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Kolumne der Wehrbeauftragten

Seit September 2020 setzt die neue Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl, die monatlichen Kolumnen der Wehrbeauftragten in der Zeitschrift KOMPASS. Soldat in Welt und Kirche fort.

2024

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

Israel wurde am 7. Oktober 2023 von der islamistischen Terrororganisation Hamas überfallen. Mehr als 1.300 Menschen fielen dem brutalen und menschenverachtenden Angriff zum Opfer. Mehr als 200 wurden verschleppt und entführt. Noch immer befinden sich viele in Geiselhaft. Der Angriff erschütterte die Welt. Er ist aufs Schärfste zu verurteilen. Deutschlands volle Solidarität gilt Israel.

Mich hat der grausame Überfall besonders bestürzt und betroffen gemacht. Nicht nur weil ich Angehörige von Geiseln traf (einige sind mittlerweile zum Glück befreit!) und mich ihr Leid und ihre Pein tief berührt haben, sondern auch, weil ich ein großes Interesse und Herz für Israel und die Region habe.

Als ich noch Bundestagsabgeordnete war, reiste ich fast jährlich nach Israel und in die Palästinensischen Autonomiegebiete. Ich habe Gespräche geführt, Einrichtungen, Vereine und Projekte besucht und mir einen Eindruck von der Lage und den beidseitigen Beziehungen gemacht – stets in der Hoffnung auf Frieden und Stabilität.

Auch als Wehrbeauftragte war ich schon vor Ort. Im September 2022 habe ich mir die Ausbildung deutscher Drohnenpilotinnen und -piloten durch die israelische Luftwaffe auf einer Airbase in der Nähe von Tel Aviv angeschaut. Rund um diesen Besuch war ich im Libanon und auf Zypern und besuchte das Deutsche Einsatzkontingent der Mission UNIFIL. Die Bedeutung dieser Präsenz vor Ort zeigte sich unmittelbar nach dem Überfall vom 7. Oktober, als Zypern zur Basis für deutsche Fallschirmjäger und Spezialkräfte wurde, die sich dort für eine mögliche Rettungsmission bereithielten.

Wie das deutsche (und internationale) Engagement in der Region künftig aussehen wird, ist abhängig von der Lage. Vorerst jedenfalls wird es größer und intensiver. Die Fregatte HESSEN ist im Rahmen einer EU-Mission im Roten Meer, um Handelsschiffe gegen Angriffe der Huthi-Miliz aus dem Jemen zu schützen. Der Besatzung habe ich beim Auslaufen für ihren schwierigen Auftrag alles Gute und viel Soldatenglück gewünscht.

In der aktuellen Lage leistet die Jüdische Militärseelsorge einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und Hintergrund, sorgt für Klarheit und gibt Orientierung – sowohl in der Bundeswehr als auch in der Gesellschaft. Sie informiert über jüdisches Leben. Sie sensibilisiert dafür, was es bedeutet, Jüdin oder Jude zu sein. Und sie leistet jüdischen (wie nicht-jüdischen) Soldatinnen und Soldaten, denen die Situation im Nahen Osten nahegeht, Beistand und Unterstützung. Über dieses Engagement habe ich mich Ende Januar bei einem Besuch der Hamburger Außenstelle des Militärrabbinats informiert. Die Jüdische Militärseelsorge zeigt und hilft, dass Antisemitismus und Israelfeindlichkeit keinen Platz haben – weder in der Bundeswehr noch in unserer Gesellschaft.

Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Und das ist kein bloßer Textbaustein in Kolumnen und Sonntagsreden. Wann immer und wie immer notwendig, aktuell wie zukünftig: Deutschland steht fest an der Seite Israels!

