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Kompass
 

Soldat in Welt und Kirche

Kolumne des Wehrbeauftragten

Ab September 2025 setzt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Henning Otte, die monatlichen Kolumnen des Wehrbeauftragten in der Zeitschrift KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche fort.

2025

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

2011 kam es zu einer Zäsur: Rund 55 Jahre nach ihrer Einführung setzte der Deutsche Bundestag die verpflichtende Wehrpflicht aus - damals von vielen als Modernisierung verstanden. Doch heute sehen wir: Die Bundeswehr leidet als Freiwilligenarmee unter massivem Personalmangel. Die Belastungen für unsere Soldatinnen und Soldaten sind hoch und ihr Lastenheft wird immer voller. 

In Zeiten, die von geopolitischen Spannungen geprägt sind, steht unsere Verteidigung heute wieder im Zentrum politischer Verantwortung. Deutschland stellt sich grundlegende Fragen zur eigenen Sicherheitsarchitektur. Eine davon: Brauchen wir die Wehrpflicht nun wieder zurück? 

Der Koalitionsvertrag sieht hierzu vor, es zunächst weiter mit einem freiwilligen Wehrdienst zu versuchen. Es mag zwar grundsätzlich löblich sein, auf Freiwilligkeit zu setzen, allerdings gibt es erhebliche Zweifel daran, ob dies wirklich gelingen kann und auch der Lage angemessen ist.

Es wird bereits seit Jahren verfehlt, die Truppenstärke von derzeit rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten auf die bisherige Zielgröße von rund 203.000 Kräften anzuheben. Und dieses Ziel ist nun noch weiter in die Ferne gerückt, wenn Verteidigungsminister Pistorius von zusätzlich 60.000 Kräften spricht. Das ist eine enorme Herausforderung, die der Minister bewältigen muss. 

Es wäre daher notwendig, bereits jetzt die Voraussetzungen zu schaffen, bei einem neuen Wehrdienst schnell auf weitere verpflichtende Elemente umschalten zu können, 

Doch es muss primär darauf geachtet werden, dass ein neuer Wehrdienst die Truppe stärkt und sie nicht belastet. Es bedarf daher mehr als nur einen Gesetzesbeschluss. Es erfordert Infrastruktur, Ausbildungskapazitäten, Material – und vor allem ein gesellschaftliches Umdenken und politischen Willen. 

Eine Wehrpflicht wäre zwar wahrlich kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Teil eines größeren sicherheitspolitischen Konzepts. Gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird deutlich: Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie braucht Menschen, die bereit sind, sie zu verteidigen. 

Ein modernes Pflichtdienstmodell könnte dabei ein Weg sein. Ein Modell, das die Gesamtverteidigung und Resilienz in den Blick nimmt. Dabei ginge es nicht nur um den Wehrdienst, sondern um ein Jahr für die Gesellschaft: In der Bundeswehr, im Katastrophenschutz, in der Pflege, bei der Feuerwehr. So ein Dienstjahr würde nicht nur die Bundeswehr und Blaulichtorganisationen stärken, sondern auch den sozialen Zusammenhalt in unserem Land fördern und die Gesamtverteidigungsfähigkeit ausbauen. 

Darüber hinaus könnte es jungen Menschen helfen, sich zu orientieren, Verantwortung zu übernehmen – und unsere Demokratie aktiv mitzugestalten. Junge Menschen ernst zu nehmen, bedeutet nämlich nicht, sie zu verschonen. Es bedeutet, ihnen zuzutrauen, Teil der Lösung zu sein. 

Schließlich kommt ein weiterer Faktor hinzu: die Kameradschaft. Ein gelebtes Miteinander ist von großem Vorteil für das spätere Leben. Bei der Bundeswehr lernt man schnell, sich aufeinander verlassen zu können, sich gegenseitig zu helfen und sich in Not und Gefahr beizustehen. 

Natürlich gibt es berechtigte Einwände. Der Eingriff in die individuelle Freiheit, die Frage nach Gerechtigkeit und Gleichbehandlung, der administrative Aufwand – all das muss bedacht werden. Aber: Die Zeiten haben sich geändert, die Bedrohungslage hat sich geändert. Deutschland steht vor sicherheitspolitischen Herausforderungen, wie man sie seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt hat. Wer das ignoriert, handelt fahrlässig. 

Die Bundeswehr braucht Nachwuchs – nicht nur technisch versierte Spezialisten, sondern auch charakterfeste, demokratisch denkende Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform. Ein Dienst an der Gesellschaft – ob in der Bundeswehr oder in anderen Bereichen – kann dazu beitragen, diese Haltung zu fördern. 

Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Debatte stellen – offen, ehrlich und ohne ideologische Scheuklappen. Sicherheit beginnt mit Verantwortung. Und diese Verantwortung geht uns alle an. 

Frieden erwächst eben aus Stärke und nicht aus Schwäche. 

Herzliche Grüße 

Ihr Henning Otte,
Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

ich danke Ihnen! 

