Jüdische Militärseelsorge: Staatsvertrag unterzeichnet

© KS / Norbert Stäblein
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Katholische Militärseelsorge begrüßt die Einrichtung der jüdischen Militärseelsorge

Über sechs Jahrzehnte nach der Gründung der Bundeswehr und dem Aufbau der katholischen und evangelischen Militärseelsorge gibt es seit heute auch eine jüdische Militärseelsorge für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Am Vormittag haben Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, den Staatsvertrag unterzeichnet. 

Verantwortung und Mitgestaltung

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vertrages von einem „historischen Tag. Mit der Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden beschreiten wir neue Wege“. In vielen NATO-Staaten seien Militärrabbiner Selbstverständlichkeit. Nach den Jahrzehnten der Distanz zur deutschen Armee „wuchs unser Vertrauen in diesen Staat“.

Schuster betonte, wer sich wie die jüdische Gemeinschaft als Teil einer demokratischen Gesellschaft verstehe, „möchte und sollte auch Verantwortung übernehmen“. Neben der Verantwortung sieht Schuster Gestaltungsmöglichkeiten: „Wir möchten auch in die Bundeswehr positiv hineinwirken“. Den Horizont der Soldaten zu erweitern, trage zum inneren Frieden in der Bundeswehr und auch der Gesellschaft bei. Damit werden Soldaten „weniger anfällig für antisemitische Ressentiments“, so Schuster.

Jüdische Kameraden in der Bundeswehr zu Hause

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte in ihrer Rede: „Heute erfüllt es mich mit Dankbarkeit und großer Freude, dass jüdische Soldaten freiwillig ihren Dienst in der Bundeswehr leisten, in einer Bundeswehr, die stolz darauf ist, dass auch jüdische Kameradinnen und Kameraden in der Bundeswehr zu Hause sind.“ Sie betonte, dass das Judentum ein „unverrückbarer, unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft ist. 'In Deutschland zu Hause' heißt auch, in der Bundeswehr zu Hause.“

Mit Blick auf den Antisemitismus in Deutschland sagte sie: „Wir dulden keinen Antisemitismus in unserem Land. Es ist unsere permanente Aufgabe nicht wegzuschauen. Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus hat in der Bundeswehr keinen Platz und es darf ihm auch kein Platz eingeräumt werden.“ Kürzlich hatte der Militärische Abschirmdienst (MAD) einen Arbeitsschwerpunkt auf Rechtsextremismus in der Bundeswehr gelegt.

Perspektivisch solle in der Bundeswehr auch eine muslimische Militärseelsorge eingerichtet werden, so die Verteidigungsministerin. Derzeit fehle noch ein adäquater Ansprechpartner auf Seiten der Muslime in Deutschland.

Militärgeneralvikar begrüßt die Einrichtung der jüdischen Militärseelsorge

Der katholische Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann begrüßt die Einführung: „Innerhalb kurzer Zeit konnte der Staatsvertrag zur Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge für die Deutsche Bundeswehr mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland ausgearbeitet werden“, sagte er. Die Gründung der jüdischen Militärseelsorge wurde während der Konferenz „Militärrabbiner in der Bundeswehr – Zwischen Tradition und Herausforderung“ im April 2019 von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angekündigt.

„Mit der heutigen Unterzeichnung erweitert sich für die Soldatinnen und Soldaten das Angebot der seelsorgerlichen Betreuung; wir als Militärseelsorge bekommen weitere Unterstützung. Damit haben die Soldaten noch mehr Möglichkeiten, unabhängig von Dienstgrad, Religion oder Thema Gesprächspartner zu finden“, betonte Bartmann. In den Auslandseinsätzen der Bundeswehr arbeiten katholische und evangelische Militärseelsorge schon lange mit Militärrabbinern aus anderen Ländern zusammen. 

Bereicherung für gläubige und nichtgläubige Soldaten

Die neue jüdische Militärseelsorge könne nach Worten des Militärgeneralvikars für gläubige und nichtgläubige Soldatinnen und Soldaten eine Bereicherung werden. Das neue Miteinander eröffne auch christlichen und jüdischen Seelsorgern neue Horizonte und fördere den Austausch.

Die Einführung der jüdischen Militärseelsorge entspricht dem Grundrecht auf freie Religionsausübung der Soldatinnen und Soldaten Nach Schätzungen der Bundesregierung dienen in der Bundeswehr etwa 300 Soldaten jüdischen Glaubens und rund 3.000 muslimische Soldaten. Unter den rund 180.000 Soldaten dienen zudem etwa 90.000 Christen. Sie werden von evangelischen und katholischen Seelsorgern betreut. Die Religionszugehörigkeit der Soldaten wird nur auf freiwilliger Basis erfasst.

Der Staatsvertrag wurde im Rahmen des jüdischen Gemeindetags vom 19. bis 22. Dezember in Berlin unterzeichnet. Unter dem Motto „In Deutschland zu Hause“ diskutieren rund 1.000 Teilnehmer zu Themen wie Religionsfreiheit, Militärrabbiner, das Judentum in der Schule, sinkende Gemeindemitgliederzahlen und Judenhass unter Muslimen. Auf der Tagesordnung stehen Podiumsdiskussionen, Filmgespräche, Lesungen und Vorträge sowie ein kulturelles und religiöses Programm.

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