Kirchen würdigen Dietrich Bonhoeffer: Ganz große Gestalt

Dietrich Bonhoeffer mit Schülern, 1932. © Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316 / CC-BY-SA
Dietrich Bonhoeffer mit Schülern, 1932. © Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316 / CC-BY-SA

Bonn/Hannover (KNA) Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland haben am Mittwoch den vor 70 Jahren ermordeten evangelischen Theologen und NS-Gegner Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) gewürdigt. Der gebürtige Breslauer war am 9. April 1945, vor genau 70 Jahren, im KZ Flossenbürg ermordet worden.

Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller bezeichnete Bonhoeffer als christlichen Märtyrer und standhaften Glaubenszeugen. Er zähle zu den ganz großen Gestalten der Kirchen- und Theologiegeschichte, schreibt der Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation in der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".

Mutig und hellsichtig habe der evangelische Pfarrer von Anfang an die Vergötzung von Blut und Rasse abgelehnt und die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Menschen verurteilt. Er habe die Kirche aufgefordert, sich einzumischen. Nur wer für die Juden schreie, der könne auch gregorianisch singen, zitierte der Kardinal den Theologen. "Bonhoeffer wollte die kirchliche Theologie nicht vor den Karren einer nationalistischen Politik oder nationalistischer Ressentiments spannen lassen."

Bonhoeffer habe sehr früh den totalitären Charakter des NS-Regimes erkannt, fügte Müller hinzu: "Wenn der Führer alles bestimmt, was die Ethik ausmacht, was die Ziele der Nation ausmacht, was der Sinn des Lebens ist, woher bezieht er seine letzten Prinzipien? Aus einer selbst gemachten Ideologie, aus der Ideologie des Sozialdarwinismus, des Rassismus und der Rassenideologie. Der reine Machtwille. Wer die Macht hat, hat das Recht."

Bonhoeffer zählt zu den wichtigsten Figuren der christlichen Opposition gegen Hitler und war die prägende Gestalt der protestantischen Bekennenden Kirche. 1940 erhielt er Rede- und Schreibverbot. Wegen seiner Verbindungen zum Widerstand wurde er 1943 verhaftet. Am 9. April 1945 erhängte ihn die SS auf persönlichen Befehl Hitlers nach einem Schnellverfahren im KZ Flossenbürg.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte in Hannover: "Bonhoeffer bleibt eine Inspiration für die, die sich in Situationen von Unterdrückung und Gewalt für die Menschenwürde einsetzen." Der Theologe habe betont, die Kirche sei "nur Kirche, wenn sie für andere da ist". Sie dürfe sich nicht bequem einrichten, sondern müsse auch die kritische Kraft des Evangeliums in der Gesellschaft zur Sprache bringen.

In der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt Bedford-Strohm, Bonhoeffer sei der "weltweit wohl meistgelesene deutsche Theologe des 20. Jahrhunderts". Er habe einen untrennbaren Zusammenhang zwischen persönlicher Frömmigkeit und politischem Engagement gesehen und vorgelebt. Seine Schriften hätten etwa auch den Widerstand gegen das südafrikanische Apartheid-Regime beeinflusst. Heute müssten Christen sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein militärisches Eingreifen gegen den Terror des "Islamischen Staates" (IS) legitim sei. "Dietrich Bonhoeffer hat uns eingeschärft, solchen schwierigen ethischen Entscheidungssituationen nicht aus dem Weg zu gehen."

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