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Selbstverständlich 24/7

Am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus in Koblenz bereiten sich Ärzte und Pfleger darauf vor, in den nächsten Wochen viele Menschen zu behandeln, die am Corona-Virus erkrankt sind. Der Katholische Militärpfarrer Roman Fries kümmert sich seelsorgerlich um Patienten und Mitarbeitende. Dafür hat er ein neues Seelsorge-Konzept entwickelt.

Pater Fries, wie erleben Sie zurzeit die Lage am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus in Koblenz?

Roman Fries: Der größte sichtbare Einschnitt ist im Moment, dass ohne triftigen Grund niemand ins Bundeswehrkrankenhaus kommt. Dazu gehört auch, dass die Patienten keinen Besuch empfangen dürfen und alles nicht notwendige Personal draußen bleibt. Selbst die vor wenigen Tagen noch geltende eingeschränkte Besuchszeit gibt es in der Weise nicht mehr. Für öffentliche Besucher ist das Krankenhaus jetzt komplett gesperrt. Und das sind natürlich schon gravierende Einschnitte für die Patienten, die auf den Stationen liegen, auch wenn es ja letztendlich der eigenen Sicherheit dient.

Wie geht es den Patienten und den Mitarbeitenden damit?

Roman Fries: Im Moment ist die Situation im Haus zweigeteilt. Es werden auf der einen Seite noch Patienten behandelt, die aufgrund Ihres Gesundheitszustandes nicht entlassen werden konnten. Und auf der anderen Seite gibt es ganz viele Vorbereitungen, die darauf abzielen, eben eine möglicherweise stark aufkommende Anzahl von Infizierten mit dem Corona-Virus zu behandeln. 

Und da spüre ich natürlich schon eine starke Verunsicherung bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei Soldatinnen und Soldaten, weil es das ja in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht gegeben hat. Es ist für alle neu. Man weiß natürlich um die Situation in Italien oder Spanien und kennt die dramatischen Bilder aus dem Fernsehen, aber es ist immer noch etwas anderes, selber und unmittelbar damit konfrontiert zu werden. Die Anspannung ist da, denn es wird ja immer auch davon geredet, dass die Lage in Deutschland zeitversetzt ist. Wenn dem tatsächlich so ist, dann müssten in ein bis zwei Wochen die schweren Verläufe der Infektionen zunehmen. 

Wie gestalten Sie denn die Seelsorge in Zeiten von Corona?

Roman Fries: Das ist eine große Herausforderung für uns. Wir hatten ja in der Vergangenheit oft solche Angebote, die darauf abzielten, Gemeinschaftserfahrungen im Glauben untereinander zu machen, das geht in der Weise jetzt nicht mehr, weil die Ansteckungsgefahr einfach zu groß ist. Viele Veranstaltungen, z. B. Standortgottesdienste und Andachten, können jetzt nur noch per Videoübertragung auf die Patientenzimmer und in die Aufenthaltsbereiche gesendet werden.

In der Vergangenheit haben wir zudem eine in weiten Bereichen aufsuchende Seelsorge praktiziert, das geht jetzt auch nicht mehr. Wir sind gerade dabei, andere Formen von seelsorgerlicher Begleitung zu entwickeln. Wenn Begegnung untereinander nicht stattfinden darf, dann müssen andere Wege gesucht werden. Das ist wiederum ganz spannend. Denn es zeigt mir selber, was noch alles möglich ist und wo wir vermutlich ohne die Corona-Pandemie nie dran gedacht hätten. Man wird sehen, wie unsere Seelsorgeangebote angenommen werden. Es ist für uns auch eine Herausforderung, denn man feiert ja normalerweise Gottesdienste mit Menschen, die sich im Gottesdienstraum versammeln. 

Wie machen Sie das jetzt, wenn jemand einfach mal ein seelsorgerliches Gespräch braucht?

Roman Fries: Bei Patienten, die am Corona-Virus erkrankt sind, gibt es eine ganz klare Anweisung, dass wir zu diesen Patienten gegenwärtig keinen Zutritt haben. Ein Hintergrund dieser Entscheidung ist der, dass die Schutzausstattung verständlicherweise dem medizinischen Personal vorbehalten ist und da gibt es derzeit Engpässe. Seelsorgerliche Begleitung muss dann gegebenenfalls übers Telefon geschehen. In dieser Hinsicht müssen sich neben den Seelsorgenden auch Angehörige und Patienten umstellen. Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen brauchen Seelsorge. Seit heute gibt es einen eigens dafür entwickelten Flyer, der genau darauf abzielt. Neben der Telefon-Hotline der Militärseelsorge beteiligt sich das Zentrum für Seelische Gesundheit und Palliative-Care an dem Angebot. Unter der Überschrift: „Egal was kommt, wir sind für Euch da!“ richtet sich dieses vom klinischen Ethik-Komitee erarbeitete Konzept an alle Hilfesuchenden am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus Koblenz.

