Im Gedenken an Millionen Opfer

Kriegsgräberstätten in aller Welt zeugen von Millionen zivilen und soldatischen Opfern der Weltkriege. © KS / Barbara Dreiling
Kriegsgräberstätten in aller Welt zeugen von Millionen zivilen und soldatischen Opfern der Weltkriege. © KS / Barbara Dreiling

Deutschland und Polen erinnern an Beginn des Zweiten Weltkriegs. Bitte um Vergebung in Warschau, Forderung zu Denkmal in Berlin.

Ein Tag des Gedenkens und der Symbolik: Vor 80 Jahren überfielen Deutsche ihr Nachbarland Polen. Auf beiden Seiten der Oder wurde am Sonntag deutlich, dass die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist.

Warschau/Berlin (KNA). Dutzende Male läutete eine Glocke zum Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs in Warschau. Jedes anwesende Staatsoberhaupt ließ sie bei der zentralen Gedenkfeier in der polnischen Hauptstadt am Sonntag einzeln erklingen. Genau 80 Jahre zuvor - am 1. September 1939 - haben die Deutschen ihre Nachbarn überfallen und damit den Krieg begonnen. Allein in Polen starben bis zu sechs Millionen Menschen, davon die Hälfte Juden. Daran erinnerten Politiker und Religionsvertreter an vielen Orten.

Erste Opfer in Polen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat in Warschau wie auch am frühen Morgen in Wielun um Vergebung. Die Kleinstadt war am 1. September 1939 als erste von der Wehrmacht angegriffen und zerstört worden - wenige Minuten vor der Attacke auf die Danziger Westerplatte. "Wir werden niemals vergessen", versprach Steinmeier bei beiden Gedenkveranstaltungen. Der Bundespräsident wie auch sein polnischer Amtskollege Andrzej Duda verneigten sich in ihren Reden besonders vor den polnischen Opfern der Kriegsgräuel.

Erinnert wurde aber auch an die damaligen Freiheitskämpfer, etwa im Warschauer Aufstand und - mit Blick auf den in Warschau anwesenden US-Vizepräsidenten Mike Pence - aus den USA. Präsident Donald Trump hatte seine Teilnahme wegen des Hurrikans "Dorian" kurzfristig abgesagt. Zu den Gästen gehörte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Versöhnung bleibt Aufgabe

Dass die Kirchen für die Aussöhnung beider Länder eine wichtige Rolle gespielt haben, wurde zum Jahrestag ebenfalls oft in Erinnerung gerufen. Die katholischen deutschen und polnischen Bischöfe appellierten in einer gemeinsamen Erklärung auch heute zu mehr Einsatz für den Frieden. Mit den "Früchten der Versöhnung" sei verantwortungsbewusst umzugehen, mahnten sie. Zudem gelte es, sich "aufrichtig am Prozess der Versöhnung zwischen unseren Nationen zu beteiligen".

In Berlin erklärte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im evangelischen Berliner Dom, die christlichen Werte verbänden Deutschland und Polen. "Der Glaube macht an Grenzen nicht halt", sagte er.

Denkmal für polnische Opfer

Bei einer weiteren Gedenkfeier warb Schäuble erneut für ein Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs im Berliner Zentrum an der Ruine des Anhalter Bahnhofs. Eine entsprechende Initiative findet unter anderem bereits die Unterstützung von mehr als 200 Bundestagsabgeordneten und den beiden Berliner Bischöfen Heiner Koch und Markus Dröge.

Schäubles polnische Amtskollegin, Sejmmarschallin Elzbieta Witek, erklärte in Berlin, man rechne fest damit, "dass die politische Entscheidung in Sachen des Denkmals in Kürze gefällt wird". Zur Debatte steht indes auch ein gemeinsamer Gedenkort für alle Opfer der NS-Vernichtungskriege im Osten Europas.

Steinmeier sagte in Wielun, es sei an der Zeit, dass Wielun und viele andere dem Erdboden gleichgemachte Städte und Dörfer Polens ihren Platz neben anderen Erinnerungsorten deutscher Verbrechen fänden. Für diese Erinnerung sollten auch in Deutschland und in Berlin neue und angemessene Formen gefunden werden.

Frieden nicht zu selbstverständlich nehmen

Wie diese angemessene Form aussehen könnte, ist auch nach 80 Jahren noch umstritten. Das zeigt sich sowohl bei der Diskussion um das mögliche Denkmal als auch bei den immer wieder aufkommenden Stimmen, die deutsche Reparationszahlungen an Polen fordern. Auch im Vorfeld des Gedenktags waren sie deutlich zu vernehmen gewesen. Sie könnten das Verhältnis beider Länder spürbar belasten.

Frieden solle man nicht für zu selbstverständlich nehmen - auch daran wurde rund um den Jahrestag erinnert. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, warnte davor, dass dies in vielen europäischen Staaten offenbar zunehmend vergessen werde. "Es gilt zu fragen, ob wir uns noch auf dem richtigen Weg befinden", schrieb er in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und mahnte zum Innehalten. Der 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs bot auch dafür Gelegenheit.

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