Zeit am Tag kann jeder ganz individuell nutzen: Die Freizeitmöglichkeiten an Bord sind natürlich nicht ganz so vielfältig, wie zu Hause. Aber auch hier kann man immerhin lesen, Filme und Serien schauen, je nach Kurs auch fernsehen über Satellit oder sich mit Kameraden*innen in der Messe treffen zum Spielen, Quatschen… Außerdem gibt es Möglichkeiten sich sportlich zu betätigen. An verschiedenen Stellen im Schiff sind Sportgeräte aufgestellt (Laufbänder, Spinning-Räder, Gewichte usw…), die viel genutzt werden.

So findet hier jeder seinen Rhythmus und ehe man sich versieht, ist es wieder Zeit sich auf den Bock zu legen.

Begriffserklärungen:

Brücke: Der Raum relativ hoch im Schiff, der als einziger über Fenster verfügt. Er erstreckt sich über die gesamt Schiffsbreite und hat an beiden Seiten Nocken (so etwas wie Balkone) in denen dieAusgucks ihren Dienst tun. Hier wird navigiert und das Schiff gesteuert.

Schifftechnischer Leitstand (STL): Hier wird die gesamte Schiffstechnik überwacht und gesteuert (Antrieb, Stromerzeugung und -verteilung, Frisch- und Abwasser) sowie Wartungen und Reparaturen veranlasst.

Operationszentrale (OPZ): In diesem Raum findet die Auswertung auf Aufbereitung der Sensordaten (z.B. Radar) statt. An verschiedenen Konsolen werden hier die Daten gesammelt, erfasst und bearbeitet. Die Effektoren werden von hier gesteuert und bei Bedarf eingesetzt. Die operative Lage- und Schiffsführung erfolgt von hier aus.

Kombüse: Die Küche an Bord eines Schiffes

Messe: Der Speise- und Aufenthaltsraum für die Besatzung des Schiffes. Es gibt für jede Dienstgradgruppe eine eigene Messe, also insgesamt vier: Offizier-, Portepeeunteroffizier-, Unteroffizier- und Mannschaftsmesse.

Hauptabschnitt (HA): Die Verschiedenen Aufgabenbereiche auf einem Schiff sind in Hauptabschnitte eingeteilt: 100 - Navigation und Decksdienst, 200 - Schiffstechnik, 300 - Waffen- und Informationstechnologie, 400 – Versorgung und Sanität, 500 – Flugbetrieb und -technik, 600 – Operationsdienst

Hauptabschnittsleiter (HAL): Jeder Hauptabschnitt wird an Bord von einem Offizier geführt: 100 – Navigationsoffizier (NO), 200 – Schiffstechnikoffizier (STO), 300 – Schiffselektronikoffizier (SELO), 400 – Schiffsversorgungsoffizier (SVO), 500 – Hubschraubereinsatzoffizier (HEO), 600 – Schiffseinsatzoffizier (SEO)

Seemannssonntag: Eine Tradition auf deutschen Marineschiffen, bei der es am Donnerstagnachmittag Kaffee und Kuchen gibt.

Kammer: Wohnraum für Offiziere und Portepeeunteroffiziere (1-4 Px)

Deck: Ebene/Etage auf einem Schiff. Oder auch: Wohnraum für Unteroffiziere und Mannschaften (auf der HAMBURG bis zu 8 Px)

Lage: Besprechung

Musterung: beim Heer heißt es Antreten. Hier tritt die Besatzung oder ein Teil davon an und es werden Informationen/Anordnungen/Befehle weitergegeben, oder auch Beförderungen/Begrüßungen/Verabschiedungen vorgenommen.

Backen und Banken: Begriff für das Essen an Bord (Back = Tisch, Bank = Sitzbank). Die Essenszeiten an Bord richten sich eng nach dem Wachwechsel, so dass die aufziehende Wache vorher und die abziehende Wache unmittelbar nach der Ablösung essen kann.

Bock: Die Koje, also das Bett an Bord des Schiffes.


Fahrt ins Einsatzgebiet

Der Transit ins Einsatzgebiet ist eine spannende und zugleich fordernde Zeit. An Bord befinden sich jetzt alle Menschen, die zusammen die Besatzung der Fregatte Hamburg während des Einsatzes IRINI bilden werden.