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt. Aus dem „freundlichen Desinteresse“ von einst ist eine „interessierte Freundlichkeit“ geworden. Diese Entwicklung hat im Wesentlichen zwei Gründe.
Zum einen die Corona-Pandemie. Die Bundeswehr war deutschlandweit im Amtshilfe-Dauereinsatz im Kampf gegen das Virus. Zwischenzeitlich waren bis zu 25.000 Soldatinnen und Soldaten in Bereitschaft. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Pandemie ohne die helfenden Hände der Truppe verlaufen wäre.
Zum anderen der Krieg in der Ukraine. Seit der Invasion Russlands hat die Bundeswehr große Mengen an Material an die Ukraine abgegeben, sie bildet ukrainische Kräfte aus – bislang etwa 10.000 – und hat ihre Präsenz an der NATO-Ostflanke erheblich verstärkt. Ausdruck dessen ist auch der Plan, künftig eine komplette Brigade dauerhaft in Litauen zu stationieren.
Durch die Pandemie und den Krieg ist vielen – wieder oder sogar erstmals – bewusst geworden, dass wir die Bundeswehr dringend brauchen für Amtshilfeeinsätze und mehr noch für ihren Kernauftrag: die Landes- und Bündnisverteidigung. Als Wehrbeauftragte freut mich die gestiegene Wahrnehmung und Wertschätzung für die Bundeswehr außerordentlich. Es ist jedoch sehr bitter, dass es für diese erfreuliche Entwicklung solch schreckliche Ereignisse brauchte.
Sinnbildlich dafür, dass das Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft enger geworden ist und warum, ist die Patenschaft von Rottenburg am Neckar mit dem Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen. Während der Corona-Pandemie hat der Verband die Stadt mit seinen Kräften tatkräftig unterstützt, u. a. in Pflegeheimen und beim Aufbau und Betrieb eines Testzentrums. Aus Dankbarkeit für diese Unterstützung war die Idee einer Patenschaft entstanden.
Die Patenschaft soll Wertschätzung für Soldatinnen und Soldaten signalisieren, den Verband im Besonderen und die Bundeswehr im Allgemeinen erfahrbar, sichtbar und ansprechbar machen. Daraus soll auch ein konstruktiver Diskurs zwischen Stadtgesellschaft und Jägerbataillon über die Bundeswehr und ihren Auftrag entstehen. Die Patenschaft verkörpert damit all das, was mit der Bundeswehr als Parlamentsarmee sowie Soldatinnen und Soldaten als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform verbunden ist.
Am 9. Januar wurde die Patenschaftsurkunde bei einem Festakt unterzeichnet. Es war mir eine große Freude und Ehre, von der Stadt zu dieser Feierlichkeit eingeladen worden zu sein. Zumal ich das Jägerbataillon 292 von einem spontanen Truppenbesuch kenne und in bester Erinnerung habe.
Als Wehrbeauftragte wünsche ich mir noch mehr solcher Initiativen. Wenn jede Kommune eine Pateneinheit in der Bundeswehr hätte, wäre das ein fantastisches Zeichen für eine Bundeswehr in der Mitte unserer Gesellschaft.
Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

2023

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

im September war ich fast zwei Wochen in den USA unterwegs, um deutsche Soldatinnen und Soldaten zu besuchen. Insgesamt sind dort rund 800 eingesetzt.
Stationen meines Besuchs waren das Bundeswehrkommando in Reston (Virginia), das Joint Force Command und Allied Command Transformation der NATO in Norfolk (Virginia), die US Naval Academy in Annapolis (Maryland), die Sheppard Air Force Base bei Wichita Falls (Texas) und das Fort Sill bei Oklahoma City (Oklahoma). Auf der Sheppard Air Force Base werden deutsche Pilotinnen und Piloten ausgebildet, in Fort Sill finden Artillerielehrgänge am System Patriot statt. In Reston habe ich an einer Weiterbildungsveranstaltung aller Heeresverbindungsorganisationen teilgenommen. Durch diese vielfältigen Stationen und Begegnungen war es mir möglich, sehr viele deutsche Soldatinnen und Soldaten zu treffen und zu sprechen.
Die Bandbreite des deutschen Engagements hat mich wirklich beeindruckt. Sie ist Ausdruck der engen und guten Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-amerikanischen Streitkräften. Eine Zusammenarbeit, die in diesen von Krisen und Kriegen gezeichneten Zeiten wichtiger denn je ist.
Meinen Besuch habe ich genutzt, um unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren Dienst zu danken. Sie sind „Botschafter“ der Bundeswehr in den USA und verkörpern mit ihrem Engagement die deutsch-amerikanische Freundschaft und Partnerschaft.
Die Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten haben deutlich gemacht, dass der Dienst in den USA und im multinationalen Kontext ganz besonders ist. Viele schätzen die Erfahrung so sehr, dass sie ihre Zeit gerne verlängern oder zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Karriere wiederholen möchten. Gleichzeitig erfordert die Verlegung des Lebensmittelpunkts viel. Vom Umzug über den Atlantik über die Suche bezahlbaren Wohnraums bis hin zur Integration von Kindern in örtliche Schulen und Kitas: Die organisatorischen Vorbereitungen sind umfangreich, die administrativen Hürden mitunter hoch.
Unsere Soldatinnen und Soldaten müssen wissen, wie sie diese Hürden nehmen können und was auf sie finanziell wie organisatorisch zukommt. Dafür sind umfassende und transparente Informationen, pragmatische Unterstützungsleistungen und eine gute Zusammenarbeit der zuständigen militärischen und zivilen Stellen entscheidend. Hier besteht Optimierungspotenzial.
Eine Digitalisierung der Prozesse und Anträge wäre zeitgemäß und eine große Hilfe. Ebenso könnte die Einrichtung eines case managements (CM, Ablaufschemas) sinnvoll sein: Soldatinnen und Soldaten erhalten eine zentrale Ansprechperson, die sie bei allen Fragen durch den gesamten Prozess – vom Umzug bis zur Rückkehr – begleitet.
Viele Soldatinnen und Soldaten berichteten mir von Momenten in ihrem Alltag, in denen fremde Personen ihnen für ihren Dienst dankten. In den USA ist die Wertschätzung für Angehörige der Streitkräfte groß. Auch hierzulande würden sich unsere Soldatinnen und Soldaten sicherlich freuen, im Alltag, zum Beispiel beim Bahnfahren, öfter mal ein „Danke für Ihren Dienst!“ zu hören.
Eine besondere Ehre war für mich, in einer sehr würdevollen Zeremonie am Tag der Deutschen Einheit am Grab des unbekannten Soldaten auf dem US-Nationalfriedhof Arlington einen Kranz niederzulegen. Das war ein wirklich bewegender Moment. Er führte nochmals vor Augen, was es heißt, Soldatin bzw. Soldat zu sein: das Einstehen für Frieden, Freiheit und Demokratie, im Ernstfall mit dem eigenen Leben. Dafür können wir unseren Soldatinnen und Soldaten gar nicht genug danken – bei besonderen Anlässen ebenso wie in alltäglichen Momenten.
Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

