Von der Leyen unterzeichnet neuen Bundeswehr-Traditionserlass

© Bundeswehr / Sebastian Wilke
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Berlin / Hannover (KNA), 28.03.2018. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterzeichnet heute in Hannover den neuen Traditionserlass für die Bundeswehr. Dieser tritt an die Stelle des Erlasses aus dem Jahr 1982. Die Dienstvorschrift stellt für alle Truppenteile Verhaltensmaßregeln im Umgang mit der Geschichte dar. Das Spektrum reicht vom Auftreten der Soldaten über Regelungen für das Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen bis hin zu der Benennung von Kasernen.

"Der alte Traditionserlass hat mit der Erfahrung heutiger junger Soldaten kaum mehr was zu tun. Deswegen mussten wir da ran", sagte die Ministerin den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Mittwoch). Der zentrale Bezugspunkt sei die nunmehr 62 Jahre währende Geschichte der Bundeswehr. "Militärisches Handeln darf nie nur als Handwerk betrachtet werden, sondern es steht immer im politischen Zusammenhang."

Der Akt der Unterzeichnung findet anlässlich der Umbenennung der "Emmich-Cambrai-Kaserne" statt. Sie soll künftig den Namen von Tobias Lagenstein tragen. Der Hauptfeldwebel wurde 2011 bei einem Sprengstoffanschlag in Afghanistan getötet. Die Umbenennung könne besonders für junge Soldaten identitätsstiftend wirken und sei damit auch ein "deutliches Signal" für die Ausrichtung des neuen Traditionserlasses, hieß es aus dem Ministerium.

"Tradition und Bundeswehr", Februar-Kompass 2018 (PDF, 3 MB)

"Die Bundeswehr auf der Suche nach ihrer Identität", Grünen-Politiker Nachtwei auf Bayern2

"Ein Traditionserlass ist kein Backrezept", Historiker Michael Wolffsohn im Deutschlandfunk 

"Ministerin schneidet alte Zöpfe ab" bei ZDF-heute 

weitere Informationen und Hinweis auf "Kompass. Soldat in Welt und Kirche" 02/18 auf domradio.de 

"Neuer Tradtionserlass" und Zitat von Militärbischof Overbeck in der Deutschen Welle 

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Hintergrund: Am Mittwoch tritt der neue Bundeswehr-Traditionserlass in Kraft. Eine Unterschrift - aber kein Schlussstrich. Von Joachim Heinz (KNA) Kritiker mögen einwenden, dass die Bundeswehr derzeit andere Probleme hat, als sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen. Trotzdem wird der Auftritt von Ministerin von der Leyen am Mittwoch in Hannover Beachtung finden.

Berlin / Hannover (KNA). Ursula von der Leyen in Hannover. Das klingt eher unspektakulär. Und doch wird nach dem Besuch der Bundesverteidigungsministerin in der "Emmich-Cambrai-Kaserne" einiges anders sein als vorher. Ab Mittwoch wird die Einrichtung, die zu einer der modernsten militärischen Ausbildungsstätten in Europa gehört, den Namen von Tobias Lagenstein tragen. Der Hauptfeldwebel wurde 2011 bei einem Sprengstoffanschlag in Afghanistan getötet. Im Rahmen der Umbenennung wird die CDU-Politikerin zugleich den neuen Traditionserlass für die Bundeswehr unterzeichnen.

Ausdrücklich betont die damit in Kraft tretende Dienstvorschrift, dass ein zentraler Bezugspunkt beim Traditionsverständnis und der Traditionspflege der Truppe die eigene nunmehr über 60 Jahre währende Geschichte sein soll. Die Umbenennung der Kaserne ist sozusagen ein erster Vollzug. Die Neufassung war, so sagte es die Ministerin den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Mittwoch), notwendig geworden, weil der alte Erlass mit der Erfahrung heutiger junger Soldaten kaum mehr etwas zu tun habe.

Den Anstoß dazu gab allerdings der befremdliche Umgang einiger Vertreter der Bundeswehr mit Relikten aus der NS-Zeit. Stahlhelme vor einer Kantine, Hakenkreuz-Kritzeleien und Landser-Souvenirs an Kasernenwänden sowie Entgleisungen bei der Ausbildung von Rekruten beherrschten immer wieder die Schlagzeilen. Der Eindruck drängte sich auf, dass es bei manchen "Staatsbürgern in Uniform" an staatsbürgerlicher Haltung und an politischer Reife mangele.

