„Unsere Reserven fahren auf See“

Von links: Militärgeneraldekan Matthias Heimer, Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags, Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann © Roger Töpelmann
Von links: Militärgeneraldekan Matthias Heimer, Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags, Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann © Roger Töpelmann

Wehrbeauftragter und Militärseelsorge wollen Belastungen von Soldaten mindern

Berlin, 30. 11. 2016. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, lässt nicht locker. Wie im vergangenen Jahr hat er nun erneut in einer Konsultation die „Vereinbarkeit des Dienstes in der Bundeswehr mit dem Familien- und Privatleben“ zur Debatte gestellt. Gemeinsam mit den Mitveranstaltern Katholische Militärseelsorge und der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr berieten Fachleute, Abgeordnete und Verbands- und Interessenvertreter der Bundeswehr im Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestages wie der Dienst soldatenverträglicher werden kann. Es geht um die psychische Belastung von Soldaten und Soldatinnen und ihren Familien durch Einsätze, aber auch durch die Flüchtlingshilfe, um alternative Beschäftigungsmodelle, Jobsharing sowie die ersten Erfahrungen mit der neuen Arbeitszeitregelung in den Streitkräften. Die neue Regelung gilt seit Anfang 2016 und geht von einer Wochenarbeitszeit von 41 Stunden aus. Bartels beschrieb den Wandel so: „Das ist nicht mehr die Wehrpflichtarmee, das sind jetzt Berufstätige - und die haben Familie.“ Der gestiegenen Zahl der Beschwerden gewann er etwas Positives ab: „Sie zeigen, dass man davon ausgeht, dass Kritik etwas nützt“, sagte der Beauftragte des Parlamentes.

In der Deutschen Marine stößt die Arbeitszeitverordnung auf besonders viele Hindernisse. Fregattenkapitän Mathias Roese sagte ganz offen:  „Seefahrt ist per se familienunfreundlich“. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei nicht herzustellen. Denn auf See gäbe es eine eingeschränkte Privatsphäre, die permanente Bedrohung durch die See, das Klima, auch das oft fehlende Tageslicht. „Der Dienst an Bord folgt anderen Gesetzmäßigkeiten“, fasste der Referent für Innere Führung des Marinekommandos Rostock seine Einschätzung zusammen.

Fregattenkapitän Marco Thiele, Vorsitzender Marine im Deutschen Bundeswehrverband, sah in der seelsorgerlichen Begleitung und dem offenen Ohr der Militärpfarrer einen ganz wichtigen Dienst. Die Soldaten sähen sich in Situationen bei der Begegnung mit Schleppern, Flüchtlingsbooten in Seenot oder dem Elend von Kindern konfrontiert. Der katholische Militärdekan, Jürgen Eckert, hob die notwendige Planbarkeit des Dienstes hervor und sprach von mangelnden Erklärungen, wenn die Abwesenheit von Zuhause durch erneute Einsätze verlängert werde. Der evangelische Militärpfarrer Christoph Sommer (Wilhelmshaven) äußerte zum Mehrbesatzungsmodell, das für vier Fregatten acht Besatzungen vorsieht, es sei eine Chance für die Vereinbarkeit des Dienstes durch Entlastung. Das Problem liegt für ihn bei den  Abwesenheitstagen der Schiffe. Eine Minderung werde versprochen. „Seit vielen Jahren wird sie in Aussicht gestellt. Aber in der Realität sind sie immer noch hoch."

Der Mangel an Personal kann einfach nicht wegdiskutiert werden. „Unsere Reserven fahren auf See“, beschrieb Fregattenkapitän Thiele den Mangel. Er finde gut, wenn nur die Härten abgemildert werden könnten. „Wir fahren gerne zur See, aber Entscheidungen müssen kommuniziert werden.“ Auf der anderen Seite ist Seefahrt immer noch einer der wichtigsten Gründe, warum sich junge Menschen entscheiden, zur Marine zu gehen, sagte Roese und zwei Korvetten von fünf neuen Schiffen könnten auch personell besetzt werden. Die Marine brauche wie das Heer Werbung um das Personal, das sei bei der jüngsten Werbekampagne „Wir Rekruten“ übersehen worden.

Am Schluss fasste Gastgeber Bartels die oft überspannte Lage der Truppe so zusammen: „Die Bundeswehr wäre entspannter, wenn sie alles hätte, was sie braucht.“  (Roger Töpelmann)

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