Danke für Ihren Dienst und Ihr unermüdliches Engagement für unser Land. Sie alle schützen unsere Freiheit, verteidigen unsere Werte und Sie stehen bereit, wenn es darauf ankommt – sei es in der Heimat, im Ausland oder bei Katastrophenlagen.

Die derzeitige sicherheitspolitische Lage in der Welt ist geprägt von großer Unsicherheit und zeigt uns eindrücklich, wie fragil Frieden und Stabilität sind. Globale Krisen, regionale Konflikte und neue Bedrohungen stellen uns vor große Herausforderungen. Gerade in dieser Zeit ist Ihre Rolle als Soldatin und Soldat wichtiger denn je. Sie sind das Bollwerk, das unsere Demokratie schützt und unser Land handlungsfähig hält. Sie sorgen für den Schutz unserer Freiheit. 

Ohne Ihren Einsatz wären wir nicht in der Lage, Krisen zu bewältigen oder unsere internationale Verantwortung wahrzunehmen. Sie sind das stabile Fundament, auf dem unsere Sicherheit ruht.

Tag für Tag stellen Sie sich in den Dienst unseres Gemeinwesens. Sie nehmen weite Trennungen von Ihren Familien, körperliche Strapazen und psychische Belastungen in Kauf. Sie leisten Ihre Arbeit oft unter schwierigen Bedingungen und sind jederzeit bereit, im Ernstfall alles zu geben. Diese Hingabe ist alles andere als selbstverständlich – sie verdient unsere höchste Anerkennung.

Zu oft wird in der öffentlichen Wahrnehmung vergessen, dass Sie weit mehr sind als Soldatinnen und Soldaten. Sie sind Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, Nachbarinnen und Nachbarn, Freunde – Menschen mit Hoffnungen und Ängsten. Sie tragen eine große Verantwortung: Für sich, Ihre Angehörigen, Ihre Kameradinnen und Kameraden, und für unser ganzes Land – für uns alle, die wir auf Frieden und Sicherheit vertrauen. 

Wir alle profitieren von Ihrem Dienst und einer starken und verlässlichen Bundeswehr. Denn die Sicherheit, die Sie gewährleisten, schafft den Raum, in dem Demokratie, Freiheit und Frieden gedeihen können. Deshalb liegt es in unserer gemeinsamen Verantwortung, Sie nicht nur zu fordern, sondern Ihnen auch zu danken – mit Respekt, Verständnis und Solidarität.

Dankbarkeit darf dabei kein einmaliger Akt bleiben, den wir nur an besonderen Tagen äußern. Dankbarkeit ist eine Haltung, die wir täglich leben müssen. Sie zeigt sich in unserem Respekt, in ehrlicher Anerkennung und in tatkräftiger Unterstützung. 

Ein einfaches „Danke“ im Alltag kann viel bewirken – gerade bei denen, die oft fern der Heimat ihren Dienst tun sowie bei deren Angehörigen. Denn hinter jedem Einsatz stehen nicht nur die Soldatinnen und Soldaten, sondern auch deren Angehörigen. Diese Angehörigen tragen oft die stille Last, die mit dem Dienst verbunden ist – sie sind es, die Trennungen ertragen, Ängste überwinden und den Alltag meistern, wenn ihre Liebsten fern von zu Hause ihren Dienst tun. Auch ihnen gebührt unser tiefster Dank und unsere größte Wertschätzung. 

Für die Politik bedeutet Dankbarkeit für unsere Soldatinnen und Soldaten auch, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Sie Ihre anspruchsvolle Aufgabe sicher und erfolgreich erfüllen können. Dazu gehören ein konsequenter Personalaufbau, eine funktionierende Infrastruktur sowie moderne Ausrüstung und Ausstattung, die Sie schützt und ihre Arbeit erleichtert. 

Ein „Danke“ an unsere Soldatinnen und Soldaten in jeder Form ist nicht nur Ausdruck von Wertschätzung – es stärkt auch das wichtige Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. 

Jeder von uns kann ein Zeichen der Dankbarkeit setzen: Ein freundliches Wort, ein ehrliches „Danke“, ein bewusster Blick auf das, was unsere Bundeswehr täglich für uns leistet. Es sind diese Gesten, die den Menschen in Uniform zeigen: Ihr seid nicht allein, wir stehen hinter euch.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Dankbarkeit nicht nur ein Wort bleibt, sondern täglich spürbar wird – für unsere Frauen und Männer in Uniform, die mit Herz und Verstand für unser Land da sind. Denn ihr Einsatz und ihre Bereitschaft, sich für uns einzusetzen, verdient mehr als Anerkennung: Es verdient unsere aufrichtige und nachhaltige Dankbarkeit.

Herzliche Grüße 

Ihr Henning Otte,
Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

in diesen Tagen blicken wir auf 70 Jahre Bundeswehr zurück - sieben Jahrzehnte, in denen unsere Soldatinnen und Soldaten mit Einsatz und Haltung für ihren Auftrag einstehen. Sie verdienen unseren uneingeschränkten Respekt und unsere volle Anerkennung. Viele haben viel gegeben - manche ihre Gesundheit, einige sogar ihr Leben.