es war grandios! Vom 9. bis 16. September fanden unter dem Motto „A Home for Respect“ in Düsseldorf die Invictus Games 2023 statt, zum ersten Mal in Deutschland. 500 Athletinnen und Athleten aus 21 Ländern traten in zehn Disziplinen an. Rund 140.000 Personen, darunter 15.000 Schülerinnen und Schüler, besuchten die Wettkämpfe, feuerten an und unterstützten mit voller Leidenschaft. Es war eine Woche, die von bewegenden Momenten, beeindruckenden Leistungen und sehr viel Respekt und Wertschätzung für die an Körper und Seele verwundeten Soldatinnen und Soldaten geprägt war.

Die Invictus Games sind viel mehr als sportliche Wettkämpfe. Es geht nicht um Medaillen. Die an Körper und Seele verwundeten Soldatinnen und Soldaten kämpfen sich zurück ins Leben. Sie überwinden Hürden, gewinnen Lebensfreude und Selbstbewusstsein, stecken sich Ziele und freuen sich über Erfolge. Bereits die Vorbereitungen auf die Wettkämpfe geben den Soldatinnen und Soldaten Kraft und sind Teil ihrer Rehabilitation. Und besonders schön ist, dass die Familien und Freunde bei den Invictus Games Teil des Teams sind. Dass auch die Angehörigen sich vernetzen, ihre Erfahrungen teilen und sich gegenseitig unterstützen, ist wichtig. Denn sie sind neben den Kameradinnen und Kameraden oft die wichtigste Stütze.

In den ersten Auslandseinsätzen gab es nichts, heute haben wir ein vielfältiges, umfassendes, international vorbildliches Hilfesystem – von niedrigschwelligen Angeboten im Kameradenkreis bis hin zu Therapie und Prävention. Aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Auch dafür boten die Invictus Games viele Foren, Veranstaltungen und Gelegenheiten zum Austausch und um Verbesserungen zu adressieren. Versorgung, Betreuung und Rehabilitation sind zentrale Bausteine, die Krankheit besiegen zu können und den Weg zurück ins Leben zu finden.

Viele individuelle Schicksale wurden durch die Invictus Games sichtbar und ins Rampenlicht geholt. Das Ziel, die Anliegen der Versehrten sichtbar zu machen, hat die Spiele erreicht und viele Menschen bewegt. Jetzt gilt es Respekt, Rückhalt und Wertschätzung weiter in die Gesellschaft zu tragen. Es ist eine gute Idee, einen Veteranentag zu etablieren. Wir können stolz auf unsere Soldatinnen und Soldaten sein und haben ihnen viel zu verdanken.

