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Im Dienstanzug auf dem Katholikentag

Ein Interview mit Oberstleutnant Oliver Ponsold zum Katholikentag 2018 in Münster

Münster, 10.05.2018. Oberstleutnant Oliver Ponsold ist Mitglied der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS), die am 101. Katholikentag in Münster teilnimmt. Er arbeitet im Bereich Informationssicherheit beim Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin. Im Winter 2015/2016 war er Mitarbeiter im Koordinierungsstab des Bundesinnenministeriums zur Koordinierung ankommender Flüchtlinge. Er unterstützte Auslandseinsätze der Bundeswehr im Inland bei der Aufstellung von Material und technischen Systemen. Vor dem 101. Katholikentag in Münster fragten wir ihn nach seiner Meinung zum Motto des Katholikentags „Suche Frieden“.

  

Mit der GKS nehmen Soldatinnen und Soldaten am Katholikentag zum Thema „Suche Frieden“ teil. Ist das nicht ein Widerspruch?

Oliver Ponsold: Ich finde, es ist ein tolles Motto, genau richtig. Es ist natürlich provozierend, aber es bringt die Sache auf den Punkt. Das Grundgesetz sieht es so: Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf, das heißt nicht zum Angriff, sondern zum Schutz, zur Abwehr von Gewalt. Und diesen Abwehr-Gedanken haben wir auch in anderen Berufen, wenn Sie zum Beispiel an Ärzte denken, die sich dafür engagieren, dass eine Epidemie nicht ausbricht oder eingedämmt wird, dann machen die das ja auch nicht, um den Virus, sondern die Gesundheit zu fördern. Vergleichbar sehe ich die Rolle der Bundeswehr. 

Und da ist auch schon der heikle Punkt: Denn das ist alles nicht selbstverständlich und die Gefahr, dass es in die falsche Richtung geht, ist im System vorhanden. Dadurch, dass wir besondere Wirkmittel haben, ist auch ein besonderes Gewaltpotential vorhanden. Nichts desto trotz ist unser eindeutiger Auftrag – sonst hätte man, glaube ich, nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal Streitkräfte aufgestellt – eben die Verteidigung. 

Wie reagieren andere Teilnehmer des Katholikentags auf Sie, wenn Sie im Dienstanzug kommen und dort auftreten?

Oliver Ponsold: Ja, das ist eine ganz spannende Frage. Das ist auf den Katholikentagen, an denen ich in der Vergangenheit teilgenommen habe, zum Beispiel in Leipzig, nicht anders, als wenn Sie in der Hauptstadt Berlin in Uniform unterwegs sind: Es ist eine unheimlich große Bandbreite an Reaktionen. Angefangen im negativen Bereich, dass man „Mörder! Mörder!“ zugerufen bekommt. Umgekehrt habe ich es ebenso erlebt, wie einmal in der U-Bahn, als mich eine Frau ansprach, die mir als Vertreter der Soldaten persönlich sagen wollte: Danke und ich finde das ganz toll, was Sie machen. Und dazwischen gibt es immer sehr viel Neugier. Deshalb möchten wir uns als Gemeinschaft Katholischer Soldaten beispielsweise am Katholikentag beteiligen und zeigen uns dort auch in Uniform, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen, auch auf die Neugier und das Interesse der Menschen einzugehen.

 

Wo sehen Sie in Ihrem Beruf den Einsatz für den Frieden?

Oliver Ponsold: Es ist im täglichen Bereich natürlich der Schutz gegen Gewalt von außen, zum Beispiel im täglichen Schutz des Luftraums im NATO-Verbund oder der Bündnispartner oder im Rahmen von humanitären Einsätzen, um schlimmeres Leid zu verhindern. Genauso sollten wir darauf vorbereitet sein, zu reagieren und die Bevölkerung zu schützen, wenn Deutschland selbst in die Verteidigungslage geraten sollte.

Nun ist Deutschland ja schon an vielen internationalen Einsätzen beteiligt. Was machen solche Einsätze mit Soldaten? Kommen Soldaten verändert aus dem Einsatz zurück?

Oliver Ponsold: Mein Eindruck ist, dass eine Veränderung auf jeden Fall stattfindet, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Es ist eine persönliche Belastung während des Einsatzes, weil man fern seiner Familie und seiner Freunde ist. Man ist permanent in einer unsicheren Lage mit kritischen Situationen. Der Einsatz ist eine persönliche Herausforderung und eine Herausforderung für die Familie und das Umfeld. Selbst wenn der Einsatz nach vier Monaten vorbei ist, wirkt er noch lange nach. 

Die Bundeswehr wirbt um Nachwuchs. Was macht aus Ihrer Sicht einen Soldaten aus?

Oliver Ponsold: Es sind schon besondere Anforderungen, die an den Beruf gestellt werden und stark in die Persönlichkeit eingreifen. Damit es auch in Krisensituationen funktioniert, ist es ganz wichtig, dass Menschen, die zur Bundeswehr wollen, Verantwortungsbereitschaft haben und persönlich Verantwortung übernehmen, damit sie in Krisensituationen in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus müssen Soldaten stark belastbar sein. Alles in allem braucht es eine besondere Form der gegenseitigen Unterstützung und des Vertrauens, die wir unter dem Begriff Kameradschaft zusammenfassen. Das sind nicht nur schöne Worte, vielmehr geht es darum, dass man sich gegenseitig unterstützt und annimmt. Das sind die charakterlichen Eigenschaften. Dann geht es wie in jedem anderen Beruf um die individuellen Fähigkeiten und die können in der Bundeswehr extrem verschieden sein. Zwischen dem Soldaten des Wachbataillons, dem Piloten, dem Kapitän eines Schiffes oder wie bei mir im technischen Bereich gibt es ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen. 

Würden Sie sich für Ihren Beruf mehr Respekt und Verständnis in der Bevölkerung wünschen?

Oliver Ponsold: Verständnis ja, Respekt nein. Respekt im Sinne von: Man sieht eine Uniform, salutiert und ist begeistert – das würde mir Angst machen, wenn es in unserer Gesellschaft so wäre. Doch der faire Umgang mit Soldaten und die notwendige Anerkennung und Fürsorge sind schon Punkte, die mich sehr antreiben und wo ich persönlich noch unzufrieden bin. Man muss sich dann in Erinnerung rufen, dass wir aufgrund von Einsatzmandaten, also politischen Mandaten, in die Einsätze gehen. 

Was bedeutet dann Anerkennung?

Oliver Ponsold: Wir hatten jetzt wieder eine ganze Reihe von Mandaten, die auch breit durch die Fraktionen im Bundestag verlängert worden sind. Daraufhin gehen Soldaten mit der Belastung und mit dem Risiko für Leib und Leben in den Einsatz. Das muss von nachhaltiger Anerkennung getragen sein. Es ist für einen Soldaten nicht nachvollziehbar, wenn er entsprechende Entbehrungen auf sich nimmt, sein Leben aufs Spiel setzt, und hinterher heißt es: Was hast du da für Blödsinn gemacht? Denn das haben wir uns nicht selbst auf die Fahne geschrieben, sondern es ist ein Einsatz, der aufgrund eines Mandates zustande gekommen ist und wo wir uns als Soldaten auch nicht verweigern.  

Die Fragen stellte Barbara Dreiling.