Die vergangenen 70 Jahre waren dabei von tiefgreifenden sicherheitspolitischen Umbrüchen geprägt - begleitet von einem stetigen Wandel der Aufgaben, Bedrohungslagen und inneren Strukturen der Bundeswehr. Die Bundeswehr wurde als Verteidigungsarmee der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gegründet und ist heute weit mehr als das: Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der internationalen Sicherheitsarchitektur, ein Partner in internationalen Einsätzen und ein Garant für die Verteidigung unserer Demokratie und unserer Werte.

Der Wiederaufbau des Landes, die Aufarbeitung der Kriegsfolgen, der Beginn des Kalten Krieges und der NATO-Doppelbeschluss - all das prägte die Anfangsjahre der Bundeswehr. Nach der Wiedervereinigung war die Überführung der Nationalen Volksarmee ein integrativer Kraftakt von historischer Tragweite. Sie steht exemplarisch dafür, welchen Beitrag der Wehrdienst - ob freiwillig oder verpflichtend - auch heute wieder für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten kann.

Mit dem Ende des Kalten Krieges trat die Bundeswehr in eine neue Phase ihrer Geschichte ein: Aus einer rein auf die Landesverteidigung ausgerichteten Armee wurde eine Streitkraft, die zunehmend internationale Verantwortung übernahm. Sie engagierte sich in Krisenregionen weltweit, beteiligte sich an Friedensmissionen, leistete humanitäre Hilfe und war in internationalen Einsätzen - etwa in Afghanistan oder Mali - aktiv. Die Entwicklung von einem nationalen Verteidigungsinstrument zu einem global agierenden Sicherheitspartner war ein bedeutender Wandel in der Geschichte der Bundeswehr.  

Heute, 70 Jahre nach ihrer Gründung, steht die Bundeswehr weiter vor großen Herausforderungen. Die geopolitischen Spannungen, insbesondere in Europa, aber auch weltweit, haben in den letzten Jahren wieder zugenommen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns in schmerzlicher Weise vor Augen geführt, dass Frieden und Sicherheit nicht selbstverständlich sind. Die Frage der Verteidigungsfähigkeit der NATO und insbesondere der Europäischen Union rückt wieder ins Zentrum der sicherheitspolitischen Diskussionen. Und auch im Inneren der Bundeswehr gibt es anhaltende Herausforderungen: Die strukturelle Ertüchtigung der Armee, die Modernisierung der Ausrüstung, die Rekrutierung und Bindung von Personal.

Die geopolitische Lage, die wir erleben, stellt die Bundeswehr vor enorme Herausforderungen. Sie muss nicht nur ihre klassischen Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung wahrnehmen, sondern auch flexibel auf Krisen und Konflikte in anderen Teilen der Welt reagieren können. Dies erfordert eine umfassende Anpassung der militärischen Strukturen und eine ständige Modernisierung der Ausrüstung.

Doch der Wandel der Bundeswehr ist nicht nur eine Frage der Technik und der Strategie, sondern eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz und Integration. In den 70 Jahren ihrer Geschichte sah sich die Bundeswehr immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, wie sie in der Gesellschaft verortet ist. In den frühen Jahren nach der Gründung war die Bundeswehr im Kontext der deutschen Geschichte ein schwieriges Thema. Doch mit der Zeit hat sich die Bundeswehr als Institution etabliert, die ein hohes Maß an Vertrauen genießt - sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der politischen Führung. Das Element des Staatsbürgers in Uniform hatte dabei immer herausragende Bedeutung - unsere Soldaten sind sowohl Angehörige der Streitkräfte als auch Teil der Gesellschaft. 

70 Jahre Bundeswehr - ist eine stolze Bilanz, aber auch ein Blick in die Zukunft. In einer Welt, die von Unsicherheit und Veränderungen geprägt ist, wird die Rolle der Bundeswehr in den kommenden Jahren von entscheidender Bedeutung sein. Wir stehen als Nation vor der Verantwortung, die Bundeswehr weiter zu modernisieren, die richtigen politischen und gesellschaftlichen Weichen zu stellen und sicherzustellen, dass sie in der Lage ist, den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden.

Die Bundeswehr braucht die Unterstützung der Gesellschaft, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und die Bereitschaft, in ihre Zukunft zu investieren. Und sie braucht vor allem das Vertrauen der Menschen, die sie schützen soll. Denn nur mit einer starken, gut ausgebildeten und gut ausgestatteten Bundeswehr können wir unsere Sicherheit und die Werte, auf denen unser Land gebaut ist, wahren.

Die Verantwortung dafür tragen wir alle - Politiker, Soldaten und die gesamte Gesellschaft. Gemeinsam stark.

Herzliche Grüße

Henning Otte,
Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages