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Traditionslinien

Tradition ist mehr als Vergangenheit

Soldaten müssen zum Teil unter Lebensgefahr schwierige Entscheidungen treffen. Dazu benötigen sie Handlungssicherheit. Diese erhält man beispielsweise durch eine Rückbesinnung auf Erfolge der Vergangenheit. Gemeinschaften von Menschen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie auf Überlieferungen zurückgreifen, mit denen sie ihre Überlebensstrategien verbessern können, ohne dass sie jede der überlieferten Erfahrungen selbst einmal gemacht haben müssen. Das ist so ähnlich wie bei einem Kind, das nach der Erklärung durch die Eltern nicht selbst auf eine heiße Herdplatte fassen muss, um zu verstehen, dass es sich daran die Finger verbrennen wird. So baut sich mit der Zeit ein großer Wissensschatz aus Erfolgen und Misserfolgen auf, der auf der Erfahrung der Vergangenheit beruht. Begründet aber jeder Erfolg der Vergangenheit auch gleichsam eine Tradition?

Tradition ergibt sich aus Werten und Normen

Für diese Frage ist zunächst zu klären, was Tradition eigentlich ist. Die Bundeswehr hat diese Frage wie folgt beantwortet: „Tradition ist die Überlieferung von Werten und Normen (…)“ (Zentrale Dienstvorschrift A-2600/1 Innere Führung, Ziffer 630). Damit betont sie, dass Traditionen nicht von der Werteordnung der Gegenwart zu trennen sind. Die Bundeswehr ist Werten und Normen verpflichtet, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Diese sind nicht vereinbar mit dem Unrecht des nationalsozialistischen Regimes, welchem Wehrmacht und Waffen-SS als stützende Institutionen dienten. Insofern verfügt die Bundeswehr über keine Traditionslinie zu diesen Institutionen. Doch sind Traditionslinien dann nur ab der Gründung der Bundesrepublik Deutschland möglich? Für diese Frage lohnt sich exemplarisch ein Blick auf staatliche Symbole.

Alleine schon die Flaggenfarben der Bundesrepublik Deutschland, die auch von den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr getragen und gegrüßt werden, deuten auf eine tiefer liegende Geschichte der heutigen Werteordnung hin. Die Farben Schwarz-Rot-Gold finden sich bereits auf Wappenbildern im Heiligen Römischen Reich, welches eine langwährende und weitgehend stabile Friedensordnung gewährleistete und durch Kaiserwahlen über Ansätze demokratischer Verfahren und bereits über eine ausgeprägte föderale Gewaltenteilung verfügte. Diese Farben waren zudem in den Uniformen des Lützowschen Freikorps zu finden und brachten im Zuge der Befreiungskriege 1813 Werte wie Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit zum Ausdruck. Dies setzte sich fort mit den Freiheits- und Demokratiebewegungen im Zusammenhang mit dem Hambacher Fest 1832, der Deutschen Revolution von 1848/49 und der damit verbundenen ersten gesamtdeutschen Flotte, der Gründung der Weimarer Republik 1918 und dem „Aufstand des Gewissens“ vom 20. Juli 1944, bei dem sich die Farben in der so genannten Wirmer-Flagge wiederfinden lassen. Die Deutsche Demokratische Republik griff diese Traditionslinien ebenfalls auf, setzte die damit verbundenen Werte jedoch nicht in die Praxis um.

Farben geben Orientierung

Die Wehrmacht und die Waffen-SS kämpften dagegen nicht unter den Farben Schwarz-Rot-Gold, welche bis 1933 die offiziellen Farben des Deutschen Reichs zur Zeit der Weimarer Republik waren. Sie griffen auf eine konkurrierende Traditionslinie zurück und wählten die Farben Schwarz-Weiß-Rot. Diese Farben verweisen auf die Geschichte des Deutschen Ordens, Brandenburgs, Preußens und auf das Deutsche Kaiserreich. Das nationalsozialistische Regime hatte sich damit auch symbolisch der freiheitlichen und demokratischen Geschichte der Farben Schwarz-Rot-Gold entzogen. Und sowohl die Wehrmacht als auch die Waffen-SS waren als tragende Institutionen des Regimes der Person Adolf Hitler zu unbedingtem Gehorsam, also absoluter Treue verpflichtet. 

Kann man also gar nichts lernen aus einem erfolgreichen preußischen Feldzug, einer Seeschlacht unter kaiserlicher Flagge oder einer Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs? Doch, denn die Geschichte bietet zahlreiche Lehren und Erkenntnisse, die wir aufgreifen können. Dies gilt auch nicht nur bezogen auf die deutsche Geschichte, sondern auch auf militärisches Handwerk allgemein und selbst Erkenntnisse aus der Tierwelt oder aus Fiktionen, wie Star Wars, können hierbei inspirieren. Nicht jedes lehrreiche Ereignis und jede erfolgreiche Taktik stiftet jedoch automatisch eine Tradition. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind keine lediglich an Normen orientierte Kriegshandwerker, sie sind an Werten orientierte Staatsbürger in Uniform.

Auch Menschen und Ereignisse stiften Tradition

Die Vergangenheit zeigt Brüche, bietet aber durchaus auch Traditionslinien für die Bundeswehr, die weit vor die Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinausreichen. Die jeweiligen Staatswappen und Flaggenfarben geben dabei eine gewisse Orientierung, da diese auch immer symbolisch für bestimmte Werteordnungen standen und stehen. Doch nicht immer kann man vom Ganzen auf das Einzelne schließen. Löst man sich daher bei der Betrachtung der Vergangenheit von ganzen Staatsgebilden und militärischen Institutionen, so können auch einzelne Ereignisse und Persönlichkeiten Traditionen stiften. Auch diese müssen sich jedoch an den heute gültigen Werten und Normen messen lassen.

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