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„Wo ist Gott?“ – Geistliche Verantwortung in Zeiten des Kriegs in der Ukraine

Die diesjährige 68. Gesamtkonferenz der Katholischen Militärseelsorge widmete sich unter dem Leitmotiv „Militärseelsorge in der Bündnis- und Landesverteidigung“ der Frage, wie Seelsorge in Krisenzeiten trägt. Militärseelsorgerinnen und -seelsorger aus ganz Deutschland kamen zusammen, um gemeinsam Impulse für die Zukunft zu setzen. Unter diesem Gesichtspunkt stand der Austausch mit dem ukrainischen Militärbischof Bohdan Manyschyn und Militärkaplan Oleg Ladnyuk – und der drängenden Frage, was geistliche Verantwortung im Krieg bedeutet.

Die Militärseelsorge in der Ukraine

Die ukrainische Militärseelsorge ist seit 2022, aufgrund der Erfahrungen mit dem russischen Angriffskrieg, staatlich verankert und ein integraler Bestandteil des Verteidigungsministeriums. Erstmals wurde damit die Tätigkeit von Militärseelsorgenden als eigenständige Komponente in den Streitkräften, der Nationalgarde, dem staatlichen Grenzschutz und weiteren paramilitärischen Formationen definiert und die Seelsorger erhielten Status und Rechte als Angehörige der Militärstrukturen. Ihr Dienst ist multikonfessionell ausgerichtet: Orthodoxe, griechisch- und römisch-katholische sowie protestantische Kirchen und weitere Glaubensgemeinschaften entsenden Seelsorgende, die als geistliche Begleiter Soldatinnen, Soldaten und deren Familien zur Seite stehen. 

Im Unterschied zur deutschen Militärseelsorge handelt es sich in der Ukraine um eine neu geschaffene und in ihrer Struktur noch wachsende Institution. Zentrale Bestandteile ihrer Arbeit sind unmittelbare Nähe, seelische Beistandsleistung und segenspendende Rituale – häufig ohne Zugang zu sakralen Räumen, stattdessen im Feld, an der Seite der Soldatinnen und Soldaten. Das konfessionsübergreifende Logo mit dem Slogan „Nah zu sein“ symbolisiert diesen Auftrag: in den Extremsituationen des Kriegs präsent zu sein und Hoffnung zu vermitteln.

Geistliche Führung und praktische Solidarität

Im Gespräch schilderte Militärbischof Manyschyn eindringlich das Dilemma: „Nur Technik reicht nicht aus, um einen Krieg zu gewinnen.“ Die Realität des Krieges ist brutal – Einzelbetreuung oft nicht mehr möglich. Militärgeistliche helfen bei Evakuierungen, Verteilung von Hilfsgütern und der Versorgung Verwundeter. Besonders bedeutsam ist die Arbeit mit Kindern im Kriegsgebiet: „Die Kinder dürfen die Feste nie vergessen.“ – Militärseelsorgende sorgen dafür, dass Traditionen wie Nikolaus und Ostern lebendig bleiben, auch unter Lebensgefahr.

Fragen, auf die es keine schnellen Antworten gibt

Die häufigste Frage der Soldaten an Militärgeistliche sei: „Wo ist Gott?“ – eine Frage, für die es keine einfachen Antworten gibt, gerade mitten im Leid.

Viel wichtiger als dogmatische Erklärungen bleibt das Begleiten, das „Nah zu sein“ und das Mittragen von Hoffnung und Zweifel. Soldatinnen und Soldaten verteidigen ihr Land mit großem Mut, wohlwissend, dass physische und seelische Traumata drohen. Und doch: „Bei aller Realität gibt es auch Wunder im Krieg.“ – Momente, in denen Menschlichkeit und Glaube eine Brücke schlagen.

Das Kreuz als Zeichen für das Leben

Der Blick auf das Kreuz hilft, nicht zu verzweifeln. Die Begleitung im Sterben, das Bemühen, gefallene Soldaten würdevoll zu bestatten, sind zentrale Aufgaben. Familien, Ärzte und Seelsorgende bilden das Rückgrat zwischen Krieg und Frieden – zwischen Zerstörung und Hoffnung.

Worte der Ermutigung und Verantwortung

Militärkaplan Oleg Ladnyuk betonte die Bedeutung von Papst Johannes Paul II. für das Selbstverständnis der Militärseelsorge und griff dazu eine prägende Botschaft des Papstes auf: Jede einzelne Nation ist mit der Geschichte der Welt verbunden und trägt Verantwortung für das große Ganze. Das Bewusstsein um die Risiken des eigenen Einsatzes begleitet die Soldatinnen und Soldaten Tag für Tag. Gerade in Extremsituationen wie dem Krieg wird deutlich, dass Militärseelsorge weit mehr bedeutet als Beistand im Notfall. Sie gibt Orientierung, stiftet Sinn und spannt den Bogen von Einzelschicksalen zur universalen Solidarität. In den Gesprächen während der Konferenz wurde deutlich, dass die Kirchen auch auf diplomatischer Ebene bedeutende Wege der Verständigung offenhalten – gerade dort, wo politische Kanäle an ihre Grenzen stoßen.

Die Verbundenheit von deutscher und ukrainischer Seelsorge

Bischof Overbeck betonte zum Abschluss, dass die deutsch-ukrainische Militärseelsorge auf einer langen Verbundenheit basiert – seit 2004 im Austausch, in Freude und Leid vereint. Aus dieser Gemeinschaft erwächst Kraft: „So beten wir auch gemeinsam für die Toten, Opfer von Gewalt in der Ukraine und in der ganzen Welt.“ Diesen Dienst verstehen die Seelsorgenden als sichtbares Zeichen des Lebens – das Kreuz bleibt dabei ihr Zeichen der Hoffnung und der Verantwortung. 

Doreen Bierdel