Last und Herausforderung – Archivdokumente zum Ersten Weltkrieg

  

Vor über hundert Jahren, am 28. Juli 1914, begann der Erste Weltkrieg. Wohl die wenigsten ahnten, welche Katastrophe sich anbahnen würde. Wie standen die Bevölkerung, die Soldaten und die Feldgeistlichen zu diesem Krieg? Einige Antworten aus dieser Zeit finden sich in Bild- und Textdokumenten im Archiv des Katholischen Militärbischofs. Ein Gespräch mit dem Archivar, Dr. Markus Seemann.

Welche Dokumente finden sich im Archiv des Katholischen Militärbischofs zur Feldseelsorge im Ersten Weltkrieg?

Wir haben hier im Archiv des Katholischen Militärbischofs einige Akten, Fotos, gedruckte Predigten sowie Kriegsgebetbücher und ein vierbändiges Kriegstagebuch. Insgesamt ist es aber eine Splitterüberlieferung, weil die Akten der Preußischen Feldpropstei, die sich im Heeresarchiv in Potsdam befanden, im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden sind. Natürlich befinden sich auch in anderen Archiven Überlieferungen zur Militärseelsorge im Ersten Weltkrieg, im Bundesarchiv, in Landesarchiven, in Diözesanarchiven und sogar in einzelnen Pfarrarchiven.

Kann man aus diesen Dokumenten Schlüsse über die Aufgaben der Feldgeistlichen ziehen?

Zu den Aufgaben gehörte zunächst einmal die klassische Seelsorge, die Spendung der Sakramente und vieles darüber hinaus, wie etwa Sterbenden, Verwundeten oder Kranken Beistand zu leisten, was aber nicht in jedem Fall schriftlich dokumentiert ist.

Die amtlichen Akten geben oft sehr formale Dinge wieder und auch in manchen Kriegstagebüchern finden sich nur Angaben über gehaltene Gottesdienste, Truppenbewegungen, finanzielle Angelegenheiten. Leider kommt vieles, was an der Front im Schützengraben passiert, in den Akten nicht zum Ausdruck. Zudem war die Schriftlichkeit im Feldeinsatz aufgrund von Papiermangel weniger ausgeprägt, so dass nicht in dem Maß zwischen Front und Heimat kommuniziert wurde, wie das heute der Fall wäre.

Die Feldgeistlichen im Ersten Weltkrieg waren ja als Militärbeamte im Offiziersrang in die Befehlsstruktur der Armee eingebunden. Brachte sie das in Konflikte mit ihrem christlichen Auftrag?

Aus den mir bekannten Dokumenten gehen solche Konflikte nicht hervor. Grundsätzlich herrschte ja die Allianz von Thron und Altar. Die weltliche Obrigkeit, Kaiser, König, wurde ja immer noch als von Gottes Gnaden bezeichnet, als legitim von Gott eingesetzt. So wurde auch von Seiten der Kirchen kein grundsätzlicher Widerspruch darin gesehen, der Kirche und zugleich dem Staat zu dienen.

Wenn Widersprüche im Selbstverständnis aufkamen, dann eher zwischen Front und Heimat, zum Beispiel über die Zusammenarbeit mit anderen Konfessionen. Da war die Zentrale, die Feldpropstei, wesentlich rigider, während man an der Front auch aus der Not heraus sehr eng zusammengearbeitet hat. Es gab zum Teil gemeinsame Gottesdienste und es kam vor, dass ein katholischer Feldgeistlicher Protestanten begraben hat, was aber seitens der Leitung nicht gerne gesehen wurde.

Waren die Feldgeistlichen dann auch von einer ähnlichen Kriegsbegeisterung erfasst, wie man das in Teilen der Bevölkerung beobachten konnte?

Man kann verschiedene Formen einer Kriegsbegeisterung feststellen. Es finden sich auch unter den Feldgeistlichen nicht wenige, die sich zunächst einmal freiwillig als Soldaten gemeldet haben und dann erst als Soldaten in den Rang eines Feldgeistlichen berufen worden sind. Kriegsbegeisterung muss nicht heißen, dass die gesamte deutsche Bevölkerung hin und weg war von dem Gedanken, jetzt in den Krieg zu ziehen. Das war sicherlich nicht der Fall. Begeisterung hieß auch nicht nur Jubel und Freude über den Kriegsausbruch, was aber durchaus vorkam. Die vorherrschende Stimmung in der Bevölkerung und auch unter den Militärgeistlichen war wohl etwas nüchterner. Man empfand den Krieg als schwere Last, als Herausforderung, aber gleichzeitig als von Gott gewollt. Daher wurde nicht hinterfragt, ob dieser Krieg gerechtfertigt ist. Es wurde als Selbstverständlichkeit angesehen, in den Krieg zu ziehen, als Dienst am Vaterland und als Dienst an Gott. Und daraus erklärt sich die Kriegsbegeisterung, die uns in oftmals martialischen Worten auch aus dem Munde von Militärgeistlichen überliefert ist und die uns heute befremdlich vorkommt.

Die Fragen stellte Barbara Dreiling.