Keine Schablone für soldatische Entscheidungen

Führungsakademie der Bundeswehr und Feindesliebe

Hamburg. Der Katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck nutzte seinen Truppenbesuch an der Führungsakademie in Hamburg, um vor Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmern der General- und Admiralstabsausbildung sowie vor Stammpersonal über die Paradoxien und Dilemmata im Soldatenberuf zu diskutieren. 

Feindesliebe und soldatische Entscheidungen

„Es geht in der Feindesliebe nicht darum, die Feindschaft des anderen anzunehmen oder gar zu lieben. Vielmehr dürfen wir uns gegen sie zur Wehr setzen“. Gerade bei den angehenden zukünftigen militärischen Führern mit ihrer Verantwortung für sich selbst, für ihre Untergegebenen und in der Gesellschaft könnte das ein herausforderndes Thema sein. Mit Bezug zur Bergpredigt sagte Bischof Overbeck, dass die „Sollethik und eine damit verbundene Tugendethik ... keine fertige Schablone (ist), die sich einfachhin auf jede neue Frage und konkrete Situation anlegen ließe, um zu einer Lösung zu gelangen“. Es gehe immer um eine Einzelfallanalyse.
 

Entschluss immer prüfen

So fragte ein Lehrgangsteilnehmer, ob es nicht sinnvoll wäre, „konkret an der Seite der Ukraine zu kämpfen“? Bischof Overbeck gab dazu zu bedenken, dass, wie in seiner Ansprache ausgeführt, „jede Entscheidung immer über deren Folgen im Zusammenhang mit der Ausübung von Gewalt, Gegengewalt und dem Weg aus der Gewaltanwendung heraus zu überprüfen“ sei. Der Militärbischof ergänzte, er sei „der Überzeugung, dass ein Frieden nur durch Verhandlungen geschaffen werden muss, aber nicht unter den jetzt vorliegenden Gegebenheiten“.

Urteilsfindung unter Stress

Für die Zuhörenden an der Führungsakademie war der Vortrag sozusagen „schwere Kost“. Als zukünftige Entscheider, die eventuell ihr eigenes und das Leben anderer einsetzen müssen, die über den Einsatz von Gewalt zur Beendigung Gewalt auf der Grundlage von Menschenrechten und der christlichen Gewaltlosigkeit befehlen werden, sind diese Betrachtungen in jeden Führungsprozess eingebunden. „… insbesondere im Einsatz und unter Zeitdruck, dort, wo also Normen zu oft kollidieren und Imperative ausbleiben, … ist je nach Umständen … eine systematische, analytische und überlegte ethische Urteilsfindung nicht mehr möglich“. Mit dieser Qual müssten die Entscheidungsträger leben.

Soldatische Tugend

Besonders zeige sich diese bei der „Nächstenliebe“. Wer als Soldat tugendhaft im Sinne der Gottes- und Nächstenliebe handele und einen Aggressor stoppe, „handelt nicht aus Hass, sondern aus Nächstenliebe, da er ihn davor bewahrt, weiter Böses zu tun oder gar noch Grauenvolleres anzurichten“. Da die Angehörigen der Streitkräfte die Menschrechte und damit jeden Menschen als einzigartig anerkennen müssten, entstünde daraus eine schwere Last bei jeder Entscheidung für sich selbst, für andere oder gar mit dem Blick auf die Auswirkung für eine Gesellschaft.

Weil die Entscheidungen im Soldatenberuf so schwerwiegend und nahezu tragisch seien, versicherte Bischof Overbeck den Anwesenden in Hamburg: „Wo die Soldatinnen und Soldaten sind, da ist auch die Katholische Militärseelsorge!“. Seelsorge leiste sie in Verbundenheit mit der evangelischen und jüdischen Militärseelsorge und unabhängig Weltanschauung oder Religionszugehörigkeit. 

Universität der Bundeswehr und Katholische Hochschulgemeinde

Der Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr war zwei Tage in Hamburg, um in seinem Bereich der Katholischen Militärseelsorge Menschen in den Dienststellen zu begegnen und Gespräche zu führen. Zunächst kam er mit dem Präsidenten der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr (HSU), Prof. Dr. Klaus B. Beckmann zusammen. An der Universität studieren Soldateninnen und Soldaten im Verlauf ihrer Offizierausbildung. Ein Teil von Ihnen ist in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) organisiert und werden vom katholischen Militärdekan Pater Peter Henrich betreut Im Pater Maximilian-Kolbe-Haus hatte Bischof Overbeck am Abend vor der Führungsakademie zwei junge Leute, davon ein studierender Leutnant gefirmt.
 

Norbert Stäblein
 

 

Vortrag beim Generalstabslehrgang Führungsakademie der Bundeswehr Hamburg, am 4. Juli 2024