Fastenaktion „Es geht! Anders.“

© Misereor / Luisa Dörr
© Misereor / Luisa Dörr

Spenden für Misereor

Militärbischof Overbeck hat dazu aufgerufen, die Fastenaktion des Hilfswerks Misereor mit Spenden zu unterstützen. „Was wir während der Corona-Pandemie in unserem Alltag erleben, gilt auch weltweit: Wir brauchen den sozialen Zusammenhalt“, heißt es im Aufruf der deutschen Bischöfe zur Fastenaktion.

Die Kollekte in den katholischen Gottesdiensten am 5. Fastensonntag (21. März 2021) ist für das Hilfswerk Misereor bestimmt. Unter diesem Link kann man auch online spenden. 

Misereor unterstützt soziale Projekte in Lateinamerika, Afrika und Asien. In diesem Jahr ist Bolivien Beispielland der Fastenaktion. Der Journalist Joachim Heinz hat mit Projektpartnern von Misereor in Bolivien gesprochen. Seine Reportage zeichnet ein Bild von der Situation der Bevölkerung des Landes: 


Von Katastrophen und Hoffnung

Von Joachim Heinz (KNA)

Als "Andenstaat" wird Bolivien gern bezeichnet. Tatsächlich bestehen zwei Drittel Boliviens aus Tiefland. Speziell auf diese Region lenkt das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor den Blick in seiner neuen Fastenaktion

Aachen/La Paz (KNA). Der Regenwald leidet. In der immergrünen Decke des Urwalds im Amazonasbecken von Bolivien klaffen Wunden. Kleine und große, manchmal riesige Rodungen, die den Blick auf das ungeschützte braune Erdreich freigeben. Wenn der Jurist Miguel Vargas erklären will, wie es dazu kommt, zeigt er eine Karte mit vielen roten Flecken. Jeder einzelne steht für einen Waldbrand. Die allermeisten davon wurden bewusst gelegt, um Platz zu schaffen für die Ausweitung der extensiven Viehzucht und den Anbau von genmanipulierten Sojapflanzen für den Export nach Europa.

Allein zwischen Juli und Oktober 2019 verbrannten sechs Millionen Hektar Fläche, davon mehr als zwei Millionen Hektar Wald. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es drei Millionen Hektar. Die Umweltschützer vom WWF warnen: Bleibt das Tempo bestehen, gehen bis 2030 mehr als ein Viertel des Regenwaldes verloren. Damit wäre ein Punkt erreicht, ab dem die Zerstörung des Regenwaldes unumkehrbar wäre.

Regenwald beeinflusst Klima auf der Erde

Von einer Katastrophe spricht Vargas. Schon jetzt sind die Folgen gravierend, sowohl für die Lebensgrundlagen der Bewohner des Regenwaldes als auch für die Menschen in den anderen Landesteilen Boliviens, die unter immer stärkerem Wassermangel und Extremwettererscheinungen leiden. So wird die Landwirtschaft im Hochland Boliviens zunehmend schwieriger, was die Familien zwingt, ihre Gemeinden zu verlassen und in die großen Städte zu ziehen. Der Urbanisierungsgrad liegt in Bolivien inzwischen bei 70 Prozent.

Die Sorge um die die Zukunft dieser Menschen und die für das Weltklima enorm wichtigen Waldbestände ist ein Grund, weswegen das katholische Hilfswerk Misereor Bolivien als Beispielland seiner diesjährigen Fastenaktion ausgewählt hat.

Miguel Vargas ist der Direktor von CEJIS, einem der Partner von Misereor in Bolivien. Die Nichtregierungsorganisation unterstützt indigene Gemeinschaften im Amazonasbecken bei der Wahrung ihrer Rechte. Das südamerikanische Land wird gern als "Andenstaat" bezeichnet. Dabei gehören etwa zwei Drittel der Landesfläche zum Tiefland.

Export von Rohstoffen reicht nicht

Vereinfacht lässt sich das Territorium als eine Art riesige Treppe beschreiben: auf das Tiefland mit Regenwald und Savanne folgt eine Stufe mit gemäßigtem Klima und ebenfalls reicher Vegetation in Höhen von 2.000 bis 2.500 Metern. Schließlich, als dritte Stufe, die Hochebene des Altiplano mit Städten wie La Paz auf knapp 4.000 Metern bis hin zu den 6.000er-Gipfeln der Anden.

Gletscher, Steppen, Dschungel - nicht umsonst gilt Bolivien als "Mosaik der Erde". Unter diesem Mosaik lagern trotz teilweise jahrhundertelanger Ausbeutung, die unter der spanischen Kolonialherrschaft begann, immer noch bedeutende Bodenschätze, wie etwa das für Akkus wertvolle Lithium im Salzsee von Uyuni. Einige Vorräte, Erdgas zum Beispiel, gehen allerdings zur Neige. Der Verfall der Rohstoffpreise erhöht den wirtschaftlichen Druck auf ein Land, das fast ausschließlich vom Export von Rohstoffen lebt und bisher kaum weiterverarbeitende Industrie aufbauen konnte.

Indigene sind schutzlos

Die Politik setzt deswegen verstärkt auf Einkünfte aus dem Agrarsektor. Ähnlich wie im Nachbarland Brasilien werden für die landwirtschaftliche Nutzung immer größere Regenwaldflächen ausgewiesen, wobei die Behörden auch vor den Schutzgebieten der Indigenen nicht haltmachen - ohne diese in die entsprechende Entscheidungen mit einzubeziehen, wie Jurist Vargas berichtet. Dabei sei ihnen mit der Verfassung von 2009 das klare Recht auf Mitbestimmung zugesprochen worden.

Seither ist Bolivien ein "plurinationaler Staat" - allerdings in erster Linie auf dem Papier, wie der Vorsitzende der Bolivianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ricardo Ernesto Centellas Guzman in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt. "In der Praxis besteht die soziale Ungleichheit weiter und ist teils stark ausgeprägt."

Gegenentwürfe zum Raubbau an der Natur

Anders ausgedrückt. Auch die Gesellschaft Boliviens lässt sich wie eine Treppe darstellen - mit einem schmalen Podest, auf dem einige wenige Reiche stehen. Und wo viele Indigene nicht einmal bis zur untersten Stufe vorgelassen werden. Trotz aller nicht zu verleugnenden Fortschritte in den vergangenen 15 Jahren bleiben sie in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht benachteiligt.

Unterdessen versucht die Caritas von Reyes, ein weiterer Projektpartner von Misereor, im Nordosten von Bolivien kleinbäuerliche und indigene Familien bei der Anwendung neuer Methoden für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes zu unterstützen, statt ihn wie bisher brandzuroden.

Die Misereor-Partner stoßen bei den Menschen vor Ort auf große Offenheit. "Die Berge, die Flüsse, die Lagunen, die Bäche, die Tiere und die Pflanzen sind für uns wie Geschwister", sagt einer von ihnen, Juan Carlos Semo. "Ich darf ihnen keinen Schaden zufügen, denn das wäre, als würde ich mir selbst Schaden zufügen." Ein Gegenentwurf zum Raubbau an der Natur. Und beispielhaft für das Motto der diesjährigen Misereor-Aktion: "Es geht! Anders."

Nachrichtenarchiv