Teamwork ist gefragt

Neben der Stammbesatzung der Fregatte sind viele weitere Komponenten eingeschifft:

Die Hubschrauberkomponente mit zwei Bordhubschraubern Sea-Lynx, Technikern und fliegenden Besatzungen. Die Bordhubschrauber werden zur Aufklärung im Einsatzgebiet, Verbringung des Bord-Einsatz-Teams, oder notfalls auch zum Verletztentransport eingesetzt.

Ein Bord-Einsatz-Team. Dieses hat die Aufgabe ggf. Boardings oder sog. „Friendly Approachs“ (also Besuche auf Schiffen mit Einverständnis der Schiffsführung) durchzuführen.

Eine Bord-Facharzt-Gruppe, bestehend aus drei Bundeswehr-Ärzten: Chirurg, Anästhesist, Zahnärztin sowie den dazu gehörenden drei Assistenten aus der Laufbahn der Portepee-Unteroffiziere (Feldwebel-Dienstgrade). Ihre Aufgabe ist es, den Schiffsarzt und das Lazarett-Team in ihrem jeweiligen Fachgebiet zu unterstützen und spezialisierte Leistungen zu erbringen.

Ein Stab, der die Aufgabe hat, die gesammelten Informationen zu verarbeiten, aufzubereiten und weiterzuleiten. Zum Stab gehören unter anderem ein Rechtsberater, ein Sprachmittler und Feldjäger, bestehend aus einem Feldjägeroffizier und zwei Feldjägerfeldwebeln, die den ersten Offizier bei der Ausübung der Aufsicht im Innendienst unterstützen und auch bei der Aufnahme in Not geratener Personen (INGP) eingesetzt werden können.

Der Militärpfarrer, also in diesem Fall meine Person. Als Militärpfarrer bin ich neben der Feier von Bordgottesdiensten für das geistig-seelische Wohl der Besatzung da. Ich stehe beispielsweise für Gespräche zur Verfügung. Dazu kann man mich einfach ansprechen, wenn ich durchs Schiff laufe, mich in meiner Kammer (so heißt das „Zimmer“, das man auf dem Schiff bewohnt) aufhalte oder die Seewachstationen besuche.

Keine Minute ohne Übung

Der Transit ist geprägt von der Ausbildung, Belehrung und Einweisung der Besatzung. Es gibt sog. Stellproben, bei der jeder auf seine Manöverstation läuft, die er bei der entsprechenden Alarmierung zu besetzen hat, Einweisung in die Rettungsmittel (z. B. Schwimmweste, Rettungsinsel usw.), Informationen über den Einsatz, Ausgabe von Sanitätsmaterial (jeder Soldat trägt immer in einer Beintasche der Uniform ein kleines „Erste-Hilfe-Set“ bei sich) und ABC-Schutzausstattung (mehrere Filter für die Maske, zwei Overgaments, die Schutzanzüge der Bundeswehr), um nur einige Beispiele zu nennen.

Außerdem wird natürlich immer wieder geübt: Neben „Mann über Bord“ und „Feuer im Schiff“ kommen dabei auch die „Helo (Helikopter. Die Redaktion)-Notlage“ und der Gefechtsdienst vor. Diese Übungen dienen dazu, die Besatzung bestmöglich auszubilden und gleichzeitig alle „Neuen“ in die Abläufe zu integrieren. Schließlich will man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Noch verfliegt die Zeit

Bei allen diesen Tätigkeiten an Bord verläuft der Transit doch schneller als man glauben mag. Nachdem wir die Straße von Gibraltar passiert haben, nimmt die Hamburg Kurs auf Sizilien. Im Hafen von Augusta machen wir unseren ersten Zwischenstopp. Auch hier stehen wieder Corona-Abstriche auf dem Programm. Wie wir mittlerweile erfahren haben, sind wieder alle negativ getestet worden, so dass wir unsern Einsatz beruhigt fortsetzen können.

Herzliche Grüße aus dem Mittelmeer

Torsten Stemmer


Die ersten Tage an Bord

Am Dienstag, 04. August 2020 sind wir mit der Fregatte Hamburg aus dem Heimathafen Wilhelmshaven ausgelaufen.

