Wie aus Ruinen eine diakonische Kirche entstehen kann
Militärpfarrämter stellen bei der Gesamtkonferenz ihre diakonischen Projekte vor
Die Katholische Kirche, wie wir sie aus früheren Zeiten kennen, ist nur noch eine Ruine. Und wie es Ruinen so an sich haben, sind sie teilweise schön anzusehen und man kann erahnen, wie prachtvoll sie einst gewesen waren. Man weiß aber auch: So wird es nie mehr. Mit dieser ebenso plakativen wie provokanten These hatte Theologieprofessor Rainer Bucher am dritten Tag der Gesamtkonferenz der Katholischen Militärseelsorge seine Zuhörer schnell gefangen. Das Thema seines Vortrags: „Diakonie als Ernstfall einer Kirche in neuen Zeiten.“
Trotz der schonungslosen Analyse, verloren sei die Kirche nicht notwendigerweise, sagte Bucher. Denn in Ruinen liege nur das überkommene Machtsystem der Kirche, nicht aber ihre spirituelle Kraft. Und daraus lasse sich etwas Neues aufbauen. Im Mittelpunkt künftiger Arbeit müsse aber die Aufgabenorientierung stehen. „Wir sollten nicht darauf schauen, ob unsere Gemeinden funktionieren, sondern ob unsere pastoralen Aufgaben funktionieren.“ Für den Weg aus der Krise bedeute dies laut Bucher konkret: die Kirche müsse eine diakonische Kirche sein. Das Tugenddreieck diakonischer Pastoral bestehe laut Bucher aus den Säulen Demut, liebende Aufmerksamkeit und Ermutigung durch Vertrauen. Das bedeute, „die Wirklichkeit wahrnehmen, wie sie ist und ihr so, wie sie ist, mit Liebe und Aufmerksamkeit begegnen, den anderen wichtiger nehmen als sich selbst und dem anderen ein kleines Stück mehr zuzutrauen, als er es eigentlich verdient hat“. Sein Rat an die Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger: Sie sollten an ihren Standorten ein eigenes caritatives Engagement etablieren, umso unmittelbare diakonische Erfahrungen zu ermöglichen. Wie solche Erfahrungen aussehen könnten, das vermittelten im Anschluss drei Beispiele aus dem Bereich der Dekanate München, Köln und Kiel.
Diakonische Projekte
Den Anfang machte Pfarrhelfer Manfred Kuska vom Militärpfarramt Neubiberg. Anliegen des diakonischen Projekts war der Versuch, „die Sprache, die wir in der Kirche haben, den Soldaten nahezubringen“. Vermittelt wurde das im Rahmen einer Andacht, bei der Bilder mit biblischen Szenen und dazu die Texte aus den entsprechenden Bibelstellen gezeigt wurden. Die Soldaten sollten das Bild in ihren eigenen Worten beschreiben, auch wenn vielen von ihnen der biblische Hintergrund fremd ist. Diese Bilder könnten auch bei Wallfahrten verteilt werden, um so ins Gespräch zu kommen, sagte Pfarrhelfer Kuska.
Frauen gehen gemeinsam
Regelmäßige Veranstaltungen für Frauen bietet Pfarrhelferin Anja Gugnon vom Pfarramt Saarlouis an. Hervorgegangen sei die Idee aus der Erkenntnis heraus, dass sich Frauen bei Veranstaltungen meist nur als die Begleiterinnen ihrer Männer wahrgenommen haben, nicht als eigenständige Teilnehmerinnen. Mit dem Angebot einer Wanderung nur für Frauen änderte sich das, mittlerweile gab es drei davon. Die Wegstrecke sollte von allen zu bewältigen sein und an einer Mariengrotte vorbeiführen, so die selbstgesetzten Bedingungen. „Sie erreichen sehr viel in kurzer Zeit“, sagte Anja Gugnon: „Die Frauen sprechen viel miteinander, nicht nur über oberflächliche Probleme.“ Neben den Wanderungen gibt es in Saarlouis noch weitere Angebote oder Ideen: etwa ein Wochenende für Mütter und Kinder oder ein Frauenwochenende im Kloster. Die Vorteile solcher Veranstaltungen: Die Bindung ans Pfarramt und die Kontakte untereinander werden gestärkt, die Gruppe wächst zusammen und die Teilnehmerinnen entdecken ihre Spiritualität.
Den Advent mit Nis Puk erleben
Nis Puk ist ein Kobold, der in Menschenhäusern lebt und nach dem Rechten sieht. Seit einigen Jahren besucht er Soldatenkinder im Bereich des Militärpfarramts Husum. Entstanden sei die Idee zu Corona-Zeiten, als nach Ideen gesucht wurde, in der Weihnachtszeit trotz Lockdown zu den Menschen Kontakt zu halten, berichtet Pfarrhelferin Kathrin Hanschmann. Seit der Adventszeit 2020 bekommen die Kinder an jedem Adventswochenende einen schön gestalteten Brief: Nis Puk erzählt eine Geschichte, im Brief sind zudem kleine Spiele und Basteleien. Die Resonanz wird immer größer, mehr als 400 Kinder haben im vergangenen Jahr Post vom kleinen Kobold bekommen. Dieses Jahr werden sich noch weitere Pfarrämter beteiligen, die Teilnehmerzahl dürfte damit weiter ansteigen. Viele Soldaten unterstützen das Pfarramt beim Versenden der Briefe, ein Netzwerk ist entstanden. „Die Aktion ist ein Türöffner“, sagt Kathrin Hanschmann – und dient nicht zuletzt der Vorbereitung auf Weihnachten im christlichen Glauben.
Theo Weisenburger