Die Spiele boten auch einen angemessenen Rahmen für die Vorstellung des Buchs „Über_Leben. Versehrte im Heer zwischen Pflichtgefühl, Angst und Hoffnung“. Ein Buch, das 17 sehr persönliche, ehrliche und schonungslose Beschreibungen von sichtbaren und unsichtbaren Verletzungen und den Folgen versammelt. Es beschreibt, dass sich Symptome oft schleichend bemerkbar machen, einhergehen mit Ängsten, Überforderung, Schlafstörungen, Alkoholsucht und oft erste Hinweise sind, dass etwas nicht stimmt. Bis Hilfe in Anspruch genommen wird, vergehen oft Jahre. Das Buch zeigt, dass es ganz unterschiedliche Schicksale, Entwicklungen und Lebenswege gibt. Es brauchte sehr viel Stärke, die eigene Geschichte zu erzählen, aber sie gibt anderen ein Beispiel und macht vor allem ganz viel Mut. Die Invictus Games in Düsseldorf haben viel Lebensfreude ausgestrahlt, Hoffnung und Zuversicht gegeben, Perspektiven aufgezeigt.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

seit über 20 Jahren leisten Frauen Seite an Seite mit ihren männlichen Kameraden Dienst an der Waffe. Die Bundeswehr hat sich seither ein großes Bewerberinnenfeld erschließen können und die Truppe erfährt eine Bereicherung, denn Frauen bringen andere Fertigkeiten, Perspektiven und Erfahrungen ein. Studien und eigene Erfahrungen zeigen, gemischte Teams sind immer die besten und leistungsstärksten.

Trotz der langen Zeitspanne, die seither vergangen ist, hat die Bundeswehr im Hinblick auf den Frauenanteil ihre selbst gesteckten Ziele noch nicht annährend erreicht. Die für alle Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes zu erfüllende Quote von 15 Prozent liegt aktuell bei 9,5 Prozent. Zwar sieht es im Sanitätsdienst mit aktuell 45,5 Prozent besser aus, aber auch hier ist die gesetzliche Zielvorgabe von 50 Prozent immer noch nicht erzielt, obwohl Frauen bereits seit 1975 im Sanitätsdienst dienen.

Bei jedem Truppenbesuch erhalte ich ungefragt schon zu Beginn die aktuelle Zahl des Frauenanteils am Standort, nicht selten mit gleichzeitiger Begründung für den geringen Anteil: „Das ist hier alles so technisch.“ Diese Begründung halte ich für nicht akzeptabel. Frauen haben bewiesen, dass sie in allen Bereichen, auch in den technischen Verwendungen, „ihre Frau stehen“. Es gehört zu den originären Aufgaben von Vorgesetzten, Potenziale der ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten zu erkennen, in ihren Blick zu nehmen und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese zu fördern. Erfreulicherweise haben viele Vorgesetzte diese Verantwortung erkannt und mit kreativen Ideen erfolgreich Frauen in immer noch männerdominierten technischen Bereichen eingesetzt und gefördert. Das Vorbild dieser Vorgesetzten sollte Schule machen.

Um mehr Frauen für die Bundeswehr als Arbeitgeber zu begeistern, muss sich die Bundeswehr als moderner Arbeitgeber aufstellen. Dazu gehören attraktive Rahmenbedingungen. Soldatinnen wollen sich ohne Bevorzugung und Extras unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen durchsetzen und beweisen. Hier geht es um passende Ausrüstung und Infrastruktur. Wenn es an Selbstverständlichkeiten wie Toiletten und Duschräumen für Frauen und der erforderlichen persönlichen Ausstattung fehlt, so hat das mit Gleichbehandlung zu tun. Soldatinnen verdienen die bestmögliche Ausrüstung – wie Soldaten. Doch auch nach 20 Jahren Frauen in allen Bereichen der Bundeswehr muss ich von Soldatinnen immer noch hören, dass sie Uniformen und Schutzwesten nicht in passenden Größen erhalten. Das kann und darf nicht sein.

