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„Dahin gehen, wo sie wohnen und sich das anschauen“

Bundeswehr-Soldaten trafen über 200.000 junge Leute aus aller Welt beim Weltjugendtag in Panama.

Von Barbara Dreiling

Hauptgefreiter Jonas Rogner war sich schon 2016 sicher, dass er nach Panama zum Weltjugendtag reisen wird, egal was kommt! So begeistert war er von dem Treffen, das im Sommer 2016 in Krakau in Polen stattgefunden hatte. Damals war es sein erster Weltjugendtag, doch nicht seine erste internationale Begegnung. Er liebt es, andere Menschen und Länder kennenzulernen und war als Soldat bei der Internationalen Soldatenwallfahrt in Lourdes dabei.

Dass er für die Reise nach Mittelamerika jedoch über 9.000 Kilometer und mehr als zwölf Flugstunden zurücklegen musste, stört ihn nicht. Denn er findet es „interessanter, auch mit Menschen von anderen Kontinenten zu reden“, sagt er, und „am liebsten würde man mit denen eine Woche dahin gehen, wo sie wohnen und sich das anschauen.“

Jonas ist gut gelaunt, sein offener Blick verrät Interesse für die Menschen um ihn herum. Er trägt Tanktop und kurze Hosen, der Panamahut der Weltjugendtags-Teilnehmer steht ihm gut. Obwohl er mit der Katholischen Militärseelsorge und als Soldat der deutschen Bundeswehr am Weltjugendtag teilnimmt, kleidet er sich während der zwei Wochen nur zivil, denn Panama besitzt keine Streitkräfte.

"Über den Tellerrand"

Der Weltjugendtag ist anders als die Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes, bei der Soldaten unter sich sind. Doch das Anliegen ist dasselbe: Begegnung und Miteinander, Verständigung über die Grenzen von Sprachen und Nationen hinweg, Suche nach Wegen zum Frieden in den Konflikten der Welt.

Vor dem eigentlichen Weltjugendtag vom 22. bis 27. Januar 2019 in der Hauptstadt Panama City finden die Tage der Begegnung in allen Landesteilen Panamas, Costa Ricas und Nicaraguas statt. Viele der gut 200.000 jugendlichen Pilger wohnen zwischen dem 16. und dem 22. Januar in Gastfamilien und Pfarreien und Ordensgemeinschaften. „Man blickt auch mal über den Tellerrand touristischer Reisen hinaus, denn wir liegen nicht nur am Strand, sondern erleben, wie es den Menschen hier geht“, sagt Jonas. Das ist das Ziel der Tage der Begegnung.

Und wie geht es den Menschen hier?

Zunächst ist da die Berufsschule der Ordensgemeinschaft der Amigonianer, in deren Internat die Pilger der Militärseelsorge – drei Soldaten und eine Soldatin sowie zwei Angehörige von getöteten Soldaten – während der zwei Wochen ihre Unterkunft haben. Bei der Führung durch die „Escuela Vocacional de Chapala“ mit ihren Ausbildungswerkstätten wird der Alltag von jungen Menschen in Panama greifbar.

Zurzeit leben und lernen 180 Jungen in der Berufsschule, deren Name an Berufung oder Sendung erinnert. Sie absolvieren hier eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, Schlosser, Schreiner, Lackierer, Maurer oder Bäcker. Die Azubis aus Chapala hätten sonst kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt – sie waren verhaltensauffällig, manche drogenabhängig oder in Kriminalität verstrickt. Sie kommen häufig aus armen Familien, die gesellschaftlich abgeschottet lebten, viele auf dem Land und ohne Bildungsmöglichkeiten. Einige stammen aus einem der indigenen Völker, deren Lebensraum und Lebensstandard von den Interessen großer Wirtschaftsunternehmen bedroht wird. Angelockt von der Sehnsucht nach Konsumgütern und einem besseren Leben fliehen einstige Dorfbewohner in die Städte. Doch ohne Ausbildung und Arbeit sind sie beinahe chancenlos und rutschen in Kriminalität und Abhängigkeiten.

Zwei Azubis beim Weltjugendtag

Die deutschen Weltjugendtags-Teilnehmer treffen sich mit zwei der Auszubildenden. Louis Philipe (18) macht eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und Michael (17) lernt in der Lackiererei. Nach seinem Abschluss will Michael weiter lernen und Polizist werden. Louis Philipe möchte auch als Fremdenführer arbeiten und Touristen sein Land zeigen.

Während der Ferien von Weihnachten bis Karneval sind die beiden nicht zu ihren Familien gefahren und stattdessen im Internat geblieben. Auch andere Azubis unterstützen die Tage der Begegnung und helfen bei der Verpflegung der Pilger oder der Organisation des Programms. Alle nehmen mit den Gästen am Weltjugendtag in Panama City teil. Die deutschen Teilnehmer engagieren sich bei der Renovierung des Schulgebäudes und verpassen einigen Klassenzimmern einen frischen Farbanstrich.

