Islam – Islamischer Staat und Irak

Arno Tappe, Interkultureller Berater am Einsatzführungskommando
Arno Tappe, Interkultureller Berater am Einsatzführungskommando (Foto: KMS / Doreen Bierdel)
Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann begrüßt die zahlreichen Zuhörer.
Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann begrüßt die zahlreichen Zuhörer. (Foto: KMS / Doreen Bierdel)
Konzentrierte Teilnehmer im Konferenzsaal der Kurie
Konzentrierte Teilnehmer im Konferenzsaal der Kurie (Foto: KMS / Doreen Bierdel)
Arno Tappe beim Vortrag
Arno Tappe beim Vortrag (Foto: KMS / Doreen Bierdel)
Arno Tappe, Interkultureller Berater am Einsatzführungskommando
Arno Tappe, Interkultureller Berater am Einsatzführungskommando (Foto: KMS / Doreen Bierdel)

Der Interkulturelle Einsatzberater Arno Tappe bei Militärseelsorgern.

Berlin, 03.02.2015. Am 29. Juni 2014 wurde in Mossul – einer bislang multiethnischen und multireligiösen Stadt im Norden des Irak – nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen regulären irakischen Truppen und Kämpfern der Gruppe ISIS bzw. IS das Kalifat „Islamischer Staat“ ausgerufen. 90 Jahre nach dem Ende des Kalifats der Osmanen, das von 1774 bis 1924 andauerte und in Istanbul seinen Sitz hatte, wurden damit erneut „Religion und staatlich geleitetes Territorium“ zusammengefügt.

Dieses neuartige Phänomen in der islamischen Welt des Mittleren und Nahen Ostens, aber zwischenzeitlich auch in Teilen Afrikas, bildete den Ausgangspunkt einer Informationsveranstaltung für Militärseelsorger und Mitarbeiter in der Kurie des Katholischen Militärbischofs am Berliner Weidendamm. Eingeladen hatte Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann dazu den Interkulturellen Einsatzberater des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos (Potsdam), Arno Tappe. Weil deutsche Streitkräfte und ihre Soldaten in den Einsatzgebieten auf verschiedene Volksgruppen sowie Ethnien mit unterschiedlichen religiösen und sozialen Strukturen treffen, zählt es mit zu den Aufgaben der Interkulturellen Einsatzberater, diese Gesichtspunkte in Führungsentscheidungen einzubringen.

„Eine historisch-kritische Koranexegese steht noch aus.“

Arno Tappe, der das Dezernat Interkulturelle Einsatzberatung am Einsatzführungskommando leitet, nutzte die Gelegenheit, um über die Entstehung, Hintergründe, Führungsstruktur und innerislamische Verortung des „Islamischen Staats“, als der seiner Auffassung nach „aktivsten und radikalsten dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation“, zu informieren. Seiner Auffassung nach zielt diese – gerade von der jüngeren Generation der islamischen Welt getragene Bewegung – darauf ab, die „Moderne zu islamisieren“, um damit der Scharia und dem „klassischen“ Wahhabismus gewaltsam zum Durchbruch innerhalb und außerhalb der arabischen Welt zu verhelfen. Mit Blick auf die sich aktuelle entwickelnde Situation im Nahen und Mittleren Osten riet Tappe zu „großer Aufmerksamkeit“ und deutete zum Ende seiner Überlegungen an, dass sich diese Art und Form der Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb der islamischen Welt noch einen „langen Zeitraum“ hinziehen würde.

Josef König

Islamforscher kritisiert Theologie der Gewalt bei Muslimen.

Bonn / Münster (KNA, 04.02.2015). Der Wiener islamische Religionspädagoge Ednan Aslan wirft muslimischen Gelehrten und Organisationen in Deutschland vor, eine „Theologie der Gewalt“ zu lehren. Das Predigen tradierter islamischer Rechtsvorschriften sei direkt verantwortlich für Terroranschläge, sagte er dem Bonner „General-Anzeiger“ (Mittwoch, 4. Februar 2015).

„Es ist höchste Zeit, dass sich muslimische Theologen kritisch mit ihrer eigenen Lehre auseinandersetzen“, fügte er hinzu. Gewalt und Terror hätten „sehr wohl etwas mit dem Mainstream-Islam zu tun“. In den Vorschriften der vier prägenden Rechtsschulen, von den Sunniten bis zu den Schiiten, heiße es, man müsse jene töten, die Gott und seinen Gesandten beleidigen. „Die Tötung von Homosexuellen wird in jedem Rechtsgrundwerk des Islams gefordert.“

Ausdrücklich lobte Aslan das deutsche Modell, Imame im Inland auszubilden, um der Rekrutierung ausländischer Gelehrter entgegenzuwirken. Eine moderne Prägung des Islam könne nur im deutschsprachigen Raum etabliert werden – oder gar nicht, sagte der Islamwissenschaftler.

Pessimistisch zeigte sich der Religionspädagoge mit Blick auf die Rolle der Türkei. „Ich beobachte eine Salafisierung, eine Rückwärtsbewegung vieler türkisch-islamischer Fakultäten“, sagte er. Selbst an renommierten Universitäten wie Oxford, Cambridge und Harvard werde die Islamwissenschaft großzügig von den Golfstaaten finanziert – „da haben die Kollegen keine Chance, etwas gegen die Lehre der Gewalt zu unternehmen“.

Unterdessen forderte auch der Münsteraner katholische Kirchenhistoriker Arnold Angenendt von muslimischen Theologen eine Veränderung der Lehre. „Diejenigen, die behaupten, dass der Islam friedliebend und demokratiefähig ist, auch die Menschenrechte zu achten vermöge, müssen dies beweisen und eine entsprechende Lehre auch durchsetzen“, sagte er im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Münster.

Der Islam stehe der Gewalt viel näher als das Christentum, so Angenendt. „Man denke nur an die unterschiedliche Definition von Märtyrertum: Als Christ darf man das Martyrium nicht anstreben; es geschieht als Widerfahrnis beim Einsatz für den Glauben und die Armen. Der Islam versteht das Martyrium sozusagen als Schleudersitz ins Paradies, mit all den dort versprochenen Belohnungen, sogar sexueller Art.“

„Das Christentum hat vielfach versagt, ohne Zweifel“, räumte der Kirchenhistoriker mit Blick auf Kreuzzüge, Ketzerverbrennungen und gewaltsame Missionierung ein. „Aber es hat eine Jahrhunderte alte Friedenslehre und -praxis aufzuweisen.“ Auf die habe es in der Geschichte immer wieder zurückgegriffen und müsse es auch heute tun, unterstrich der Wissenschaftler.

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