Darüber hinaus muss die Bundeswehr für ein diskriminierungsfreies Umfeld sorgen. Vorgesetzte sind fortbleibend gefordert, ein Klima des gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu schaffen, damit sexuelle Übergriffe oder unangebrachte Sprüche ein Tabu bleiben. Erfreulicherweise beobachte ich, dass sich die Streitkräfte mit frauenfeindlichen Verhaltensweisen in den eigenen Reihen zunehmend ernsthaft und intensiv auseinandersetzen und strikte Maßnahmen ergreifen, um dagegen vorzugehen. Durch Eingaben von Soldatinnen weiß ich aber auch, dass viele Soldatinnen nach Erfahrungen mit Mobbing, sexuellen Belästigungen und Diskriminierungen nur noch einen Weg suchen, ihren Dienst vorzeitig zu beenden oder zumindest nicht mehr zu verlängern.

Bewerberinnen und natürlich auch Bewerber sollten vor ihrer Einstellung ein realistisches Bild vom Dienst in der Bundeswehr erhalten. Aktionen wie das Bundeswehr-Camp „Frauen für Frauen“ in Nordhessen, in dem Frauen eine Woche konkret gezeigt wird, was es bedeutet, bei der Bundeswehr zu dienen, sind eine nachahmenswerte Werbung für die Bundeswehr.

Deutlich unterrepräsentiert sind Frauen nach wie vor in Führungspositionen, und zwar selbst im Sanitätsdienst, wo der Frauenanteil seit Jahren sehr hoch ist. Darüber können auch die wenigen, gern mit Vorzeigekarrieren präsentierten Soldatinnen, nicht hinwegtäuschen. Erkennbare Karrierechancen durch Vorbilder sind jedoch wichtig, um Frauen für die Bundeswehr zu interessieren.

Verteidigungsminister Pistorius hat deshalb zu Recht Frauen in den Fokus seiner künftigen Personalwerbung genommen. Mit den Maßnahmen und Regelungen in dem von ihm vorgelegten Entwurf eines Gleichstellungsfortentwicklungsgesetzes wurden erste Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. Dazu gehören die Stärkung der militärischen Gleichstellungsbeauftragten ebenso wie die bevorzugte Berücksichtigung von Bewerbungen von Frauen in den Bereichen, in denen Soldatinnen unterrepräsentiert sind. Zusammen mit geplanten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst sind das wichtige und gute Ansätze, um den Frauenanteil generell und in Führungspositionen im Besonderen zu erhöhen. Das ist ein positives und motivierendes Signal für alle Frauen, die sich für die Bundeswehr interessieren oder bereits in der Truppe dienen.

Über diese ersten Schritte hinaus sind weitere Maßnahmen notwendig. Nicht zuletzt, da der gesetzlich zu erfüllende Frauenanteil in allen Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes von 15 auf 20 Prozent steigen soll. Auch das beabsichtigt Verteidigungsminister Pistorius. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Bundeswehr für Frauen attraktiver zu machen und mehr weiblichen Nachwuchs zu gewinnen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

Verteidigungsminister Pistorius und Generalinspekteur Breuer haben kürzlich verkündet: Deutschland wird seine Präsenz im Baltikum langfristig ausbauen und eine robuste Brigade in Litauen dauerhaft stationieren. Das ist ein starkes Signal Deutschlands an unsere Verbündeten. Wir nehmen unsere internationale Verantwortung an der NATO-Ostflanke wahr und ernst.

Diese Pläne verkörpern all das, was Zeitenwende bedeutet. Es geht hier nicht um ein Forward Command Element oder ein Kontingent in Bataillonsgröße, das im Halbjahresrhythmus rotiert. Es geht um rund 4.000 Soldatinnen und Soldaten, die dauerhaft vor Ort sein werden mit entsprechendem Material – von der Schutzweste bis zum Großgerät.

Das ist die Abkehr vom Kontingent-Denken, das heißt eine auf Monate, mitunter Jahre im Voraus optimierte Einsatzbereitschaft von Verbänden und Einheiten bis hin zu Einzelabstellungen von Hochwertpersonal. Und die Hinwendung zur vollständigen Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit von Großverbänden in all ihren Facetten – personell, materiell, infrastrukturell. Kurzum: Es steht exemplarisch für die Re-Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung als Kernauftrag der Bundeswehr.

Mit der Brigade in Litauen wird die Bundeswehr Neuland betreten. Zumindest in dieser Dimension. Bislang ist das Jägerbataillon 291 im französischen Illkirch-Graffenstaden der einzige Kampfverband der Bundeswehr, der außerhalb Deutschlands stationiert ist.

