Direkt zur Hauptnavigation springen Direkt zum Inhalt springen Jump to sub navigation

Marschieren mit Beethoven

Der Sound klingt noch lange im Ohr, wenn das Zeremoniell schon vorüber ist. Der Yorcksche Marsch ist einer der wichtigsten und bekanntesten Militärmärsche in der Bundeswehr. Doch wenige bringen ihn mit seinem Komponisten in Verbindung.

Warum Soldaten marschieren, warum das Spaß machen kann und wie Musiker gleichzeitig ihr Instrument spielen, das haben wir den Leiter des Luftwaffenmusikkorps Erfurt, Major Tobias Wunderle, gefragt. 

Ein Beitrag zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven.

Beethoven und die Bundeswehr? Ein Zusammenhang, der nicht sofort einleuchtet, oder? 

Auf den ersten Blick scheint es keinen direkten Zusammenhang zu geben. Bei Ludwig van Beethoven denken die meisten sicherlich zuerst an seine bekannten Sinfonien. Dass Beethoven darüber hinaus deutlich mehr Gattungen bediente und auch speziell für Militärmusik Werke schuf, ist eher weniger bekannt.

Was spielt das Luftwaffenmusikkorps von Beethoven? 

Regelmäßig spielen wir mit dem großen sinfonischen Blasorchester bei Konzerten und Serenaden den Marsch des Yorckschen Korps, welcher auch traditionsgemäß beim Anmarsch zum „Großen Zapfenstreich“ erklingt. Darüber hinaus ist Beethoven neben dem großen Orchester auch in den kleinen Kammermusikbesetzungen präsent wie zum Beispiel durch die „Drei Equale für vier Posaunen“. 

Wann marschieren Soldaten heute noch? Handelt es sich dabei nur um eine militärische Tradition oder welche Funktion verbirgt sich hinter dem Marschieren?

Heutzutage wird nicht mehr so viel marschiert wie früher. Aufgrund des technischen Fortschritts und der zunehmenden Mobilität hat das Marschieren deutlich abgenommen. Trotzdem ist es nach wie vor ein wichtiger Bestandteil unseres militärischen Verständnisses. Abgesehen von der militärischen Tradition lässt sich jedoch bei verschiedenen Anlässen erkennen, dass das gemeinsame Marschieren im Gleichschritt sehr wohl eine besondere Wirkung auf alle Beteiligten hat, da sie als Teil des Ganzen innerhalb einer Marschformation bewusst oder unbewusst ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln.

Worauf kommt es bei einem (musikalischen) Marsch an?

Ich würde die Frage so formulieren: Was macht einen Marsch zu einem erfolgreichen und beliebten Marsch? Neben den vielen unterschiedlichen Facetten und musikalischen Parametern sind meiner Meinung nach folgende Aspekte für einen (musikalischen) Marsch entscheidend: Eine einprägsame Melodie mit einem leicht nachvollziehbaren Verlauf und einer charakteristischen Rhythmik, ein strukturierter, meist periodischer Aufbau und ein häufig festgelegtes konstantes Tempo. Deshalb muss eine Marschkomposition nicht immer einfach und schlicht sein. Wenn sie es ist, sind allerdings gerade die Einfachheit und die Schlichtheit in der musikalischen Umsetzung die überaus anspruchsvolle Aufgabe für Orchester und Dirigent.

Warum gerade die Einfachheit und Schlichtheit?

Die Herausforderung liegt darin, dass alle Orchestermitglieder sehr präzise zusammengeführt und klanglich ausbalanciert werden müssen. Kompositionen dieser Art verzeihen keine Ungenauigkeiten, da das Orchester sehr durchsichtig erscheint. Dies ist beispielsweise bei komplizierten und sehr verwobenen Werken weniger der Fall.   

Welche besonderen Herausforderungen gibt es, wenn Musiker, während sie ihr Instrument spielen, marschieren müssen? Was und wie müssen sie da vielleicht trainieren?

Das Musizieren funktioniert während des Marschierens wie ein Automatismus. Als Musiker ist es nahezu unmöglich, sich nicht mit der Musik zu bewegen, da der ganze Bewegungsapparat in Kombination mit dem jeweiligen Instrument auf den musikalischen Puls abgestimmt ist. Aber auch dafür müssen wir regelmäßig trainieren, denn unterschiedliche Schrittlängen und verschiedene Tempi müssen „gemeinsam“, ohne Ausnahme, nicht zuletzt beim Truppenzeremoniell sowie beim Protokollarischen Ehrendienst synchron ausgeführt werden. Das ist mit einem großen Orchester durch die unterschiedlichen Körpergrößen der einzelnen Musikerinnen und Musikern nicht immer einfach. Daher wird zu Beginn oft ohne Musik marschiert bis alle äußerlichen Grundlagen geschaffen sind, um diese dann mit der entsprechenden Musik inhaltlich zu füllen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass wir auf sämtlichen Oberflächen marschieren. Dabei können bei großen Unebenheiten oder bei Glätte schon einmal spannende Situationen entstehen.

