Durch Kämpfen Frieden stiften wollen

Militärbischof Franz-Josef Overbeck bei seinem Vortrag in der Katholischen Akademie zu Berlin © KS / Norbert Stäblein
Militärbischof Franz-Josef Overbeck bei seinem Vortrag in der Katholischen Akademie zu Berlin © KS / Norbert Stäblein

Militärbischof Overbeck über Legitimität von Gewalt

Schon die Einführung von Joachim Hake, dem Direktor der Katholischen Akademie in Berlin, zum Vortrag des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr war bezeichnend: „Deine Aussagen in der Öffentlichkeit gelten als klar, durchdacht und schnörkellos“. Bischof Franz-Josef Overbeck bestätigte das umgehend in seinem Vortrag „Friedensethik und Militärseelsorge“.

Bischof Overbecks Vortrag war eingebettet in die Tagung „Seele und Moral der Truppe – Militärseelsorge in schwierigen Zeiten“. Nach einer kurzen Einleitung sprach er die Verantwortung von Christen und die kritische Sicht des Christseins an. „Viele der Zerrbilder vom westlichen Werteverfall, die das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill nutzt, um den Angriffskrieg auf die Ukraine zu rechtfertigen, werden auch in unserer Kirche gepflegt“, führte er aus. „Als Christinnen und Christen, die wir für eine freiheitsbasierte Werteordnung eintreten, müssen wir solchen Versuchen in einer Ökumene des Friedens widersprechen. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und Solidarität zu üben“, verdeutlichte Bischof Overbeck.

„Friedensfähige Menschen“ als Ziel

Die Gedanken Overbecks hatten auch das Publikum beeindruckt. Ein Gast fragte in der anschließenden Diskussion, ob es eine Aufgabe der Militärseelsorge sein könne, denjenigen in der Kirche, die desorientiert seien zu helfen. Der Militärbischof gab zu bedenken, dass es das Ziel aller Anstrengungen als Christ sein müsse, darauf hinzuwirken, dass alle friedensfähige Menschen werden.

Als Militärbischof leitete er zum friedensethischen Ansatz und dessen Konflikte für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr über. „Es mag paradox klingen, aber ein gerecht handelnder Soldat muss durch sein Kämpfen Frieden stiften wollen. So kann es sein, dass ein Soldat Gewalt anwenden muss, um Frieden zu stiften, womit eine unzweifelbare Tragik verbunden ist. Das ist eine schwere Bürde für alle Verantwortungsträger, aber auch für die konkreten Soldaten“. 

Militärseelsorge als Hilfe zur Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit

Bischof Overbeck fuhr mit Ausführungen zum Selbstverteidigungsrecht und der Anwendung von Gewalt fort. „Wer bezeugt, Gott zu lieben, der muss unbedingt auch die Nächsten lieben! Davon gibt es keine Ausnahme“. Unabhängig vom soldatischen Dienst oder von der zivilen Gesellschaft verdeutlichte er anhand der Bergpredigt, wie weit Menschen bereit sein sollten zu gehen, „nämlich bis zur Selbstverleugnung, um die Chance zu ergreifen, Feindschaft zu überwinden und neuen Frieden zu stiften“.

Wie schwierig das sei, zeigte Militärbischof Overbeck, indem er sich zunächst selbst mit seiner Aussage… „In der ersten Woche des Ukrainekrieges habe ich gesagt, dass man im Angriff die ,Fratze des Bösen´ sehen kann“ zitierte. Er schloss an, dass es das Böse nicht gebe, aber eine Macht existiere, „die Menschen so beherrschen kann, dass sie alles zerstören und sich auch noch ideologisch dazu gesandt wissen“. Was das im soldatischen Umfeld bedeutet, erklärte Bischof Overbeck: „Die Militärseelsorge will sehr klare, durch den Glauben bestimmte und durch das Evangelium geformte wertbestimmte Ziele verkündigen zu leben und den Menschen nahezubringen, um sie auf dem Weg der persönlichen Lebens- und Glaubensgeschichte zu begleiten“. Er detaillierte, dass es um Hilfe zur Entwicklung der eigenständigen Persönlichkeit, also geistliche Führung genauso ginge wie um die Beantwortung von Fragen ethisch fundierter und reflektierter Wege der Entscheidungsfindung.

Frieden ist abhängig von Gerechtigkeit

In der Aussprache danach kam das Dilemma des Friedensbegriffs noch einmal auf. Mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine fragte ein Teilnehmer, ob der Begriff „Gerechter Frieden“ in diesem Zusammenhang nicht in die Irre führe. Bischof Overbeck entgegnete, dass der Begriff verharmlosend sei. Es ginge darum, wie eine Auseinandersetzung enden könne. Deshalb sei dieser Begriff als Hilfskonstrukt zu benutzen. Ziel sei, „Friede ist ein Werk der Gerechtigkeit“, zitierte er den Propheten Jesaja. 

Aber ebenso gehörten „die Liturgie und das Gebet, der Gottesdienst wie auch die Katechese zur Begleitung der Persönlichkeitsentwicklung von Soldatinnen und Soldaten durch die Militärseelsorge“. Dies sei umso bedeutender, als er feststellte: „Viele von Ihnen treibt die seelisch belastende Frage um, welche Szenarien drohen, sollte der Konflikt eskalieren und in Folge eines Angriffs auf ein NATO-Mitglied der Bündnisfall ausgerufen werden“. Deutlich stellte Overbeck als Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr klar: „Die Militärseelsorge steht stets an ihrer Seite! Die Seelsorgerinnen und Seelsorger bieten … immer eine Möglichkeit zum Gespräch, … vertraulich und unabhängig von der Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung. Wo die Soldatinnen und Soldaten sind, da sind wir!“

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