Zuvor gab es emotionale Verabschiedungen von den Familien an der Pier. Trotz Corona konnten sich einige Familienangehörige im Marinestützpunkt einfinden und die Besatzung in den Einsatz verabschieden. Für viele steht eine ungewisse Zeit bevor: fünfeinhalb Monate Seefahrt mit der Aussicht, in der kompletten Zeit keinen Landgang zu haben. Gleichzeitig schwebt Corona wie ein Damokles-Schwert nicht nur über den Hafenaufenthalten des Schiffes, sondern auch über den Familien und Freunden der Besatzungsmitglieder.

Der Kommandeur der Einsatzflottille 2, Flottillenadmiral Kuchler, wandte sich noch einmal in einer persönlichen Ansprache an die Besatzung. Neben dem Auftrag stand im Mittelpunkt seiner Worte, wie wichtig gerade in dieser Zeit und unter den gegebenen Umständen die Möglichkeiten der Kommunikation nach Hause sind. Daher versprach er der Besatzung, dass alles getan würde, um eine gute und verlässliche Betreuungskommunikation zu ermöglichen.

Bereits kurz nach dem Auslaufen wurde an Bord damit begonnen, Corona-Abstriche von der gesamten Besatzung zu nehmen. Anschließend wurden die genommenen Proben mit einem der Bordhubschrauber an Land geflogen.

Warten auf Ergebnisse

Bis zum Eintreffen der Ergebnisse durfte das Schiff die heimatlichen Gewässer nicht verlassen. In der ersten Nacht stand daher Ankern vor Helgoland auf dem Programm. Stellproben und Übungen bestimmen die ersten Tage. Und trotz gut gefüllter Tagesbefehle ziehen sich die Stunden und Tage in die Länge: gespanntes Warten auf die Ergebnisse der Corona-Tests.

Donnerstagvormittag ist es dann soweit: Die Ergebnisse liegen vor und werden an das Schiff übermittelt: alle negativ!

Es kann weitergehen! Das Schiff nimmt Fahrt auf und wir machen uns auf den Weg in Richtung Mittelmeer. Schnell passieren wir den englischen Kanal. Weiter geht es dann durch die Biskaya. Während der ganzen Zeit begleitet uns Sonnenschein und ruhige See. Wir fahren entlang der portugiesischen Küste und erreichen schließlich am frühen Nachmittag des 10.08. die Straße von Gibraltar. An Steuerbord der Blick auf Afrika. An Backbord der Blick nach Europa. Es wird wohl für längere Zeit der letzte Blick auf festes Land sein.

Mit dem durchqueren der Meerenge von Gibraltar sind wir im Mittelmeer und damit offiziell Teil der NATO-Operation „Sea Guardian“. Für uns bedeutet das aber trotzdem primär: Weiterfahrt durchs Mittelmeer in Richtung Augusta (Hafenliegezeit: 16.-19.08.2020) und Integration der eingeschifften Komponenten sowie weitere Übungen mit der gesamten Besatzung um die volle Einsatzbereitschaft herzustellen.


Vorbereitungen zur Einschiffung

Wenn ich als Militärpfarrer an Bord eines Schiffes der Deutschen Marine eingeschifft werde, müssen natürlich im Vorfeld einige Vorbereitungen getroffen werden. Dazu gehört zunächst die Zuordnung zur Truppe und zum Einsatzkontingent bzw. zum Kontingentführer. In diesem Fall ist das der Kommandant der Fregatte Hamburg.


Schiff Ahoi!

Außerdem müssen mein Gesundheitsstatus überprüft und gegebenenfalls Untersuchungen durchgeführt werden. Die Überprüfung auf die sogenannte Borddienstverwendungsfähigkeit (BDV), die die gesundheitlichen Vorgaben für die Soldaten festlegt, gilt auch für alle anderen eingeschifften Personen, also auch für die Militärseelsorger. Die Sicherheitsüberprüfung und Ausstellung der zugehörigen Konferenzbescheinigung (in der steht, bis zu welchem Geheimhaltungsgrad man freigegeben ist) gehört ebenfalls dazu.

Ebenso der Empfang der persönlichen Ausstattung an Bekleidung und Schutzausrüstung. Als Militärpfarrer bei der Einsatzflottille 2 bin ich sowieso schon für alle Eventualitäten eingekleidet und die Konferenzbescheinigung lag auch schon vor. Um relativ schnell mit den zugeordneten Schiffen verlegen zu können, bin ich immer im Besitz einer aktuellen Konferenzbescheinigung sowie des entsprechenden Bekleidungssatzes. Die BDV und der Impfstatus mussten vor der Einsatzbegleitung noch aktualisiert werden.

