Resilienz: Die mitreißende Geschichte fehlt

Erfurt, 30.05.2024. „Zauberformel Resilienz? Sicherheitspolitik und Digitalisierung krisenkompetent gestalten“ war eine von der Katholischen Militärseelsorge und dem Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis) organisierte Diskussionsrunde auf dem Katholikentag in Erfurt überschrieben. Moderiert von zebis-Direktorin Veronika Bock, diskutierten Generalmajor Andreas Henne, der Stellvertreter des Befehlshabers des Territorialen Führungskommandos, Schriftsellerin Nora Bossong sowie Kommunikationswissenschaftlerin Natascha Zowislo Grünewald und der Sozial- und Medienethiker Alexander Filipovic. 


Die Zusammensetzung dieses Podiums lässt es bereits erahnen: Es gibt nicht „die eine“ Resilienz, es gibt viele. Sie reicht von der militärischen, etwa der Verteidigungsfähigkeit gegen Bedrohungen bis zur gesellschaftlichen, etwa wie sich gesellschaftliche Gruppen gegen Fake News und Desinformationskampagnen wappnen können. Laut Schriftsellerin Bossong bedeute Resilienz, die eigene Verletzlichkeit anzuerkennen und Wege zu finden, gestärkt aus einer Krise hervorzugehen. Der Begriff erfreue sich deshalb derzeit großer Beliebtheit, weil die Welt voller Kriege und Krisen ist. 

Christen seien aus drei Gründen besonders resilient, sagte Bossong: Es gebe die Hoffnung auf Universalismus als die über das Trennende hinaus verbindende Hoffnungsoption, die Feindesliebe, die zwar herausfordernd, aber auch deeskalierend sei und als wichtigsten Punkt die nachösterliche Hoffnung, die Auferstehung nach einer Krise: „Diese Orientierung hin auf etwas, das größer ist als unser irdisches Dasein.“

Und was schützt uns vor Fake News, vor Desinformation. Kommunikationswissenschaftlerin Natascha Zowislo-Grünewald hat eine Idee davon. Es sei das Grundvertrauen, das Vertrauen in unsere Gesellschaft, in unsere Demokratie. An was es derzeit allerdings mangele, das sei die „gute, glaubhafte und mitreißende Geschichte“, durch die die Menschen wieder zu begeistern seien.

Ob es nur an der guten Geschichte liegt, die die Menschen resilient macht, da war sich Alexander Filipovic nicht sicher. Er betonte den Doppelcharakter der Resilienz: Sie sei Anpassung und Widerstand gleichermaßen. Und sie sei schwer zu verordnen, aber man könne lernen, sein eigenes Leben zu gestalten. Die Frage sei: „Wo passe ich mich an, wo leiste ich Widerstand.“

Eine Frage, die Generalmajor Andreas Henne aus militärischer Sicht zu beantworten hat. An der Resilienz der Bundeswehr habe er keine Zweifel, doch im Bereich der Zivilverteidigung und des Bevölkerungsschutzes sei noch einiges zu tun. Gerade die Infrastruktur sei in den vergangenen Jahren zu sehr unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet worden. „Durch den Ukrainekrieg hat jeder gesehen, dass wir uns resilienter aufstellen müssen.“ Doch das koste Geld.

Dass es in Hinsicht auf die Bundeswehr und deren Erfordernisse in der Bevölkerung einen gewissen Mentalitätswandel gibt, das glaubt zumindest Nora Bossong. „Der Generalverdacht, dass Menschen in Uniform schlimme Menschen sind, hat sich abgeschwächt.“

Auch Generalmajor Henne bescheinigte der Gesellschaft, in weiten Teilen einen Mentalitätswandel durchlaufen zu haben. In dieser Hinsicht konnte er der gesellschaftlichen Debatte über den Begriff der Kriegstüchtigkeit etwas Gutes abgewinnen. Ziel dieses zugespitzten Begriffs sei der Appell an die Bevölkerung gewesen, „reibt euch daran, denkt darüber nach. Wenn wir darüber diskutieren, ist das gut.“ Aus welchen Quellen sich Resilienz speisen könne, das habe er erst vor wenigen Tagen in Litauen, unmittelbar an der weißrussischen Grenze, erleben können. Dort sei ein Wechsel der Einstellung zu bemerken gewesen: „Die Menschen freuen sich über ihre Freiheit. Sie wissen, warum sie sich verteidigen.“

Theo Weisenburger