Begegnungen in Panama City

Arm und reich liegen in Panama dicht beieinander, doch die Schere zwischen wohlhabend und mittellos ist groß. Bei einem abendlichen Ausflug nach Panama City erhalten die Pilger der Militärseelsorge einen Einblick in diese gegensätzlichen Existenzen, die manchmal nur ein Straßenzug voneinander trennt. Da sind die Wolkenkratzer und die Skyline der Finanzmetropole und zugleich die engen, kleinen Häuser mit vollgestellten Kiosken und Kneipen zur Straße hin, mit denen die Bewohner versuchen, über die Runden zu kommen. Das Leben findet auf der Straße statt: Kinder und Eltern, anscheinend ganze Familien, tummeln sich mit den Nachbarn vor und nach Sonnenuntergang vor den Häusern und an den Bushaltestellen. Die Menschen in Panama wirken jung und lebendig.

Nicht zu übersehen sind die improvisierte Bauweise der Häuser oder die Menge und das Wirrwarr herumhängender Stromleitungen. Es gibt weit größere Probleme, als dass man sich hier zuerst Gedanken um Sicherheit machen würde. Die Menschen scheinen an Provisorien gewöhnt zu sein.

Sport, Feiern und Gottesdienst

Die Bundeswehr-Soldaten und die Angehörigen von getöteten Soldaten sind während der Tage der Begegnung nicht alleine in Chapala. Im Gegenteil. Das Internat der Berufsschüler, von denen die meisten gerade in den Ferien sind, ist voll mit 200 jungen Leuten aus Panama, Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua, Spanien und einer Gruppe junger Leute aus dem Bistum Essen in Deutschland. Die meistgesprochene Sprache ist Spanisch.

Hauptgefreiter Jonas findet das gut: „Wir sind alle jung und können uns mit Händen und Füßen verständigen.“ Und oft geht es einfach darum, ein paar Wörter der anderen zu lernen: Buenos dias – guten Tag, muchas gracias – vielen Dank, cómo estás – wie geht es dir, bueno – gut.

Lieder, die alle kennen

Viele Lieder und Sprechgesänge haben Ohrwurmstatus erreicht. Gesungen wird im täglichen Gottesdienst: „Jesus Christ, you are my life, halleluja, halleluja!“ – wer kann diese Zeile nicht! Oder „Viva España!“ und „Alemania, Alemania!“ – unerlässlich beim Anfeuern der Mannschaften beim Fußball- und Basketballturnier.

Von der Turnhalle und vom Sportplatz hallt der Jubel den Berg hoch. Die deutsche Mannschaft ist ins Basketball-Finale gekommen, die deutschen Fußballer spielen um den dritten Platz und Jonas und die anderen feuern die Spieler an. Eine junge Frau aus dem Bistum Essen hat spontan eine Gruppe Cheerleader gegründet und leitet sie an. Die Jugendlichen wissen: In Panama wird auch beim Jubeln alles gegeben.

Jonas ist überall dabei, gute Gemeinschaft ist ihm wichtig. Er kommt mit anderen ins Gespräch – irgendwie geht es immer –, lädt andere zum Selfie ein und ist begeistert von den lebendigen, internationalen Gottesdiensten.

Begegnungen im Glauben

Jonas trägt ein geknüpftes Armband in Kreuzform ums Handgelenk. Ein kroatischer Militärpfarrer hat es ihm bei der Internationalen Soldatenwallfahrt in Lourdes geschenkt. Vermutlich von kroatischen Soldaten geknüpft. Sein katholischer Glaube ist ihm wichtig und er möchte anderen eine neue Sicht vermitteln: „Dieses Denken, dass Gläubige verbissene Menschen sind“, würde er gerne verändern. „Die Kameraden sollen sehen, dass Glauben auch Spaß macht. Mich macht das auch stolz, mich in der Kirche zu engagieren“, sagt er.

Glaube hat für ihn mit Gottesdiensten zu tun – er geht gerne zum Standort-Gottesdienst – und ist dennoch viel mehr. Das wird ihm beim Weltjugendtag besonders bewusst: „Diese Gemeinschaft, dieses Zusammensein und Zusammenlachen verbindet einen“, sagt er.

Für ihn geht es darum, dass „wir als Menschen zusammenstehen, dass viele Kulturen etwas gemeinsam machen und nicht nur in Konflikten versinken.“ Sein Glaube sei für ihn als Soldat ein „Anknüpfungspunkt“, vielleicht eine Art Kompass für den Alltag. Und später einmal, wenn er selbst oder sein Land in Konflikte oder Krisen geraten sollte, so sagt er, möchte er sich an den Weltjugendtag und die guten Begegnungen zwischen bis dahin fremden Menschen erinnern.