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„Dieses »für uns sein« hat uns sehr zusammengeschweißt“

Interview mit Oberbootsmann Zarina Pommer. Die Soldatin ist in einer integrierten Verwendung, hat eine Tochter und lebt alleinerziehend. 

Die Fragen stellte Barbara Dreiling.

Alleinerziehend: Ist der Begriff für Sie eher mit positiven oder negativen Gedanken verbunden?

Mit dem Begriff „alleinerziehend“ verbinde ich keine negativen Gedanken. Ich war von Anfang an alleine mit meinem Kind. Sprich, die Schwangerschaft und auch die Zeit danach war ich ohne den Kindsvater. Ich hatte aber große Unterstützung von meiner Familie und meiner besten Freundin und unseren ehemaligen Tageseltern.

Ich bin erst mit dreißig Jahren (Oktober 2013) in die Bundeswehr eingetreten. Meine Tochter war damals sechs Jahre alt. Sie wurde im September eingeschult und ich bin einen Monat später zur Allgemeinen Grundausbildung (AGA) nach Stralsund/Parow gefahren.

Ohne den Zuspruch meiner Familie und das Wissen, dass meine Tochter bei den Tageseltern gut aufgehoben und versorgt ist, hätte ich diesen Schritt niemals getan. Mittlerweile ermöglicht es die Bundeswehr, dass man sein Kind auch mit auf Lehrgänge nehmen kann. Man bekommt extra ein Zimmer dafür.

Was hat man, was hat man nicht? Was braucht man? Was braucht man nicht?

Vor meiner Zeit als Soldatin war ich als examinierte Altenpflegerin in einer kleinen Pflegeeinrichtung tätig. Damals musste ich mindestens zwei Jobs machen und habe bis zu 200 Stunden im Monat gearbeitet, um finanziell über die Runden zu kommen, trotz Unterhaltszahlungen und Kindergeld.

Durch die Bundeswehr habe ich ein verlässliches Einkommen und geregelte Arbeitszeiten. Vor meiner Zeit bei der Bundeswehr waren Schichtdienste die Regel, auch am Wochenende und an den Feiertagen.

Kümmert sich in Ihrem Fall das andere Elternteil? Wie verlässlich ist das? Wie viel Vertrauen braucht man?

Zwischenzeitlich war meine Tochter auch mal am Wochenende bei ihrem Vater, aber hauptsächlich wuchs sie bei den Tageseltern auf, welche inzwischen wie eine zweite Familie für uns geworden sind. Meine Tochter sieht die Tochter der Tageseltern mittlerweile als ihre „Halbschwester“ an. Die beiden haben einen Altersunterschied von 14 Jahren, aber die Bindung zwischen ihnen ist immer noch sehr stark.

Waren Sie schon mal im Einsatz / auf See? Wie funktioniert das dann als alleinerziehendes Elternteil?

Die Frage, ob Alleinerziehende in den Einsatz geschickt werden, stellt sich erst gar nicht, da die Bundeswehr Alleinerziehende nicht von sich aus heranzieht. Um etwas für meine Vita zu tun, habe ich mich 2016 durch die Gleichstellungsbeauftragte für Soldaten darüber informieren lassen. Sie gab mein Anliegen sogar bis nach Berlin weiter. Die Antwort war damals sinngemäß:

Alleinerziehende werden nicht in den Einsatz geschickt. Sollte dem Elternteil im Einsatz etwas zustoßen, wäre das Kind alleine in Deutschland und die Bundeswehr „stünde dann in der Bütt“. Die Alternative ist dann nur, sich freiwillig für einen Einsatz zu melden oder in eine Integrierte Verwendung zu gehen, wo man als Familie komplett umzieht.

Und jetzt sind Sie in SHAPE…

Im Februar 2018 bekam ich die Möglichkeit dazu. Nach einigen Diskussionen mit meiner Tochter, meiner Mutter und auch den Tageseltern war der Entschluss gefallen und im Dezember 2018 hatte ich meinen Dienstantritt bei der Bundeswehrverwaltungsstelle Belgien auf SHAPE. 

ALLEINerziehenD – Kompass 11/2021

Die Herausforderungen für Familien sind zahlreich und werden nicht weniger, wenn man alleinerziehend ist. Dies betrifft  auch Paare, die nicht dauerhaft ihren Alltag zusammen verbringen ...

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Diese Versetzung war die erste in meiner Zeit als Soldatin, die mit einem Umzug verbunden war. Und dann auch noch gleich so weit weg von Zuhause. Die ersten drei Monate kamen meine Tochter und ich in der deutschen Stabsgruppe auf SHAPE auf einer Stube unter, bevor wir unser Haus beziehen konnten. Für sie war das alles aufregend und neu. Bei den Soldaten schlafen, auf eine internationale Schule gehen (deutsche Abteilung), die Sprache …

In dem wallonischen Teil von Belgien spricht man Französisch. Keiner von uns konnte das. Also alles auf Englisch, mit Handzeichen und Übersetzer-App. Mittlerweile ist mein Französisch nicht viel besser geworden, obwohl ich es immer mal wieder versucht habe; da ich es für das alltägliche Dienstgeschäft nicht benötige, blieb es bei den paar Brocken. Meine Tochter lernt Französisch in der Schule, aber aus Bequemlichkeit überlässt sie meistens mir die Konversation beim Einkaufen.

Hier in Belgien sind wir zwei ganz auf uns gestellt. Die Familie und die Tageseltern sind weit weg. Aber dieses „für uns sein“ hat uns sehr zusammengeschweißt. Meine Tochter ist mittlerweile 14 Jahre alt. Ich kann mich immer auf sie verlassen, denn hier musste sie doch sehr schnell selbstständig werden. Das geht schon morgens beim Aufstehen los. Denn wenn sie wach wird, bin ich schon im Dienst. Ich kann mir meinen Dienst selbst einteilen, aber da ich nach der Schule lieber mit ihr zusammen zuhause bin, fange ich morgens schon früh an. 

Unsere Zeit in Belgien endet zum 30. Juni 2022 – alles in allem ist es eine tolle Erfahrung für uns. Die Gemeinschaft hier auf SHAPE nimmt jeden toll auf, man findet sofort Anschluss und jeder steht einem mit Rat und Tat zur Seite. Das Heimweh blieb zum Glück auch aus. Man muss nur bereit sein, sich voll und ganz auf das neue Leben einzulassen.

Wenn Sie den Vergleich haben, was ist komplizierter: alleinerziehend oder gemeinsamerziehend?

Einen Vergleich zwischen alleinerziehend oder gemeinsamerziehend habe ich leider nicht. Ich hätte es mir manches Mal schon anders gewünscht, aber letztendlich vermisse ich da nichts. Wir hatten immer zuverlässige Unterstützung und das in allen Lebenslagen.

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