Sport. Nicht, weil's Spaß macht
Interview mit Oberst Michael Maul, Kommandeur der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf. Die Fragen stellte Jörg Volpers.
Fitness und Testverfahren
Was ist dran an der Einschätzung, die man immer wieder mal liest, dass Soldatinnen und Soldaten – gerade in der Grundausbildung – nicht mehr so fit sind wie frühere Generationen? Ist das auch Ihr Eindruck?
Michael Maul: Ich könnte mich jetzt als lebensälterer Mensch hinstellen und sagen: „Die heutige Generation ist nicht mehr trainiert.“ Ältere glauben ja oft, dass die Neuen schlechter sind, als man selbst. Ich bemühe das Bild von der Bundeswehr als Spiegelbild der Gesellschaft. Wir haben die gleichen Berufsanfängerinnen und -anfänger, die es in der zivilen Wirtschaft auch gibt. Und es gibt sicherlich gesellschaftliche Studien und wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass insgesamt die konditionellen Fähigkeiten, das heißt Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit, durch unseren Lebensstil schon im Teenager-Alter nicht mehr so ausgeprägt werden, wie das vielleicht vor zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahren noch der Fall war.
Die Bundeswehr begegnet dieser Herausforderung dadurch, dass gerade das Heer in seiner Allgemeinen Grundausbildung jetzt am Anfang viel mehr zielgerichtetes sportliches Training macht, sodass wir die Rekrutinnen und Rekruten, die grundsätzlich in einem Assessment-Center als trainierbar kategorisiert worden sind, langsam an höhere Belastungen heranführen. Das heißt, die Ausbildung hat sich weiterentwickelt und wir reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen.
Leistungs- und Reha-Sport
Noch ein paar Fragen speziell zur Sportschule der Bundeswehr, weil Sie ja nicht nur ausbilden, sondern auch die Sportsoldaten, also Leistungssportler betreuen. Sind das aus Ihrer Sicht eigentlich noch echte Soldaten? Oder sind es in erster Linie Sportler, die von der Bundeswehr gefördert werden?
Michael Maul: Also der richtige Terminus ist: „Spitzensportler oder Spitzensportlerin der Bundeswehr“. Das sind die, die über einen bestimmten Kaderstatus ihrer nationalen Sportverbände nominiert werden, um dann durch die Bundeswehr gefördert zu werden. Die sind nach rechtlichem Status zu 100 Prozent Soldaten. Sie werden vereidigt, sie haben einen Dienstgrad, sie machen militärische Lehrgänge.
Deren Auftrag ist allerdings, Sport zu treiben, bei nationalen und internationalen Wettkämpfen die Bundesrepublik Deutschland zu repräsentieren und dort Erfolge zu erzielen. Deshalb haben sie keinen militärischen Nutzen. Selbst während der Pandemie war es praktisch unmöglich, diese Personengruppe im Rahmen der Amtshilfe einzusetzen.
Und dann gibt es ja seit einiger Zeit auch spezielle Programme für Veteranen oder Invaliden, also z. B. Einsatzgeschädigte. Welche Angebote gibt es für diese Zielgruppe?
Michael Maul: Die Sportschule der Bundeswehr hat Trainings für einsatzversehrte Soldatinnen und Soldaten. Das nennt sich „Sporttherapie nach Einsatzschädigung“. Seit dem Jahr 2012 gibt es das Programm bei uns. Es handelt sich dabei um gesundheitssportlich ausgerichtete Trainingsmaßnahmen für verwundete, verunfallte oder erkrankte Soldaten. Und Ziel ist es immer, durch Sport die individuelle Rehabilitation voranzutreiben, um am Ende auch zu einer vollständigen beruflichen Rehabilitation zu kommen. Über dieses sportliche Training erlangen diese Soldatinnen und Soldaten wieder so viel Motivation, dass sie möglicherweise den einen oder anderen Sport auch sehr intensiv betreiben, um dann an nationalen oder internationalen Vergleichswettkämpfen teilzunehmen und da noch zusätzliche Motivation herauszuziehen.
Das wären dann also die drei Gruppen. Die weitaus größte sicherlich: die „normalen Soldaten“, die eben fit sein müssen. Dann die Spitzensportler und die Einsatzversehrten.
Michael Maul: Bei der Sportschule der Bundeswehr werden im Jahr ca. 3.000 Soldatinnen und Soldaten als Multiplikatoren ausgebildet. Das sind die, die in der Truppe als Leitende das sportliche und militärische Fitnesstraining gestalten.
Die zweite Gruppe, das sind die Einsatzversehrten oder aber erkrankten oder verunfallten Soldaten. Das sind ungefähr 150 pro Jahr, die bei uns hier betreut werden.
Und dann haben wir zurzeit 97 Spitzensportlerinnen und Spitzensportler aus unterschiedlichsten Sportarten in der Sportfördergruppe Warendorf. Insgesamt stellt die Bundeswehr aktuell ca. 900 Dienstposten für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler bereit. Das sind die drei Personengruppen, mit denen sich die Sportschule der Bundeswehr beschäftigt, wenn es um körperliche Leistungsfähigkeit geht.
Sport und Bundeswehr
Gibt es noch etwas, das Ihnen zum Thema am Herzen liegt?
Michael Maul: Ja, Sport und Bundeswehr: Mir ist ganz wichtig, dass wir sportliches und militärisches Fitnesstraining nicht nur betreiben, weil Sport Spaß macht. Das war bis in die 90er-Jahre hinein das Motto: Wir treiben Sport zur Regeneration, wir machen mal etwas anderes, wir wollen unsere sozialen Fähigkeiten steigern, auch durch Teamsport.
Die Bundeswehr macht Sport, um die individuelle Einsatzfähigkeit zu erreichen. Soldatinnen und Soldaten sind nicht nur auf dem Gefechtsfeld, sondern auch in einem Einsatzland am Schreibtisch unter extremen klimatischen Bedingungen, mit zeitlichen Einschränkungen oder ausgedehnten Schichtzeiten körperlich ganz stark gefordert. Und die physische Fitness ist die Voraussetzung, um dann eben auch die geistige Leistung zu erbringen. Körperliche Leistungsfähigkeit ist wichtig, um überhaupt einsatzfähig zu sein. Deswegen trainieren wir. Deswegen haben wir auch eine Vorschrift, die jedem Soldaten befiehlt, 180 Minuten sportliches Training in der Woche zu machen. Da können wir jeden Tag besser werden, durch gute Führung auf allen Ebenen.
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