Welche Stücke spielen Sie persönlich am liebsten?

Neben der klassisch-identitätsstiftenden Armeemarschmusik liegen mir vor allem Originalwerke für großes sinfonisches Blasorchester am Herzen.   

Was mögen Sie persönlich von Beethoven?

Mein persönliches Lieblingswerk ist die „Missa solemnis“ mit Beethovens Vorrede „Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen“. 

Wie kam Ihr Orchester mit der Corona-Pandemie zurecht? Viele Konzerte sind ausgefallen, was haben Sie gemacht?

Es war auch für uns alle eine völlig neue und ungewohnte Situation. Der Probenbetrieb für das große Orchester wurde sofort eingestellt und bis auf ein kleines operatives Minimum, welches vor Ort den Dienstbetrieb aufrechterhielt, befanden sich alle zunächst im Home-Office. Leider sind sämtliche Konzerte und viele interessante musikalische Vorhaben, auf die wir uns schon sehr gefreut haben, ausgefallen. Doch allmählich wuchs innerhalb des Orchesters verstärkt der Drang zum Musizieren und so hat beispielsweise unser Saxophonquartett aus eigenem Antrieb heraus mehrere Konzerte bei Alten- und Pflegeheimen gespielt. Wir wollten für Menschen da sein, denen es altersbedingt oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, zu unseren Konzerten zu kommen. Viele von ihnen haben ein solches Musizieren bzw. Musik in Uniform zuvor noch nie erlebt. Viele schöne Emotionen, Dankbarkeit und Wertschätzung kamen unseren Ensembles dabei entgegen. Darüber hinaus wurden einige Orchestermitglieder im Rahmen einer Schulung zu „Community Health Worker“ ausgebildet, um bei Bedarf die Gesundheitsämter personell unterstützen zu können.

Die Fragen stellte Barbara Dreiling.

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare


Quarantäne mit „Hofgang“ und Fenster

27.07.2020. Um die Verbreitung von Covid-19 in Einsatzgebieten der Bundeswehr zu verhindern, müssen Soldatinnen und Soldaten in Quarantäne. Wie lebt es sich in der Isolation? Ein Chat mit Oberstabsgefreitem Christoph E.

Wozu gibt es Wehrbeauftragte?

30.06.2020. Weshalb hat der Bundestag dieses Amt geschaffen? Und wozu brauchen eigentlich Soldatinnen und Soldaten einen Wehrbeauftragten oder eine Wehrbeauftragte? Wir haben zwei Soldaten gefragt. 

Bewaffnete Drohnen

15.06.2020. Recht, Moral und Frieden. Der Philosoph und Ethiker Bernhard Koch vom Institut für Theologie und Frieden antwortet auf grundlegende Fragen zum Thema "Bewaffnete Drohnen". 

Erinnerung, die tröstet

29.05.2020. Der Tod vieler junger Soldaten ist für die Angehörigen und Kameraden ein fast unerträgliches Schicksal. Doch es gibt einen Ort der tröstet. Besuch im Wald der Erinnerung mit Militärbischof Overbeck.

Abschied von drei Kameraden

2.4.2020. Militärdekan Bernd Schaller erinnert an den Abschied von den gefallenen Kameraden im Feldlager Kundus. Am Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin erzählt er von der Trauerfeier und warum Karfreitag und Ostersonntag für ihn zusammengehören.

Karfreitagsgefecht - Was vor zehn Jahren geschah

30.03.2020. Wir denken an die Toten, an ihre trauernden Angehörigen, Freunde und an ihre Kameradinnen und Kameraden. Ein Rückblick auf das Karfreitagsgefecht und auf den 2. April 2010.

Weihnachtswünsche der Soldaten in Mali

18.12.2019. Militärdekan Alexander Prosche hat die Bundeswehr-Soldaten in Koulikoro bei der Mission EUTM Mali begleitet. Im Interview berichtet er, wie schwierig es ist, im Einsatz Advent und Weihnachten zu feiern.

Umziehen oder Pendeln?

04.10.2018. Viele Soldaten müssen beruflich weite Strecken pendeln und können nur am Wochenende bei ihren Familien sein. Der Soldatenberuf erfordert hohe Mobilität. Doch wie wirken sich Pendeln und Wochenendbeziehungen auf Freunde und Familien aus?

Von Uniformen, Selfies, Regen und Rollstühlen

23.05.2019. Lourdes ist eine Kleinstadt in den Pyrenäen. Doch für viele Bundeswehr-Soldaten steht sie für eine Lebenserfahrung.

"Der Pilger ist ja niemals alleine unterwegs"

29.05.2019. In Kurzinterviews während der 61. Internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes erzählen Soldatinnen und Soldaten, was ihnen die Wallfahrt und das Pilgern bedeuten.