Konferenz über Militärrabbiner beginnt in Berlin

Niederländischer Militärrabbiner (re.) bei einem Totengedenken, links ein katholischer Militärseelsorger © KS / Barbara Dreiling
Niederländischer Militärrabbiner (re.) bei einem Totengedenken, links ein katholischer Militärseelsorger © KS / Barbara Dreiling

Katholischer Militärgeneralvikar referiert über christliche Militärseelsorge

Berlin. In der Debatte über eine mögliche jüdische Seelsorge in der Bundeswehr veranstaltet der Zentralrat der Juden von Mittwoch bis Freitag eine Konferenz in Berlin. Zu der Tagung unter dem Titel "Militärrabbiner in der Bundeswehr. Zwischen Tradition und Herausforderung" werden unter anderen Rabbiner in ausländischen Streitkräften sowie Vertreter der Kirchen, von Bundestagsfraktionen, des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr erwartet. 

Der katholische Militärgeneralvikar Monsignore Reinhold Bartmann wird am Donnerstag zum Thema „Der Beistand der Militärseelsorge für die Soldatinnen und Soldaten“ vortragen. Auch der evangelische Militärbischof Dr. Sigurd Rink wird zu diesem Thema sprechen. Des Weiteren geht es bei der Konferenz um historische Aspekte mit Blick auf deutsche Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg und politische Bildung in der Bundeswehr.

Zuletzt hatte sich der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, für die Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge ausgesprochen: "Es ist an der Zeit, die Institutionalisierung einer jüdischen Militärseelsorge wie übrigens auch einer entsprechenden Regelung für die Muslime in unserer Bundeswehr in Angriff zu nehmen", schreibt Bartels in der Zeitschrift Kompass. Soldat in Welt und Kirche des katholischen Militärbischofs (April). Bis zur Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht 2011 habe die Praxis gegolten, "Wehrpflichtige jüdischen Glaubens nicht gegen ihren Willen einzuziehen". Derzeit gibt es Schätzungen zufolge zwischen 150 und 300 Bundeswehr-Soldaten mit jüdischem Glauben.

Hintergrundbericht 

Idee für Militärrabbiner in der Bundeswehr - Seelsorge, Einsatz für Demokratie, Kampf gegen Ressentiments 

Von Leticia Witte (KNA)

Berlin (KNA) Sein Schritt war umstritten. Als Michael Fürst Ende der 1960er Jahre, gut 20 Jahre nach dem Ende der Schoah, als erster Jude Zeitsoldat in der Bundeswehr war, gab es durchaus Gegenwind und Unverständnis. Etwa in der jüdischen Gemeinde in Hannover, wo er auch mit Uniform im Gottesdienst erschien, wie Fürst einmal dem Deutschlandfunk sagte. Und in der "Jüdischen Allgemeinen" berichtete er von einem Ausbilder in der Truppe, der sich offen als Antisemit bezeichnet habe. Mittlerweile gibt es Schätzungen zufolge bis zu 300 jüdische Soldaten in der Bundeswehr - und Vorschläge, wieder eine jüdische Seelsorge einzuführen.

Diese Idee kommt nicht zuletzt von "höchster Stelle": Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte Ende Februar eine Anregung zu Militärrabbinern erneuert. Schon davor hatte es immer wieder Vorschläge in diese Richtung gegeben. Die jüdische Gemeinschaft wünsche eine Militärseelsorge "auf der Grundlage eines Staatsvertrags", schrieb Schuster in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine jüdische Militärseelsorge könne eine Bereicherung für "die ethische und lebenskundliche Ausbildung" der Soldaten sein. Auch würde man damit an eine Tradition anknüpfen.

Im Ersten Weltkrieg waren Feldrabbiner für die kämpfenden Soldaten im Einsatz. "Die jüdischen Gemeinden und Organisationen verbanden damit die Hoffnung auf eine weiter zunehmende Anerkennung der jüdischen Gemeinschaft und ihrer Religion durch die Umgebungsgesellschaft", zitiert der Zentralrat auf seiner Internetseite aus Band 7 der "Schriften des Centrum Judaicum". Zu den zentralen Aufgaben der Feldrabbiner gehörte demnach "neben der eigentlichen religiösen Seelsorge die Verteilung von religiöser Lektüre und 'Liebesgaben' aus der Heimat, die Durchführung von Unterhaltungsabenden und Vorträgen und der Dienst in Lazaretten".

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), legt in der April-Ausgabe der Zeitschrift "Kompass" des katholischen Militärbischofs dar, dass ab 1812 Juden in weiten Teilen Preußens erstmals wehrpflichtig geworden seien. Im Ersten Weltkrieg standen in den deutschen Armeen demnach 100.000 Juden unter Waffen, rund 12.000 fielen. Doch dann drehte sich der Wind: 1920 schlossen sich den Angaben zufolge jüdische Soldaten im "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" zusammen. "Sie taten das nicht aus Freude an der Kameradschaft", so Bartels. "Der Bund verstand sich vielmehr als Interessenvertretung gegen antisemitische Hetze und Verleumdungen."

Nach dem millionenfachen Mord an deutschen und europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg galt bis zur Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht 2011 die Praxis, jüdische Wehrpflichtige nicht gegen ihren Willen einzuziehen, schreibt Bartels, der auch an Fälle von Antisemitismus in der Bundeswehr und ihre Ahndung erinnert. Er unterstützt den Vorschlag für eine jüdische Militärseelsorge und betont, dass es eine entsprechende Regelung auch für Muslime geben könne. Ende Januar hatte sich die SPD-Fraktion ebenfalls für eine jüdische und muslimische Militärseelsorge nach dem Vorbild der christlichen ausgesprochen.

Der Zentralrat sieht die Aufgaben möglicher Militärrabbiner heute nicht nur in der Seelsorge, sondern auch in der Demokratieerziehung von Soldaten, der Vermittlung von Wertvorstellungen und im Einsatz gegen judenfeindliche Ressentiments. Die Bundeswehr werde für junge Juden als Arbeitgeber zunehmend attraktiv, betont der Zentralrat. Militärrabbiner könnten ein "Zeichen für die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft" sein. Vor einigen Jahren hat sich der Bund jüdischer Soldaten (BjS) gegründet. Michael Fürst, der erste jüdische Zeitsoldat und heutige Landesvorsitzende der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, ist Ehrenvorsitzender des BjS.

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