"Nie wieder Krieg!" Papst Franziskus ruft in Sarajevo zu Frieden und Versöhnung auf

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Von Johannes Schidelko

Sarajevo steht für Krieg und Zerstörung in Europa. 20 Jahre nach dem Ende des Bosnien-Kriegs würdigte Papst Franziskus die Stadt nun als «Ort des Dialogs und friedlichen Zusammenlebens» zwischen Religionen und Kulturen.

Sarajevo (KNA) Auch diesmal hat Papst Franziskus kein Kirchenfest, keinen Wallfahrtsort und kein Heiligenjubiläum als Anlass für seine Reise ausgewählt, sondern eine politische und religiöse Krisenregion am Rand des Alten Kontinents. Zum zweiten Mal - nach Albanien - hat er den Balkan aufgesucht. Mit Bosnien-Herzegowina kam er erneut in ein Land, in dem Katholiken eine Minderheit neben anderen christlichen Konfessionen und dem Islam bilden. Und erneut machte er bei seinem rund elfstündigen Aufenthalt in Sarajevo den interreligiösen Dialog zu einem zentralen Thema.

In Bosnien-Herzegowina lebten verschiedene Völker und Religionen lange Zeit vergleichsweise einvernehmlich neben- und miteinander - bis die Konflikte des 20. Jahrhunderts und zuletzt der Balkankrieg gewaltige Gräben aufrissen. Doch Franziskus hofft und tut alles dafür, dass das Land seinen alten Modellcharakter wiederfindet. Es müsse wieder zu einer "Botschaft" werden, dass ein Zusammenleben unterschiedlicher Religionen und Völker möglich sei, wie er am Samstagabend bei einer ökumenischen und interreligiösen Begegnung betonte.

Mit Franziskus kam zum zweiten Mal ein Papst nach Sarajevo. Vor 18 Jahren besuchte Johannes Paul II. (1978-2005) die von einem dreijährigen brutalen Krieg zerstörte Stadt in einem zerrissenen Land. Jetzt kam Franziskus in eine größtenteils wiederaufgebaute Metropole eines zweigeteilten Staates, in dem die Wunden allmählich vernarben. Weiterhin herrschen aber auch viel Misstrauen und Pessimismus, weil Perspektiven für die Zukunft fehlen. Eindringlich forderte das Kirchenoberhaupt die verschiedenen Ethnien und Religionen zu Zusammenarbeit und Dialog auf. 20 Jahre nach dem Ende des Bosnien-Kriegs würdigte er Sarajevo als "Ort des Dialogs und friedlichen Zusammenlebens".

Bei seinen kurzen Fahrten durch die Stadt konnte Franziskus deutlich sehen, dass die Kriegsschäden noch nicht wirklich beseitigt sind. Immer wieder finden sich Ruinen; viele Häuserwände weisen Einschusslöcher auf. Dazwischen erinnern allenthalben Friedhöfe in den Parks an die vielen tausend Toten, die während der Belagerungszeit innerhalb der Stadt beigesetzt werden mussten.

Der Empfang durch die drei Mitglieder des Staatspräsidiums war freundlich. Die Regierungsspitze nutzte den Anlass, um das Interesse des Landes an einer Annäherung an die EU zu äußern. Franziskus ging bedingt darauf ein: Bosnien-Herzegowina sei ein "integraler Teil von Europa".

Nahm die Öffentlichkeit in Sarajevo nur wenig Notiz vom Papstbesuch, so war der Empfang durch die Katholiken umso herzlicher. Mit langem Applaus hießen rund 65.000 Menschen den Papst im Kosevo-Stadium willkommen. Bereits bei der Begegnung mit der politischen Führung des Landes hatte er Religionsfreiheit und gleiche Rechte für alle Bürger angemahnt - und damit den vielfach benachteiligten Katholiken aus der Seele gesprochen.

Die Messe fand bei sommerlich heißen Temperaturen an gleicher Stelle statt, wo bereits Johannes Paul II. 1997 bei eisigem Schneesturm zwischen den Trümmern zelebriert hatte. "Frieden" war das Thema der Predigt. In der Stadt, in der vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg seinen Ausgang nahm, warnte Franziskus vor einem Dritten Weltkrieg - der bereits jetzt "stückweise" durch viele kleinere bewaffnete Konflikte geführt werde. Und unter dem Applaus der Anwesenden wiederholte Franziskus von Sarajevo aus den Ruf seiner Vorgänger: "Nie wieder Krieg!"

Standen am Vormittag die öffentlichen Begegnungen auf dem Programm, galt die zweite Tageshälfte den kleineren und internen Treffen. Vor der Begegnung mit Orthodoxen, Juden und Muslimen kam Franziskus in der Kathedrale von Sarajevo mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen zusammen. Drei Geistliche berichteten in bewegenden Zeugnissen über ihre Leiden im Bosnien-Krieg: wie sie verschleppt, gefoltert und Scheinerschießungen ausgesetzt waren. Der Papst war sichtlich bewegt. Er legte das vorbereitete Redemanuskript zur Seite und wandte sich mit sehr persönlichen Worten an die Anwesenden. "Vergesst die Geschichte nicht!"- aber um Frieden zu schaffen und um Vergebung zu stiften.

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