"Das gemeinsame Ziel ist das Wohl der Soldaten"

Militärbischof Overbeck im Gespräch mit Soldaten © KS / Doreen Bierdel
Militärbischof Overbeck im Gespräch mit Soldaten © KS / Doreen Bierdel

Militärbischof erhofft von Kramp-Karrenbauer christliches Ethos

Von Alexander Riedel (KNA)

Berlin (KNA). Seelsorge im In- und Ausland, ethische Konflikte, Auf- und Abrüstungsbemühungen: Ein Militärbischof hat mit vielen Themen zu tun. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck über seine Erwartungen an die neue Verteidigungsministerin, Denuklearisierung und die Verlässlichkeit Deutschlands.

KNA: Bischof Overbeck, seit wenigen Wochen hat Deutschland eine neue Verteidigungsministerin, die Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken ist. Was erwarten Sie von Annegret Kramp-Karrenbauer?

Overbeck: Wir werden auf denselben Ebenen gut, konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten wie mit ihrer Vorgängerin und ihren Vorgängern. Das Ziel unserer gemeinsamen Arbeit ist vor allem das Wohl der Soldaten. Frau Kramp-Karrenbauer wird ebenso Wert darauf legen, dass sie gut begleitet werden - auch mit Blick auf die Seelsorge. Als bekennende Katholikin wird sich die Ministerin klar mit einem bewusst christlichen Ethos in ihr Amt einbringen. Zugleich muss sie aber auch die Frage lösen, wie sich eine Begleitung von jüdischer oder muslimischer Seite in die Bundeswehr integrieren lässt.

KNA: Wie könnte das aussehen?

Overbeck: Es ist selbstverständlich, dass die Begleitung der Soldaten auf Grundlage der Religionsfreiheit sichergestellt wird. Ein Religionsunterricht ist weder angesagt noch erlaubt. Jüdische Militärrabbiner und muslimische Militärimame müssten mit den gleichen Perspektiven und auf dem gleichen Niveau tätig werden wie die evangelischen und katholischen Militärseelsorger. Es gibt unter den derzeit rund 180.000 Soldaten etwa 90.000 Christen. Jüdische Soldaten gibt es nur wenige Hundert und um die 3.000 muslimische Soldaten. Das wird eine viel kleinere Zahl an Geistlichen nach sich ziehen, die diesen Dienst leisten können müssen.

KNA: Einer der ersten Vorstöße der Ministerin war es, die Bundeswehr sichtbarer zu machen, unter anderem durch öffentliche Gelöbnisse vor dem Bundestag und in den Bundesländern. Halten Sie das für sinnvoll?

Overbeck: Die Soldaten tun ihren Dienst für das Wohl der Gesamtgesellschaft des Staates aber auch der Weltgemeinschaft. Wir brauchen nur zu sehen, wo sie überall eingesetzt sind. Da es sich um einen öffentlichen und auf das Wohl der Menschen ausgerichteten Dienst am Frieden handelt, gehört er natürlich auch in den öffentlichen Raum.

KNA: Die deutschen Etats für Verteidigung und Entwicklung werden auch international als zu niedrig kritisiert. Wo liegt Ihre Priorität?

Overbeck: Politik muss im weitesten Sinne des Wortes einem Leben in Frieden dienen. Das gilt für Militär- genauso wie für Entwicklungspolitik und ist eine hochkomplexe, zusammen zu bewältigende Aufgabe. Das muss man priorisieren angesichts der Umstände in den Krisen- und Entwicklungsländern und angesichts der Formen der Zusammenarbeit mit anderen. Ich halte sehr viel von internationaler Verlässlichkeit im Sinne von Recht und Gesetz und Gerechtigkeit. Wenn andere sich entsprechend einbringen, kann man sich ja auf die ein oder andere Aufgabe konzentrieren. Nicht jeder soll alles machen. Das ist in der Regel eine Überforderung. Da kann man besser auf eine Zusammenarbeit um des Friedens willen setzen.

KNA: Stichwort internationale Verlässlichkeit: Lange Zeit galt der INF-Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen, nun ist er Geschichte. Was könnte Deutschland beitragen, um dem Ziel der Denuklearisierung dennoch näher zu kommen?

Overbeck: Wir müssen uns immer wieder für dieses Ziel einsetzen. Papst Franziskus weist ja schon lange mit deutlicher Klarheit darauf hin, wie unethisch die Bedrohung durch Atomwaffen und erst recht die Benutzung dergleichen sind. Das ist zweifelsfrei so. Von daher gesehen ist es Aufgabe aller Staaten - und damit auch von Deutschland und Europa, sich dafür einzusetzen. Für uns als Kirche ist das überhaupt keine Frage.

KNA: Welche konkreten Schritte sollte Deutschland unternehmen? Auch hierzulande gibt es stationierte Atomwaffen der USA ...

Overbeck: Die gibt es ja schon lange. Deutschlands Souveränität wird vom Bündnis getragen. Das gilt für viele Länder. Da wir in Zusammenhängen leben, muss man diese Sicherheitsinteressen auf der einen Seite sehen, auf der anderen Seite aber nicht müde werden, dafür zu werben, dass die Atombewaffnung im Ganzen abnimmt.

KNA: Ein anderer Aspekt der internationalen Verlässlichkeit sind Rüstungsexporte. Da waren auch Bündnispartner Deutschlands etwa vom Exportstopp an Länder, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, nicht gerade amüsiert.

Overbeck: Auch da muss man sagen, dass natürlich die Herausforderungen riesig sind und sich nicht eine einfache ethische Linie ziehen lässt, wann es gut ist und wann böse. Auf der einen Seite geht es darum, in hochkonfliktiven Situationen für möglichst viel Frieden zu sorgen. So heißt es ja auch für den Dienst der Soldaten, dass sie in der Lage sein müssen, Gewalt anzuwenden und sich zu wehren, um andere Gewalt zu beenden, aber niemals Gewalt von sich aus anwenden dürfen, die nicht genau diesem Ziel dient. Ähnlich ist es bei den Rüstungsexporten. Ich würde ethisch immer darauf antworten, und das ist ja auch die Aufgabe der Kirche: Man muss wissen und abwägen, welches Unheil mit diesen Gütern geschehen kann.

KNA: Auch bewaffnete Drohnen oder automatisierte Waffensysteme sind ethisch hochumstritten. Sollte man die nicht international ächten?

Overbeck: Die Frage ist, wie diese Waffen von wem bedient werden, und unter welchen Kriterien des Gewissens? Weil es ja darum gehen muss, Menschen zu schützen, und sie nicht einfach sinnlos der Verletzung oder gar dem Tod auszusetzen oder gleichsam sie hinzurichten oder zu ermorden. Das ist die eine Seite der Medaille solcher Systeme, wo man sicherlich gut beraten ist, so weit als möglich darauf zu verzichten. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass das, was möglich ist in diesem Bereich, auch getan wird. Deswegen kann ich nicht einfach auf einer generalethischen Option beharren, gerade nicht als Militärbischof, wenn ich weiß, was Soldaten zu leisten haben und vor welchen Gefahren sie stehen. Die hohen ethischen Herausforderungen an diejenigen, die diese Instrumentarien bedienen, wachsen ständig - genauso wie die Verpflichtung der Kirche, sich klar dazu zu verhalten, damit möglichst wenig Unheil entsteht.

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