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Pendeln bei der Bundeswehr – Ganz normaler Alltag

Pendeln gehört zum Soldatenberuf. Viele Soldaten legen mit dem Auto täglich oder wöchentlich weite Strecken von ihrem Wohnort zum Standort zurück, im Durchschnitt 121 km. Diese Zahl ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Damit erfordert der Soldatenberuf die höchste Mobilität und ist „Spitzenreiter im Pendler-Ranking“, wie bundeswehr-journal.de berichtet. Doch wie wirken sich Pendeln und Wochenendbeziehungen auf die soziale Situation der Soldatinnen, Soldaten und ihrer Familien aus?

Warum pendeln?

Der Arbeitgeber Bundeswehr ist deutschlandweit auf über hundert Standorte mit unterschiedlichen Aufgabengebieten verteilt. Als häufigste Ursache für Pendeln geben Soldatinnen und Soldaten Lehrgänge, Übungen auf einem Truppenübungsplatz oder einsatzvorbereitende Seminare an. An zweiter Stelle folgt als Begründung für monate- und jahrelanges Pendeln ein gewünschter Dienstposten und damit verbunden die Beförderung und berufliche Weiterentwicklung.

60 - 92 Prozent der von beruflicher Mobilität Betroffenen in der Bundeswehr nehmen diese Situation als belastend oder sehr belastend wahr. (Befragung „Berufliche Mobilität in der Bundeswehr“, 2015)

Mancher Soldat liebt seinen Beruf auch für die häufigen Standort- und Dienstpostenwechsel. Oberstabsbootsmann Sven Trousil aus Wilhelmshaven wollte „alle drei bis vier Jahre etwas Neues machen. Und die Bundeswehr ist der einzige Arbeitgeber, der mir das bietet“, sagt er. Er suchte neue Herausforderungen, was für die Familie nicht immer einfach gewesen sei, doch „gemeinsam kann man alles schaffen“, weiß er im Rückblick auf 34 Dienstjahre. Dass daraus 15 Jahre Pendeln und Wochenendbeziehung plus Abwesenheiten durch Auslandseinsätze werden, damit hatte er zu Beginn seiner Dienstzeit nicht gerechnet.

„Pendeln ist verschenkte Lebenszeit, doch oft notwendig in unserem Beruf, gerade bei der Marine“, sagt Trousil frei heraus. Seit August 2017 leitet er das Familienbetreuungszentrum in Wilhelmshaven und kümmert sich um Soldaten und ihre Angehörigen, die berufsbedingt mit Wochenendbeziehungen leben müssen.

Laut der Befragung „Berufliche Mobilität in der Bundeswehr“ 2015 sind 60 Prozent der Bundeswehrangehörigen beruflich mobil. Davon pendeln 84 Prozent täglich zwischen ihrem Wohnort und der Dienststelle, 22 Prozent pendeln einmal pro Woche. 

Nahpendler legen durchschnittlich 32 Kilometer und Fernpendler durchschnittlich 97 Kilometer zurück. Bei Wochenendpendlern beträgt die Strecke im Durchschnitt 322 Kilometer. (Befragung „Berufliche Mobilität in der Bundeswehr“, 2015)

Umziehen oder Pendeln?

Wird ein Soldat / eine Soldatin versetzt, gibt es für die Familie in der Regel zwei Möglichkeiten. Entweder zieht die Familie an den Arbeitsort der Soldatin / des Soldaten, oder sie bleibt am bisherigen Wohnort und der Soldat oder die Soldatin pendelt. Einige Soldaten berichten, dass die Option Pendeln in den letzten Jahren gegenüber dem Umzug immer mehr zugenommen habe.

Am Marinestandort Wilhelmshaven sind viele Soldaten von Fernbeziehungen und Pendeln betroffen, so wie Fregattenkapitän Dirk Müller. Statt mit seiner Familie nach Wilhelmshaven umzuziehen, pendelt er lieber, weil das „in der Familie auch passen muss“, wie er sagt. 

Wilhelmshaven ist etwa 130 km von seinem Wohnort entfernt. Die Fahrzeit beträgt zwei Stunden pro Fahrt. Mit seiner Frau hat er bewusst entschieden, dass er in den nächsten 16 Jahren ein Pendlerleben führt: Statt dauernd umzuziehen, machten sie „einen Familienstandort auf, wo Frau und Kinder heimisch werden können“, sagte er. So können die Familienmitglieder in ihren Bekannten- und Freundeskreisen bleiben, müssen sich nicht immer wieder mit neuen Schulformen arrangieren und auch seine Frau kann sich beruflich weiterentwickeln. 

