Vor 75 Jahren: Verlegung des Reichskriegsgerichts nach Torgau

Das Todesurteil für Carl Lampert vom 8.9.1944 (erste Seite). © Archiv Stiftung Sächsische Gedenkstätten / Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau
Das Todesurteil für Carl Lampert vom 8.9.1944 (erste Seite). © Archiv Stiftung Sächsische Gedenkstätten / Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau

Stiftung Sächsische Gedenkstätten / DIZ Torgau erinnert an die Opfer, darunter den seligen Carl Lampert.

Vor 75 Jahren, am 18. August 1943, verlegte das Reichskriegsgericht seinen Sitz von Berlin nach Torgau. Dieser Umzug des obersten Gerichtshofs der Wehrmacht ließ Torgau endgültig zum Zentrum der Wehrmachtjustiz im besetzten Europa werden. Zwei große Wehrmachtgefängnisse waren hier bereits seit 1939 in Betrieb. In Torgau wurden während des Zweiten Weltkriegs etwa 60.000 deutsche und ausländische Soldaten und Zivilisten verurteilt und inhaftiert. Mehrere Hundert wurden auch in Torgau hingerichtet (auf der Übersichtskarte am oberen Rand).

Aufgabe des Reichskriegsgerichts war es, den politisch und religiös begründeten Widerstand gegen den Krieg mit den Mitteln der Militärjustiz zu verfolgen und zu brechen. Es war insbesondere in Fällen des Hoch-, Landes- und Kriegsverrats zuständig und urteilte in Fällen der „Zersetzung der Wehrkraft“. Seine Befugnisse bezogen sich auch auf Zivilisten. 

So verhängte es mehrere Dutzend Todesurteile gegen Angehörige der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Auch verurteilte es ausländische Angehörige des Widerstands aus Ländern wie Polen, Frankreich und Belgien. Gegen Hunderte Zeugen Jehovas sprach es wegen der Verweigerung des Kriegsdienstes die Todesstrafe aus, ebenso gegen zwangsrekrutierte Soldaten aus Luxemburg oder anderen besetzten Ländern, die sich dem Kriegseinsatz entzogen. 

Märtyrer als mutige Zeugen 

Unter den zum Tode Verurteilten befanden sich auch die katholischen Geistlichen Dr. Carl Lampert, Friedrich Lorenz und Herbert Simoleit. Als Provikar war Dr. Carl Lampert ein hoher Vertreter des österreichischen Klerus. Er war bereits mehrfach verhaftet worden, hatte ein Jahr in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Buchenwald durchlitten und lebte aus seiner Diözese verbannt in Stettin, als er im Februar 1943 gemeinsam mit anderen Priestern, Ordensangehörigen und Zwangsarbeitern verhaftet wurde. Vorgeworfen wurden ihm das Abhören ausländischer Sender, die Begünstigung von Zwangsarbeitern und das Sammeln von Informationen über die V-Waffen-Versuche in Peenemünde. 

Am 28. Juli 1944 verurteilte das Reichskriegsgericht Dr. Carl Lampert und die beiden Mitangeklagten Kaplan Herbert Simoleit und Pater Friedrich Lorenz in einer Verhandlung in Torgau zum Tode. Diese Urteile wurden nicht bestätigt, weil der Vorsitzende Richter des Senats, Werner Lueben, am letzten Verhandlungstag nicht anwesend war. Er hatte sich – vermutlich wegen seiner Zweifel an dem Urteil – in der Nacht vor der Urteilsverkündung erschossen. 

Das Reichskriegsgericht verurteilte Dr. Carl Lampert in einer weiteren Hauptverhandlung am 8. September 1944 wegen Spionage erneut zum Tode. Zusammen mit den beiden Mitangeklagten starb er am 13. November 1944 im Zuchthaus Halle (Saale) unter dem Fallbeil. 2011 wurde er seliggesprochen. 

Zur blutigen Bilanz der nationalsozialistischen Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg gehören mehr als 20.000 vollstreckte Todesurteile insgesamt. Für etwa 1.200 Hinrichtungen war das Reichskriegsgericht verantwortlich. 

Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten / Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau bewahrt die Geschichte der Verfolgten der Wehrmachtjustiz. Ihr Memorial am Torgauer Fort Zinna, dem einstmals größten Wehrmachtgefängnis, erinnert an die Schicksale der deutschen und ausländischen Opfer der gnadenlosen Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg in Torgau, darunter auch des Reichskriegsgerichts. 

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Kontakt: Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau, 
Öffentlichkeitsarbeit: Elisabeth Kohlhaas, Tel. (0 34 21) 7 73 96 81, Fax (0 34 21) 71 49 32, elisabeth.kohlhaas@stsg.de

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