Kirchenvertreter dringen auf Schutz von religiösen Minderheiten

Reaktion von Militärbischof Overbeck bei Facebook auf die Anschläge gegen koptische Christen in Ägypten © Bistum Essen
Reaktion von Militärbischof Overbeck bei Facebook auf die Anschläge gegen koptische Christen in Ägypten © Bistum Essen

Berlin (KNA) Nach den Bombenanschlägen auf zwei koptische Kirchen in Ägypten dringen Religionsvertreter auf mehr Schutz für Minderheiten im Nahen Osten. Die Attentate seien "ein Drama für alle Christen auf der Welt", sagte der katholische Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). Die anhaltenden Auseinandersetzungen im Namen der Religion seien auch ein Phänomen der Globalisierung.

Es sei offenbar ein Trugschluss zu glauben, dass Religionskriege der Vergangenheit angehörten, so Overbeck. Insbesondere über die Lage in Ägypten, Syrien und dem Irak zeigte sich Overbeck besorgt: "Wir müssen aufpassen, dass diese Ursprungsorte des Christentums letztlich nicht vernichtet werden."

Der koptisch-orthodoxe Bischof in Deutschland, Anba Damian, sieht die ägyptische Muslimbruderschaft in ideologischer Nähe zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Die Christen im Land müssten leiden, weil die Muslimbruderschaft sie für den Sturz des früheren Staatspräsidenten Mohammed Mursi verantwortlich mache, sagte er der "Welt" (Mittwoch). Die Strömung sei auch hierzulande sehr stark. "Deutschland ist eine Hochburg der Muslimbruderschaft und der Salafisten", so Damian.

Kopten würden in Ägypten "wie Insekten behandelt", klagte der Bischof. Es sei jedoch ihr Ziel, das Land nicht zu verlassen. Vielmehr brauche es eine Reform der religiösen Bildung in Ägypten. "Junge Muslime müssen von klein auf Milde lernen, damit sie später nicht den Radikalen folgen", betonte Damian. Das betreffe Schulen und Moscheen ebenso wie die islamische Universität Al-Azhar in Kairo, die sich nicht ausreichend von der Muslimbruderschaft distanziere.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, forderte die Behörden in Ägypten und anderen Ländern auf, die Sicherheit für alle Bürger vor "solchen grausamen Verbrechen" zu garantieren. "Die Anschläge machen mich wütend", sagte der bayerische Landesbischof den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Er hoffe, dass die Menschen überall auf der Welt sich jetzt gemeinsam dafür einsetzten, "dass solch ein menschenverachtender Fanatismus, der zu solchen Taten führt, endlich überwunden wird".

Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) kündigte an, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Ägypten im Agrar- und Ernährungsbereich zu verstärken. "Politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind essenziell für die Stabilität der ganzen Region", sagte Schmidt der "Passauer Neuen Presse".

Bei den Anschlägen auf zwei koptische Kirchen im nordägyptischen Tanta und in Alexandria waren am Palmsonntag nach Regierungsangaben mindestens 44 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden. Der IS reklamierte die Taten für sich.

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Hass auf Christen und gemäßigte Muslime - Der IS-Terror in Ägypten will den Dialog zerstören

Blutiger Auftakt der Karwoche: Bei zwei Anschlägen auf koptische Kirchen in Ägypten werden Dutzende Christen getötet. Bekenner ist einmal mehr der IS. Sein Ziel ist die Spaltung der ägyptischen Gesellschaft.

Von Christoph Schmidt (KNA)
 

Kairo/Bonn (KNA) Die Zahl der Todesopfer kletterte am Sonntag von Minute zu Minute. Rund 40 Menschen starben bei den beiden Anschlägen auf koptische Kirchen im nordägyptischen Tanta und der Hafenstadt Alexandria, Dutzende wurden verletzt. Ausgerechnet während der Palmsonntagsmesse zum Auftakt der Karwoche schlug der Terror zu. Die Botschaft hinter dem Grauen, zu dem sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" offenbar bekannte, ist klar: Das uralte koptische Christentum, älter als der Islam selbst, hat aus Ägypten zu verschwinden. Ginge es nach diesen Kräften, hätte es das 1.400-jährige, überwiegend friedliche Miteinander zwischen Kopten und Muslimen nie gegeben.

