Der 8. Mai 1945: Wehrmachtseelsorge und Kriegsende

    

Am 8. Mai 1945 kapitulierte bedingungslos die deutsche Wehrmacht. Wie erlebte die Militärseelsorge der Wehrmacht das Kriegsende? Hier ist nur der Blick auf die Leitung der Wehrmacht- bzw. ab 1939 der Feldseelsorge möglich. Die Schicksale einzelner von über 700 katholischen Wehrmachtgeistlichen sind vielfältig und nur unzureichend dokumentiert. Durch einen überlieferten Tagebucheintrag des ehemaligen katholischen Feldgeneralvikars Georg Werthmann (1898-1980) ist das Ende der Evangelischen und Katholischen Feldseelsorge bekannt.

Der Katholische Feldbischof der Wehrmacht, Franz Justus Rarkowski (1873-1950), war seit Anfang 1944 wegen seiner angeschlagenen Gesundheit im Reservelazarett Altötting untergebracht und wurde im Januar 1945 als Staatsbeamter pensioniert. Während dieser Zeit übernahm Werthmann faktisch die Leitung der katholischen Wehrmachtseelsorge. Die Dienststellen der beiden Feldbischöfe waren Teil des Allgemeinen Heeresamtes im Oberkommando des Heeres (OKH). Ihr Personal gehörte zur Truppenabteilung/Amtsgruppe Seelsorge. Als im Februar 1945 Berlin stark bombardiert wurde, sah sich das Oberkommando der Wehrmacht gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen. Am 19. März begann der Rückzug aus Berlin. Die Truppenabteilung mit den Vertretern der Wehrmachtseelsorge zog über Thüringen, Sachsen, Vogtland, Oberpfalz bis nach Niederalteich. Nach gut vier Wochen Reise fanden die drei leitenden Wehrmachtgeistlichen, der Evangelische Feldbischof Franz Dohrmann, sein Feldgeneralvikar Friedrich Münchmeyer und der katholische Feldgeneralvikar Georg Werthmann mit Urlaubsschein der Wehrmacht Quartier im Kloster Niederaltaich.

Am 30. April – Tag Hitlers Selbstmord – wurden die genannten Wehrmachtgeistlichen im Klostergarten von amerikanischen Soldaten entdeckt. „Damit war jener Augenblick gekommen, auf den wir schon lange warteten . . .“ – so Werthmann in seinem Tagebuch. Werthmann hatte bereits drei Tage zuvor eine englischsprachige Erklärung abgefasst, in der er für sich als Militärgeistlicher den Schutz der Artikel 9, 12 und 13 des Genfer Abkommens (1929) beanspruchte.

In amerikanischer Gefangenschaft lernten die drei deutschen Militärgeistlichen die ganz andere Welt der „Yankees“ kennen. Sie waren beeindruckt von der Fülle des Materials. Werthmann notierte: „Hatten wir wirklich den Wahn, diese amerikanische Welt besiegen zu können?“ Bedrohlich wurde die Situation im amerikanischen Gewahrsam, als ein äußerst empörter US-Major die drei Wehrmachtgeistlichen mit den grausamen Exekutionsmethoden der SS-Mannschaften, die er den Wehrmachtsoldaten gleichsetzte, konfrontierte. In weiteren Gesprächen mit den Amerikanern ging es vor allem um das Unverständnis über die bereitwillige und blinde Gefolgschaft des deutschen Volkes unter diesem Unrechtsregime. Am folgenden Tag fiel nach einigem Hin und Her schließlich die Entscheidung. Die drei hohen deutschen Militärgeistlichen wurden wieder zurück ins Kloster Niederaltaich gebracht, wo sie vorerst interniert bleiben sollten. Hier erlebten sie die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Werthmann notierte kurz darauf: „Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in den ersten Maitagen 1945 hat auch die katholische Wehrmacht- bezw. Feldseelsorge ihre amtliche Tätigkeit eingestellt . . .“. Am 26. Juli konnte er in das heimatliche Kronach zurückkehren. Werthmann wurde 1956 Generalvikar des ersten Katholischen Militärbischofs für die deutsche Bundeswehr.

Text: Dr. Monica Sinderhauf