Wie ist das bei anderen Patienten, die nicht mit dem Corona-Virus infiziert sind?

Roman Fries: Wir sind wie vorher auch zu den Präsenzzeiten erreichbar und können selbstverständlich 24/7 angerufen werden, wenn seelsorgerische Begleitung gewünscht wird. Ob dann auch ein Besuch im Patientenzimmer möglich ist, liegt in der Zuständigkeit des behandelnden Arztes. 

Aus Italien wird berichtet, dass Ärzte über Leben und Tod entscheiden müssen, weil es nicht für alle Patienten Beatmungsgeräte gibt. Was würden Sie als Seelsorger Ärzten in solch einer Situation raten?

Roman Fries: Ratschläge zu erteilen ist immer ganz schlecht, dafür bin ich kein Mediziner. Meine Privatmeinung wäre in so einer Situation nicht hilfreich. Ich würde eher auf das klinische Ethik-Komitee verweisen, das es ja auch hier am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus gibt und in dem die Militärseelsorge Mitglied ist. 

Die Angst ist da, dass man vielleicht nicht genügend Beatmungsplätze vorhalten kann für die Anzahl der Patienten, die kommen könnte. Und dann sind natürlich ethische Entscheidungen zu treffen, wer, um es ganz einfach zu sagen, den Beatmungsplatz bekommt und wer nicht. Deshalb versuchen wir hier gemeinsam im klinischen Ethik-Komitee mit anderen Fachdisziplinen, Empfehlungen zu entwickeln, die unabhängig voneinander aufgestellte Ärzteteams bei diesen Entscheidungen zu Rate ziehen können. Die Empfehlung will eine Hilfe sein, die Verantwortlichen mit Ihrer Entscheidung nicht alleine zu lassen. Im Einzelfall ist es immer möglich, das klinische Ethik-Komitee in eine Entscheidung einzubeziehen. 

Wie gehen Sie persönlich mit der Angst um, dass Sie sich als Seelsorger entweder infizieren oder dass Sie andere infizieren könnten?

Roman Fries: Eine schwierige Frage. Also Angst habe ich in dem Sinne im Moment noch nicht. Ich weiß, wie wir alle, um die Schutzvorkehrungen, die ich treffen kann, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Das machen wir hier am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus ja schon die ganze Zeit. Ich versuche, mich so weit zu schützen, wie es möglich ist. Doch letztendlich muss ich natürlich meinen Dienst für die Menschen tun, die als Patienten kommen oder eben als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier arbeiten. Ganz ausschließen kann ich das Risiko für mich natürlich nicht.

Was würden Sie Ihren Mitmenschen raten, wie man den Pflegern, den Ärzten und den Patienten jetzt helfen kann?

Roman Fries: Mir haben die Ansprachen der Bundeskanzlerin gefallen, sie hat es im Grunde auf den Punkt gebracht: Sie hat konkret die Dinge benannt, die man selber schon tun kann, um das Infektionsrisiko zu minimieren und die Infektion in der Bevölkerung zu verlangsamen. Abstand zu halten, scheint mir dabei das wichtigste zu sein. Im Krankenhaus selber ist es gut, sich über die Verhaltensweisen zu informieren, um sich und die anderen nicht unnötig zu gefährden. In begründeten Fällen nach Zustimmung des behandelnden Arztes sind Besuche in Ausnahmefällen ja noch möglich. Ganz wichtig ist es, sich neben dem begründeten Eigenschutz der Verantwortung für seine Mitmenschen bewusst zu sein. Das medizinische, pflegerische und unterstützende Fachpersonal im Sanitätsdienst der Bundeswehr und in Kooperation mit anderen tut alles, um Menschenleben zu erhalten. In dieser einzigartigen, herausforderungsvollen Situation brauchen wir alle Mut und Zusammenhalt, um mit dem Beistand Gottes diese Krise zu bewältigen.

Pater Roman Fries SAC ist Katholischer Militärpfarrer und Mitglied der Ordensgemeinschaft der Pallottiner.


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