In den vergangenen Wochen habe ich viel Truppe im Ausland besucht – u. a. das Jägerbataillon 291, das Eurocorps in Straßburg und das Allied Rapid Response Corps im britischen Innsworth. Die Eindrücke und Erfahrungen der dortigen Soldatinnen und Soldaten haben deutlich gemacht: Der Dienst im Ausland ist etwas sehr Besonderes, er berührt und durchdringt alle Lebensbereiche. Von A wie Arbeitsmöglichkeiten für Angehörige über K wie Kitaplätze, S wie Sprachkenntnisse bis hin zu Z wie Zweitwohnsitz.

All diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen und die notwendigen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Die militärische und zivile Infrastruktur muss ertüchtigt und hergerichtet werden: Kasernen, Munitionsdepots und Übungsplätze, Wohnungen, Kitas und Schulen. Vieles hiervon ist von unserem Partner Litauen zu leisten. Doch auch die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium sind gefragt.

Die Stationierung der Brigade muss von A bis Z durchdekliniert werden. Dafür braucht es ein durchdachtes und modernes Stationierungskonzept. Unsere Soldatinnen und Soldaten benötigen Planungssicherheit und gute Bedingungen, wenn sie mit ihren Familien dort stationiert werden. Nur so kann eine hohe Akzeptanz bei unseren Soldatinnen und Soldaten erreicht werden. Nur dann wird die Bereitschaft hoch sein, als Teil dieser Brigade in Litauen zu dienen. Alle offenen Fragen müssen beantwortet werden. Über alle Schritte und Rahmenbedingungen der Stationierung muss gut kommuniziert werden.

Als die Pläne zur Stationierung verkündet wurden, war ich auf Truppenbesuch beim Eurocorps, der Deutsch-Französischen Brigade und dem Jägerbataillon 291. Die Soldatinnen und Soldaten haben die Pläne sehr positiv aufgenommen und begrüßt. Die Stationierung soll beginnen, wenn die militärische und zivile Infrastruktur steht. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass dies Jahre dauern wird. Litauen wird seine „Hausaufgaben“ schnell erledigen, sehr schnell sogar. Und dann muss die Bundeswehr vorbereitet und einsatzbereit sein. Einsatzbereit für ein neues Kapitel in ihrer Geschichte. Denn diese Aufgabe wird die Bundeswehr so nachhaltig verändern und tiefgreifend prägen, wie es die vergangenen 30 Jahre der Auslandseinsätze im Internationalen Krisenmanagement getan haben.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

in den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bei vielen Gelegenheiten einen Einblick gewonnen, wie umfassend und vielfältig die Bundeswehr die Ukraine unterstützt und was das für die Truppe bedeutet.

Zum einen war ich bei Verbänden, die Material für die Ukraine abgegeben haben – „Marder“- und „Leopard“-Panzer, Mehrfach-Raketenwerfer und Panzerhaubitzen, „Patriot“ und Pionierfähigkeiten. Diese Abgabe schmerzt die Truppe sehr. Denn sie selbst ist auf das Material für die eigene Ausbildung und Übungen dringend angewiesen. Und dennoch: In all meinen Gesprächen zeigten sich unsere Soldatinnen und Soldaten überzeugt, dass die Material-Abgabe richtig, wichtig und notwendig ist. Für sie verteidigt die Ukraine nicht nur ihre eigene Freiheit, sondern auch die Freiheit und Sicherheit ganz Europas.

Zum anderen war ich an Standorten, wo ukrainische Soldatinnen und Soldaten an Waffensystemen und in infanteristischen Spezialfertigkeiten ausgebildet werden. Das verlangt von der Truppe viel – personell, materiell und infrastrukturell. Und auch das mitunter zu eigenen Lasten. Wenn Ausbilder gebunden und Truppenübungsplätze belegt sind, bedeutet das nicht zuletzt für unsere Soldatinnen und Soldaten, dass eigene Ausbildungsvorhaben, Lehrgänge und Übungen aufgeschoben werden müssen. Doch: Die Priorisierung der Ukraine- Ausbildung und das Zurückstellen eigener Belange sind für unsere Soldatinnen und Soldaten eine Selbstverständlichkeit. Die Ausbildung wird durchgeführt – zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Das ist nicht Dienst nach Vorschrift, das ist Dienst aus Überzeugung.

Es gibt zahlreiche Verbände, die Material abgeben, ukrainische Kräfte ausbilden und dazu noch im Einsatz gefordert sind, etwa bei der Verstärkung der NATO-Ostflanke. Wie die Truppe diese drei Aufgaben gleichzeitig stemmt, beeindruckt mich sehr. Das ist eine extrem hohe Belastung.