Der neue Traditionserlass spricht mit Blick auf die NS-Zeit eine klare Sprache. "Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig." Wohl aber sei die Aufnahme "einzelner Angehöriger" in das Traditionsgut der Bundeswehr grundsätzlich möglich.

Die Frage, auf wen sich das beziehen kann, beantwortete der Katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck unlängst in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit dem Hinweis auf die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944, jene Männer also, "die aufgrund ihres Gewissens klare Entscheidungen getroffen und sich am Widerstand gegen das NS-Gewaltregime beteiligt haben".

Gerungen wurde hinter den Kulissen um den Passus zur Armee der DDR. Dazu heißt es: "Die NVA begründet als Institution und mit ihren Verbänden und Dienststellen keine Tradition der Bundeswehr." In seinem Blog "Augen geradeaus!" schreibt Thomas Wiegold über diese Formulierung: Erkennbar sei das Bemühen, "frühere DDR-Soldaten nicht von vornherein auszugrenzen".

Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagte von der Leyen, auch hier müsse jeder Einzelfall abgewogen werden. So habe es etwa beim Fall der Mauer auch in den Reihen der NVA "hochanständige Persönlichkeiten" gegeben, die durch beherztes Eingreifen Gewalt gegen friedliche Demonstranten verhindert hätten.

Es gebe kaum ein "schwierigeres Terrain" als das der deutschen Militärgeschichte, hielt der Berliner Politologe Herfried Münkler im Februar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" fest. Der "Kompass", Zeitschrift der Katholischen Militärseelsorge, betonte zugleich, es müsse unter den Soldaten ein Bewusstsein für die Vergangenheit geben - und auch für die ihr innewohnenden Brüche. Das sei gerade mit Blick auf den Wandel der Bundeswehr und die Ausweitung internationaler Einsätze unverzichtbar.

Am Ende seien zwei Aspekte "für die Güte der Traditionspflege in der Bundeswehr entscheidend", schreibt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in seinem jüngsten Jahresbericht. "Erstens: Für die eigene Tradition der Bundeswehr nicht nur die Köpfe, sondern insbesondere die Herzen der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten zu erreichen." Und zweitens: "Ein kluger und unverfänglicher Umgang mit ausgewählten Aspekten des militärischen Erbes vergangener Zeiten und eine unmissverständliche Grenzlinie zum braunen Erbe."

Die Zukunft wird zeigen, ob der Erlass dabei hilfreich ist. Dort steht, dass Traditionsstiftung und Traditionspflege ein "dynamisches und niemals abgeschlossenes Handeln" seien. Ein Schlussstrich ist die Unterschrift von der Leyens also auf keinen Fall.

Infobox: Traditionserlass (KNA) Der Traditionserlass ist eine Dienstvorschrift der Bundeswehr. Sie stellt für alle Truppenteile Verhaltensmaßregeln im Umgang mit der Geschichte dar. Das Spektrum reicht vom Auftreten der Soldaten über Regelungen für das Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen bis hin zu der Benennung von Kasernen.

Vor allem mit Blick auf die NS-Vergangenheit stellt sich die Frage, in welcher Tradition sich die Bundeswehr sieht - und in welcher nicht. Der erste Traditionserlass stammte aus dem Jahr 1965, der 1982 durch eine neue Version ersetzt wurde. Dieser Erlass wiederum wurde auf Initiative von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in den vergangenen Monaten überarbeitet. Die Neufassung tritt am Mittwoch in Kraft.

Auslöser für die Überarbeitung waren die jüngsten Skandale um Wehrmachtsdevotionalien in Bundeswehrkasernen. Darüber hinaus soll die Neufassung dem sich wandelnden Bild der Truppe und den Ereignissen der jüngeren Vergangenheit Rechnung tragen - etwa vor dem Hintergrund der deutschen Einheit und der Aussetzung der Wehrpflicht.

Als "zentraler Bezugspunkt" gilt die eigene Geschichte der Bundeswehr. Zur Wehrmacht unter dem NS-Regime heißt es, diese sei als Institution "nicht traditionswürdig". Wohl aber sei die Aufnahme "einzelner Angehöriger" in das Traditionsgut der Bundeswehr grundsätzlich möglich, was etwa für Vertreter des Widerstands gilt. Zur DDR-Armee hält der Erlass fest: "Die NVA begründet als Institution und mit ihren Verbänden und Dienststellen keine Tradition der Bundeswehr."

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