Mit zunehmendem Alter empfinden Soldaten es eher als Vorteil, wenn die Familie an ihrem Wohnort bleiben kann. Grundsätzlich werde berufliche Mobilität in Soldatenfamilien jedoch als belastend und sehr belastend erlebt, halten die Autoren der Studie fest. 

Nur 8 Prozent der Bundeswehrangehörigen ziehen aus beruflichen Gründen um. (Befragung „Berufliche Mobilität in der Bundeswehr“, 2015)

Leben in Parallelwelten

Warum lässt man sich auf einen Beruf ein, der so viel Mobilität erfordert? Für Oberleutnant zur See Christine Heyer sind es „Seefahrt und Kameradschaft an Bord“, für die sie ihren Beruf liebt. Die 29jährige wohnt jetzt in Wilhelmshaven und war insgesamt neun Jahre Pendlerin zu verschiedenen Standorten. Zu den Abwesenheiten durch Pendeln kommen bei sogenannten Bordfahrern noch weitere Abwesenheitstage durch Seefahrt hinzu. Das sind bei Soldatinnen und Soldaten der seegehenden Einheiten bis zu 200 Abwesenheitstage im Jahr. Christine Heyer weiß um die Herausforderungen für die Partnerschaft: „Ein Seemann braucht eine Seefrau“, findet sie und meint damit, dass der Partner oder die Partnerin häufig den Familienalltag – Soldaten nennen ihn auch „den Krieg an der Heimatfront“ – alleine bewältigen muss.

Für Paare und Familien, die sich nur am Wochenende sehen, entwickelt sich der Alltag in zwei Parallelwelten. Der Soldat oder die Soldatin arbeitet auf dem Schiff oder am Standort in seinem Spezialgebiet. Auf Seefahrt sind auch viele Freizeitaktivitäten wie Ausflüge oder Freunde treffen nicht möglich. Der Tagesablauf auf dem Schiff folgt einem eigenen genauen Rhythmus und es gibt weniger Privatsphäre als in den eigenen vier Wänden.

Vertrauen ist nicht leicht

Die Partnerin oder der Partner zu Hause hat einen zivilen Beruf und wenn Kinder da sind, wird der Alltag ungleich aufregender. Freundeskreis, Familie, Hausaufgaben, Schulnoten, Krankheiten, Arztbesuche, Kinderbetreuung, Papierkram, Probleme im Haushalt oder Wochenendausflüge sind Dinge, die der Soldat oder die Soldatin am Telefon erfährt. Doch in der Abwesenheit, kann er oder sie Familie und Freunde nicht unterstützen. Das kann sehr belastend sein.

Die Kunst ist wohl, sich von der Unterschiedlichkeit des Alltags nicht erschrecken zu lassen. „Man muss dem Partner oder der Partnerin absolut vertrauen können, dass er oder sie zu Hause Entscheidungen trifft, die im Sinne beider sind“, fügt Christine Heyer hinzu. Dass dies leichter gesagt als gelebt ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. Sie ist nicht nur Soldatin, sondern lebt auch in Partnerschaft mit einem Marinesoldaten.

Betreuung für Soldatenfamilien

Wie sich Wochenendbeziehungen auf Paare auswirken können, schildert die Familienbetreuerin der Katholischen Militärseelsorge in Wilhelmshaven, Inge Barkhoff. Das Leben zu Hause muss ohne den Partner oder die Partnerin funktionieren, beide Partner entwickeln Strategien, wie sie ihren jeweils unterschiedlichen Alltag managen. Doch am Wochenende müssen sie wieder zusammenfinden und „alles unter einen Hut kriegen – eine dauerhafte Anstrengung. Ich habe größten Respekt, wie die Männer und Frauen damit umgehen“, sagt Barkho

Um Soldatenfamilien in Fernbeziehungen zu unterstützen, bietet die Sozialpädagogin im Auftrag der Katholischen Militärseelsorge Wochenenden und Werkwochen für Frauen, Männer und die ganze Familie an. Dort sind die Paare und Familien frei von alltäglichen Arbeiten oder Besorgungen und können sich Zeit für das Familienleben nehmen. Neben thematischen Einheiten für Erwachsene und Kinder gibt es viele erlebnispädagogische Angebote wie Fußballturniere, gemeinsame Theateraufführungen oder Abende am Lagerfeuer. Die Familien können sich untereinander vernetzen und in schwierigen Situationen, zum Beispiel während eines Auslandseinsatzes, gegenseitig unterstützen.

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