Zumal vor allem die Ausbildungsunterstützung auch mental und emotional sehr fordernd ist. Unsere Soldatinnen und Soldaten wissen: Was sie ihren ukrainischen Kameradinnen und Kameraden vermitteln, ist nicht für irgendein theoretisches Übungsszenario, sondern für den Kampf an der Front. Die Begegnungen und Gespräche mit Ukrainerinnen und Ukrainern führen ihnen sehr eindrücklich vor Augen, was auch ihr Dienst im Ernstfall bedeuten kann. Der Krieg in der Ukraine ist keine drei Flugstunden entfernt. Durch die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten rückt er nochmals näher heran.

Angesichts dieser besonderen Umstände ist es bewundernswert, mit welcher Einstellung, Ernsthaftigkeit und auch Empathie unsere Soldatinnen und Soldaten diese Unterstützung leisten. Diese Professionalität verdient allergrößten Respekt und Anerkennung.

Für unsere Soldatinnen und Soldaten sind vier Aspekte sehr entscheidend: Sie brauchen eine gute Betreuung und Fürsorge während und nach ihrem Einsatz bei der Ausbildungsunterstützung. Sie brauchen Klarheit, wann das Material, das sie abgeben mussten, nachbeschafft wird; im Idealfall muss die Nachbeschaffung mit dem Tag der Abgabe eingeleitet werden. Es dürfen ihnen – durch die Abgabe von Material oder verschobene Lehrgänge – keine Laufbahnnachteile entstehen. Und am allerwichtigsten: Die Ukraine muss den Krieg gewinnen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

es gibt Themen, die auf der ganz großen politischen Bühne spielen, wie die Zeitenwende und das Sondervermögen. Es gibt jedoch auch Themen abseits des Rampenlichts, die unsere Soldatinnen und Soldaten mindestens genau so sehr, wenn nicht gar noch mehr, bewegen. Eines davon: Wohnen in und außerhalb der Kaserne.

Für Unter-25-Jährige besteht eine Unterkunftspflicht. Sie haben Stube, Bett und Nasszelle in der Kaserne. Alle anderen, und das ist die überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten, müssen außerhalb der Kaserne unterkommen. Das macht die Bundeswehr zu einer Pendlerarmee. Wer in Kasernennähe beheimatet ist, pendelt täglich. Bei weiteren Entfernungen wird eine Zweitwohnung in Kasernennähe gesucht und am Wochenende zum Lebensmittelpunkt gependelt. 2019 nahm jede Soldatin und jeder Soldat im Durchschnitt täglich eine Fahrtstrecke von 121 Kilometern zwischen Dienst- und Wohnort auf sich. Das ist beachtlich.

Pendeln ist eine Belastung – sowohl finanziell durch Kosten für Sprit und einen Zweitwohnsitz als auch mental durch Stress und weniger Schlaf. Es gibt eine Vielzahl an Maßnahmen in der Bundeswehr, um diese Belastungen zu reduzieren. Von flexiblen Arbeitsmodellen über Trennungsgeld, kostenfreies Bahnfahren und Pendlerpauschale bis hin zu Belegungsrechten von Wohnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

Diese Unterstützungsleistungen scheinen jedoch immer weniger auszureichen. Steigende Spritpreise machen das Pendeln immer teurer. Bezahlbarer Wohnraum in Kasernennähe ist vielerorts Mangelware. Und das längst nicht mehr nur in Ballungsgebieten und Großstädten wie München, Hamburg, Berlin und Köln/Bonn.

Bei jedem Truppenbesuch sprechen mich Soldatinnen und Soldaten mit entsprechenden Problemen und Herausforderungen an. Sie tragen immer wieder zwei Wünsche an mich heran. Zum einen sollten die existierenden Unterstützungsleistungen den aktuellen Entwicklungen bei Sprit-, Miet- und Energiekosten stärker Rechnung tragen. Zum anderenwürden sehr viele gerne lieber in der Kaserne unterkommen anstatt sich draußen etwas suchen zu müssen.

Beide Anliegen der Soldatinnen und Soldaten unterstütze ich sehr. Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum für Soldatinnen und Soldaten in und außerhalb der Kasernen. Das erfordert dreierlei.

