"Als Heiliger gestorben"

Franz Jägerstätter (Aufnahme-Datum und -Ort unbekannt) © KNA. Alle Rechte vorbehalten
Franz Jägerstätter (Aufnahme-Datum und -Ort unbekannt) © KNA. Alle Rechte vorbehalten

Vor 75 Jahren wurde Franz Jägerstätter in Brandenburg enthauptet. Weil er den Kriegsdienst verweigerte, ließ das NS-Regime den oberösterreichischen Bauern hinrichten. Seit 2007 verehrt ihn die Kirche als Seligen.

Von allen Märtyrern der NS-Zeit ist er vielleicht die provozierendste Gestalt: Er war kein Intellektueller, gehörte keiner Widerstandsgruppe oder Organisation an, sondern war ein einfacher Mann, der seinem Gewissen folgte. Von Anfang an durchschaute Franz Jägerstätter den Nationalsozialismus als "gottlose Macht". Wenn ein Bauer aus Sankt Radegund bei Linz in Oberösterreich dazu in der Lage war – das ist die Provokation –, warum haben dann die Gebildeten und sozial Höherstehenden diese Klarsicht und Konsequenz vermissen lassen? Jägerstätter, der am 20. Mai 1907 als Franz Huber geboren wurde, war vielen Zeitgenossen ein Ärgernis. Vor 75 Jahren, am 9. August 1943, wurde er hingerichtet. 

Der aus einfachsten Verhältnissen stammende Jägerstätter hat in den vergangenen Jahrzehnten viele durch seine Geradlinigkeit fasziniert – auch wenn sein Leben keineswegs bruchlos auf die Kriegsdienstverweigerung 1943 und das darauf folgende Todesurteil hinauslief. Der junge Franz, der von seinem Adoptivvater Heinrich Jägerstätter den Hof erbte, galt als lebenslustiger, mitunter auch jähzorniger Mensch. Er besaß als erster im Dorf ein Motorrad und hatte eine uneheliche Tochter. 

Nach einem Bekehrungserlebnis denkt er über den Eintritt ins Kloster nach, doch sein Ortspfarrer rät ihm ab. 1936 heiratet er Franziska Schwaninger, mit der er drei weitere Töchter hat und die ihm zugleich zur "geistlichen Lebensbegleiterin" wird. Sie regt ihn zum gemeinsamen Beten und Bibellesen an, und er übernimmt in seinem Dorf die Aufgabe des Küsters. Am 10. April 1938 stimmt er als einziger in Sankt Radegund gegen den "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich. 

1940/41 ist Jägerstätter noch bereit, als Kraftfahrer in der Wehrmacht zu dienen, doch nach seiner Entlassung – er wird vom Bürgermeister als "unabkömmlich" auf den Hof zurückgeholt – steht für ihn fest, dass er einer weiteren Einberufung nicht Folge leisten würde. Als es zwei Jahre später soweit ist, erklärt er in der Kaserne in Enns, dass er gegen sein religiöses Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfte. Von seinem intensiven Ringen mit dieser Frage, auch seinen Selbstzweifeln, zeugen seine Aufzeichnungen in drei Schreibheften und seine Briefe. 

Verwandte und Freunde, auch mehrere Geistliche sowie der Linzer Bischof Joseph Fließer, den er um Rat fragte, hatten vergeblich versucht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Nur seine Frau stärkte ihm den Rücken. 

Verurteilung und Hinrichtung 

Pfarrer Heinrich Kreuzberg, der ihn im Gefängnis in Berlin-Tegel besuchte, berichtete in einem Brief an Franziska Jägerstätter, wie erfreut und erleichtert ihr Mann gewesen sei, als er ihm von dem österreichischen Pallottinerpater Franz Reinisch erzählte, der den Kriegsdienst mit derselben Begründung verweigert hatte. Am 6. Juli verurteilte das Reichskriegsgericht in Berlin Jägerstätter wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode, ohne auf seine erklärte Bereitschaft zum Sanitätsdienst einzugehen. Am 9. August 1943 wurde er in Brandenburg enthauptet. Dechant Albert Jochmann, der ihn auf seinem letzten Weg begleitete, sagte über Jägerstätter: "Er hat als Heiliger gelebt und ist als Heiliger gestorben." 

Bis sich diese Einschätzung durchsetzte, war es freilich noch ein weiter Weg. Zunächst wurde Jägerstätter nach 1945 in Österreich nicht einmal als Opfer des politischen Widerstands anerkannt. Witwe Franziska bekam erst 1950 eine Witwenrente nach dem österreichischen Kriegsopfer-Fürsorgegesetz. 1964 legte der Amerikaner Gordon C. Zahn eine erste Biografie Jägerstätters vor, die ihn international bekannt machte. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) verwies Erzbischof Thomas D. Roberts ausdrücklich auf Jägerstätters Gewissensentscheidung. 

Erst 1997 wurde der Seligsprechungsprozess offiziell eröffnet. Am 1. Juni 2007 bestätigte Papst Benedikt XVI. das Martyrium, am 26. Oktober 2007 fand die Seligsprechung im Linzer Mariendom statt. Als Gedenktag wurde der 21. Mai festgesetzt. Beim Festgottesdienstes trug Franziska, die sechs Jahre später kurz nach ihrem 100 Geburtstag starb, eine Reliquie ihres Mannes zum Altar. 

Weltweite Verehrung 

Kirchen, in denen eine Reliquie Jägerstätters aufbewahrt wird, gibt es nur wenige. Der Grund dafür: Seine Leiche wurde nach der Hinrichtung im August 1943 verbrannt. Der Urne, die in Jägerstätters Heimatort St. Radegund beigesetzt ist, konnten noch einige wenige Knochensplitter entnommen werden – zunächst kurz nach Kriegsende, dann noch einmal vor der Seligsprechung im Jahr 2007. "Wir haben viele Anfragen auch aus dem asiatischen Raum", heißt es aus der Diözese Linz, wo die Jägerstätter-Reliquien verwahrt sind. In der Regel würden derartige Anträge abgelehnt. Außer im Linzer Mariendom befänden sich dennoch Jägerstätter-Reliquien im Kardinal-König-Haus in Wien und in einer Pfarre in Tansania, Afrika, die durch den Kolping-Verband dorthin gelangten. 

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