In Tanta sprengte sich der Attentäter in der großen Sankt-Georgs-Kirche inmitten vollbesetzter Kirchenbänke in die Luft. In Tanta gelang es der Polizei offenbar noch, den Terrorbomber vor der Sankt-Markus-Kathedrale zu stoppen, wo er seine Ladung zündete und etliche mit in den Tod riss. In der Hauptkirche der Koptisch-Orthodoxen feierte deren Oberhaupt, Papst Tawadros II., den Gottesdienst. Womöglich galt der Angriff auch ihm persönlich.

Erst vor sechs Monaten waren beim Bombenattentat auf die Kairoer Sankt-Markus-Kirche fast 30 Menschen gestorben. Auch damals reklamierte der IS die Tat für sich. Sie war auch ein blutiges Fanal gegen die allmählich zunehmende religiöse Toleranz unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Der General und Politiker setzt auf mehr Fortschritt und die Einheit der mehr als 90 Millionen Ägypter. Und er weiß, dass er dabei auf das ökonomische und wissenschaftliche Potenzial unter den rund 9 Millionen Kopten nicht verzichten kann. Ihr Exodus wäre eine Katastrophe für Ägypten.

Als erster Präsident hat al-Sisi in Kairo einen koptischen Weihnachtsgottesdienst besucht, sich für Anschläge gegen Christen entschuldigt und fördert sogar den jahrzehntelang unterdrückten Bau von Kirchen. Auch die Massenorganisation der Muslimbrüder, die al-Sisi 2013 aus der Regierung putschte, steht dieser Entwicklung schroff ablehnend gegenüber. Trotzdem ist die Mehrheit der ägyptischen Muslime - das betonen koptische Kirchenstimmen - weit von latenter Pogromstimmung entfernt. Im Gegenteil: Das koptisch-muslimische Zusammenleben und die politische Teilhabe hätten sich verbessert, heißt es.

Der IS bombt, die Muslimbrüder hetzen deshalb stets gegen beide Seiten an: gegen die Kopten, die ihre Rolle als unterdrückte "Ungläubige" hinnehmen oder emigrieren sollen, und gegen die gemäßigten Muslime, die aus Sicht der Islamisten nur das Geschäft der "Kreuzritter" aus dem Westen betreiben, den Islam nicht zu neuer Größe kommen zu lassen.

Die brutalen Anschläge am Palmsonntag dürften deshalb auch mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Besuch von Papst Franziskus in Kairo geplant worden sein. Bei seiner Visite am 28. und 29. April will der Papst einerseits den Glaubensbrüdern Mut machen, deren orthodoxer Teil nicht Rom untersteht, und andererseits eine neue Seite im lange unterkühlten katholisch-muslimischen Dialog aufschlagen. Dazu trifft er sich mit dem Großscheich der sunnitischen Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb - aus Sicht der Terrorkämpfer nichts als Verrat am Islam.

Zwar zählt die Ägyptenreise aus vatikanischer Sicht gewiss zu den sicherheitstechnisch anspruchsvolleren Missionen des Pontifex. Doch stattfinden werde sie wie geplant, bekräftigte Vatikan-Sprecher Greg Burke am Sonntag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Der Dialog zwischen Vatikan und Al-Azhar war einst wegen eines Anschlags zum Erliegen gekommen: Weil Papst Benedikt XVI. (2005-2013) den Ägyptern 2011 nach einem grausamen Terrorattentat gegen eine Kairoer Kirche mangelnden Schutz von Christen vorwarf, hatte der damalige Großscheich die Gespräche abgebrochen. Nun könnte der Schrecken dieses Palmsonntags umgekehrt dazu beitragen, dass der offene Dialog zwischen Christen und friedensbereiten Muslimen neuen Schwung gewinnt. Als einzige Alternative zum Wahnsinn des religiösen Extremismus.

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