Workshop für Offiziere in der Gedenkstätte Auschwitz

Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Foto: Barbara Dreiling
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Foto: Barbara Dreiling

Siebzig Jahre nach der Befreiung der Häftlinge des Verichtungslagers Auschwitz, am 27. Januar 1945 durch sowjetische Soldaten, stellt sich die Frage, wie Soldatinnen und Soldaten heute mit dieser gewaltbelasteten Vergangenheit und Gewalt in ihrem Berufsalltag umgehen. In Zusammenarbeit mit der Maximilian Kolbe Stiftung bietet das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis) im November einen internationalen Workshop für 30 Offiziere im Zentrum für Dialog und Gebet in Oswiecim / Polen an. Ziel dieses Workshops ist auch die Entwicklung einer gemeinsamen politischen europäischen Identität, für die die Offiziere Multiplikatoren sein können. Ein Interview mit Dr. Jörg Lüer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Maximilian Kolbe Stiftung und Mitorganisator des Treffens.

Katholische Militärseelsorge (KMS): Warum laden Sie Soldaten nach Auschwitz ein?

Es gab verschiedene Überlegungen, mit welchen Gruppen wir arbeiten. Wir fanden die Kombination mit Soldaten, die real mit Gewaltmitteln zu tun haben, die aber selber aus unterschiedlichen Ländern kommen – also Polen, Frankreich und Deutschland – ausgesprochen reizvoll. Es geht zum einen darum, dass man miteinander auf dem Hintergrund von Auschwitz über die eigene Gewalterfahrung spricht. Aber vor dem Hintergrund der unterschiedlichen historischen Kontexte, aus denen die Teilnehmer kommen, soll auch die Bedeutung der Gewalterfahrung von Auschwitz im eigenen historischen Zusammenhang betrachtet werden. Ja, und so sind wir dazu gekommen, vorher hat das noch niemand gemacht.

KMS: Denken Sie nicht, dass es zu Konflikten kommt, wenn Soldaten mit ganz unterschiedlichen Geschichten, gerade aus Polen und aus Deutschland, miteinander ins Gespräch kommen?

Natürlich kommt es zu Konflikten. Die Frage ist, wie gehen wir damit um? Konflikte muss man bearbeiten, auch gerade die erinnerungspolitischen. Ich glaube, innnerhalb Europas würden wir uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir diesen Konflikten ausweichen. Insofern ist dieser Workshop auch ein Beitrag zur erinnerungspolitischen Konfliktberarbeitung. Real vor Ort werden diese Unterschiede sehr stark anwesend sein, aber wir sind alle sehr bemüht, erst einmal das Gegenüber zu verstehen und sich selber auch verständlich zu machen. Und dieser Ort bietet große Möglichkeiten, vernünftig miteinander zu sprechen.

KMS: Was ist das Ziel dieses Workshops?

Es gibt verschiedene Ziele. Eine Ziel ist ein sehr stark politisches, nämlich einen Beitrag zu leisten zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsidentität. Wir gehen mit ja mit Berufsoffizieren, also mit Multiplikatoren, genau an diesem Ort, der für alle drei genannten Streitkräfte einen hohen Identitätswert hat. Wenn wir die dann auftretenden Konflikte nicht bearbeiten könnten, dann bleibt eine gemeinsame Verteidigungsidentität eine Illusion. Es geht darum reale Konflikte zu bearbeiten und eine Form zeigen, wie man damit umgeht. Mit diesem Workshop soll in praktisch-symbolischer Weise unsere europäische Gemeinsamkeit zum Ausdruck kommen; eine Gemeinsamkeit, die umso wertvoller ist, als sie in der respektvollen Auseinandersetzung mit unseren Unterschieden wächst.

Die Fragen stellte Barbara Dreiling.


Informationen zum Workshop für Berufsoffiziere

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