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Soldatenehre

Was bedeutet Ehre für Soldatinnen und Soldaten?

Mit Beginn des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 wurden deutsche Soldaten im Zuge des Zweiten Weltkrieges schuldhaft in Verbrechen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes verstrickt. Nur etwas über zehn Jahre später gaben der damalige Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte Dwight D. Eisenhower und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer Ehrenerklärungen für die Soldaten der Wehrmacht ab. In diesem Zusammenhang wurden auch Angehörige der Waffen-SS schrittweise politisch rehabilitiert. Diesen Soldaten wurde also bestätigt, dass sie durch die Teilnahme an einem verbrecherischen Krieg nicht zwangsläufig persönlich entehrt worden seien. Wie können die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr heute mit dieser Deutung umgehen? Ist der Begriff der ‚Ehre‘ auf die Bundeswehr überhaupt noch anwendbar?

Treu gegenüber was und wem?

Für diese Frage ist zunächst zu klären, was Ehre eigentlich bedeutet. Die SS, deren Eid sich vom inhaltlichen Kern her kaum von dem der Wehrmacht unterschied, beantwortete diese Frage für sich mit dem Leitspruch „Meine Ehre heißt Treue“. Aber ist Ehre ohne Treue überhaupt denkbar? Handelten Widerstandskämpfer wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitstreiter damals unehrenhaft, weil sie die Treue gegenüber Hitler aufgaben, oder galt ihre Ehre vielmehr der Treue zu höheren Werten, wie dem Streben nach der Wiederherstellung des Rechts? War es nicht Hitler selbst, der seine Treueverpflichtung gegenüber dem deutschen Volk, dem auch die jüdischen Staatsbürger angehörten, gebrochen hatte, indem er es in jederlei Hinsicht in den Untergang führte und sich damit selbst entehrte?

Bereits in den Zehn Geboten ist die Rede davon, dass man seinen Vater und seine Mutter ehren soll. Könnte man dieses Gebot halten, ohne Vater und Mutter gleichsam treu zu sein? Ehre und Treue sind nicht voneinander zu trennen, und so lautet hierbei die wesentliche Frage also nicht, ob man treu ist, sondern wem bzw. welcher Sache gegenüber. Der Leitspruch der SS war insofern nichtssagend, als er alles und nichts bedeuten und von jedem in Anspruch genommen werden konnte, ähnlich einer Tautologie, wie „Meine Blume ist eine Pflanze“. Nimmt man den geleisteten Eid dazu, so war mit ‚Treue‘ eine unbedingte Treue gegenüber der Person Adolf Hitler bis in den Tod, ohne die Berücksichtigung konkurrierender Werte gemeint. Der Leitspruch gibt dies jedoch so verkürzt wieder, dass er für sich genommen letztlich keinen sinnhaften Inhalt bereithält.

Individuelle und universelle Werte

Die Frage, ob die pauschalen Ehrenerklärungen von Eisenhower und Adenauer gerechtfertigt waren, soll hier nicht bewertet werden. Soldatische Ehre alleine kann allerdings keine Vorbilder der Bundeswehr begründen, da diese immer an den eigenen Werten und Zielen gemessen werden müssen. Deutlich wird dies, wenn man beispielsweise bedenkt, dass auch die Mafia in der Regel über sehr klare Vorstellungen von Ehre verfügt, die eng mit der Treue gegenüber dem jeweiligen Familienclan verbunden sind. In mafiösen Strukturen wird dieser individuelle Wert in der Regel über (Rechts-)Normen und über universelle Werte, wie beispielsweise die Gerechtigkeit, gestellt. Auch Ehrenmorde und Duelle um der Ehre Willen folgen häufig der Überhöhung individueller über universelle Werte. Man wird Menschen diese eigene Vorstellung von Ehre kaum absprechen können, dennoch käme wohl niemand auf die Idee, einen Mafiaboss als Vorbild für die Bundeswehr auszuwählen. Doch funktioniert die Bundeswehr auch ohne Ehre und Treue?

Treue gegenüber dem eigenen Gewissen

Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind zu ehrenhaftem Verhalten und damit zur Treue verpflichtet. Im Gegensatz zu Wehrmacht und Waffen-SS gilt diese jedoch nicht bedingungslos einer Person (sog. „Führereid“), sondern sie gilt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und hierbei insbesondere den Werten Recht und Freiheit, wie diese auch im Soldatengesetz §7 als Grundpflichten des Soldaten genannt sind. Ihre Ehre leitet sich zudem von der Treue gegenüber den Grundsätzen der Inneren Führung ab (Zentrale Dienstvorschrift A-2600/1 Innere Führung, Ziffer 506). 

Sucht man in der Zeit des Zweiten Weltkriegs nach Vorbildern, so wird man stattdessen bei denjenigen Männern und Frauen fündig werden, die sich dem Unrechtsregime Hitlers tapfer entgegenstellten, ein Ende des von ihm bewusst herbeigeführten verbrecherischen Krieges erzwingen wollten, sowie Hilfe für Verfolgte leisteten. Deren Ehrverständnis leitete sich von der Treue gegenüber dem eigenen Gewissen und zu höheren Werten und Zielen ab, wie sie auch heute in Deutschland gültig sind. Dieser Geist und dieses Verständnis von Ehre und Treue gelten auch für alle Angehörigen der Bundeswehr. Mit Blick auf die Opfer des Zweiten Weltkrieges sollte man sich dieser wichtigen Differenzierung stets bewusst sein.

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