Wenn diese formellen Voraussetzungen erfüllt sind, kann es fast losgehen. Da das Schiff in diesem Fall von Wilhelmshaven in See sticht, gestaltet sich die Anreise relativ einfach, da es vom Katholischen Militärpfarramt Wilhelmshaven bis zur Pier nicht weit ist.

 
Einschiffung

Die Fregatte Hamburg ist am 4. August von Wilhelmshaven in Richtung Mittelmeer ausgelaufen. Damit ist sie nicht nur das erste deutsche Schiff bei der EU-Mission IRINI, sondern auch besonders betroffen von den außergewöhnlichen Umständen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt. Das bedeutet vor allem, dass es (nach aktuellem Stand) für die Besatzung während der Hafenaufenthalte keinen Landgang geben wird.

Zudem ist das Schiff sehr voll. Neben der Stammbesatzung ist noch viel zusätzliches Personal eingeschifft. Es sind zwei Hubschrauber mitsamt Techniker- und Piloten-Team, Bord-Einsatz-Team, Rechtsberater, Einsatzstab, Feldjäger an Bord. Daneben eben auch ich als Militärpfarrer. Insgesamt befinden wir uns nun also mit 241 Personen an Bord. Da bleibt für die Einzelnen nicht besonders viel Platz.

Dennoch müssen das gesamte benötigte Material und die persönliche Ausrüstung verstaut werden. Neben dem Bord- und Gefechtsanzug (BGA) gehört dazu für die warmen Gefilde vor allem auch der Tropen-BGA mit dem jeweils dazugehörigen Schuhwerk. Außerdem der Bordeinsatzrucksack mit dem „Bordkultgerät“. Darin befindet sich alles, was man braucht, um an Bord einen Gottesdienst zu feiern. Angefangen von Tischdecke, Kelch und Hostienschale, über Kerzenständer und Altarkreuz bis hin zu liturgischen Büchern sowie Albe und Stola. Zu Betreuungszwecken habe ich darüber hinaus einen ganzen Satz Gesellschaftsspiele mitgenommen.

 

Leben auf 143 Metern

Wilhelmshaven, 4. August 2020. Knapp fünf Monate ist die Fregatte Hamburg im Mittelmeer unterwegs, um die Mission EUNAVFOR MED Irini zu unterstützen. Der katholische Militärpfarrer Torsten Stemmer begleitet die 250 Soldatinnen und Soldaten an Bord, steht als Seelsorger zur Verfügung, bietet Gespräche, Gottesdienste und Zeiten der Besinnung an. Auf dieser Seite berichtet er von Zeit zu Zeit vom Alltag auf der Fregatte und gibt Einblicke in seine Tätigkeit als Militärseelsorger.

Aufgrund der Covid19-Pandemie hält der Einsatz für die Besatzung ganz besondere Herausforderung bereit. Eine davon heißt: Kein Landgang. Ein großer Teil der Soldatinnen und Soldaten wird die Fregatte somit auch in den Hafenzeiten nicht verlassen. Bei 143 Metern Länge und 17 Metern Breite Schiffsfläche erfordert das ein größeres Maß an persönlicher Disziplin und Kameradschaft.

Für den Kontakt mit Familie und Freunden bleibt der Besatzung Internet oder Telefon in der freien Zeit an Bord. Das Getrennt-sein ist für die Familien und besonders für die Kinder eine enorme Belastung. Hier können die Familienbetreuerin der Militärseelsorge in Wilhelmshaven und die Broschüre "Zusammen schaffen wir das!" für Familien eine Hilfe sein.


Pfarrer an Bord

Torsten Stemmer (38) ist seit 2017 katholischer Militärpfarrer in Wilhelmshaven. Nach seiner Schulzeit war er Soldat, zuletzt Obergefreiter und Offizieranwärter, bei der Marine. Während seiner Tätigkeit als Geschäftszimmersoldat bei der Katholischen Militärseelsorge in Nordholz kam ihm der Wunsch, selbst Seelsorger zu werden. So studierte er in Münster und Wien Theologie und wurde 2011 zum Priester geweiht. Pastorale Erfahrung sammelte er als Kaplan und Jugendseelsorger im Bistum Münster.

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