Erstens: Vor allem in Gebieten mit hochpreisigem Wohnraum sollten die Unterstützungsleistungen angehoben werden. Die Preissituation am Wohnungsmarkt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten fundamental geändert. Das muss sich auch in den finanziellen Hilfen widerspiegeln.

Zweitens: Mehr Soldatinnen und Soldaten sollten die Möglichkeit haben, in Kasernen-Nähe eine BImA-Wohnung zu erhalten. Modelle wie Pendler-Wohngemeinschaften könnten attraktiv sein. Das bedeutet mitunter auch, dass mehr bundeseigene Wohnungen gebaut und Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung gestellt werden müssen.

Drittens: Es sollte mehr Stuben in den Kasernen geben – auch für Über-25-Jährige. Doch schon jetzt ist die Anzahl der Unterkünfte auf Kante genäht. Puffer und Reserven gibt es keine. Dabei wäre das mit Blick auf Landes- und Bündnisverteidigung geboten. Bei kurzfristigen Einsätzen, erhöhter Alarmbereitschaft oder umfassenden Übungsvorhaben ist es sinnvoll, mehr Soldatinnen und Soldaten ad hoc und temporär eine Stube bereitstellen zu können.

Auf diese Weise würden die Lasten des Pendelns reduziert, die Rahmenbedingungen für den Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten verbessert und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erhöht. Auch das ist ganz im Schatten des Rampenlichts ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Zeitenwende.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

diesen Monat entscheidet der Deutsche Bundestag über die Zukunft des Bundeswehr-Einsatzes in Mali. Geplant ist, den Einsatz bis Mai 2024 zu beenden. Zwei Mal habe ich unsere Soldatinnen und Soldaten in Mali besucht. Und mein Eindruck vor Ort war: Ein geordneter, strukturierter Abzug im kommenden Jahr ist die richtige Entscheidung – auch im Sinne unserer Soldatinnen und Soldaten.

Der Hauptauftrag der Bundeswehr – die Bereitstellung von Aufklärungsergebnissen für die Vereinten Nationen – ist bereits seit Längerem stark eingeschränkt. Man könnte auch so weit gehen und sagen: Er kann de facto nicht ausgeführt werden. Grund sind Schikanen und Erschwernisse durch die malische Übergangsregierung.

Fluggenehmigungen für die Drohnen Heron und Luna, die Hochwert-Ressource der Bundeswehr für den UN-Einsatz, werden kaum erteilt. Der Bewegungsradius für Patrouillen wird immer wieder eingeschränkt. Eine Zeitlang waren auch Personalrotationen beeinträchtigt. Das IN und OUT deutscher Soldatinnen und Soldaten musste des Öfteren verschoben werden, mitunter sehr kurzfristig. Für die betroffenen Soldatinnen und Soldaten und nicht zuletzt für ihre Familien und Freunde war das eine erhebliche Belastung.

Die Übergangsregierung versichert, dass die Rettungskette von all dem unberührt und stets gewährleistet sein soll. Es ist in doppelter Hinsicht ein Glück, dass sich die Zuverlässigkeit dieser Zusage noch nicht bewahrheiten musste.

Die Machthaber, die nach zwei Putschen seit fast drei Jahren in Mali herrschen, agieren nicht wie ein verlässlicher Partner. Ob sie eine Transition zu Demokratie und Rechtsstaat ermöglichen, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt ihre sehr fragwürdige Kooperation mit russischen Sicherheitskräften, die man als das benennen sollte, was sie sind: Angehörige der Söldner-Gruppe Wagner.

Diese Entwicklungen der letzten Monate und Jahre haben die Fragezeichen hinter dem MINUSMA-Einsatz im Allgemeinen und dem Beitrag der Bundeswehr immer größer werden lassen. Das habe ich auch bei meinem Truppenbesuch Anfang des Jahres sehr deutlich gespürt. Unsere Soldatinnen und Soldaten fragen sich, warum sie in Mali sind und was sie dort bewirken können, wenn sie, zugespitzt formuliert, ihr Camp nicht verlassen können bzw. dürfen. Diese Fragen sind absolut nachvollziehbar. Und Antworten hierauf zu geben, fiel im politischen Berlin zunehmend schwer. Daher ist die Entscheidung eines Abzugs auch konsequent und richtig.

Die Stimmung im Kontingent war bei meinem Besuch dennoch sehr gut. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind hoch professionell und loyal. Sie erfüllen ihre Aufgaben so gut und so weit es ihnen möglich ist. Zudem wird das Kontingent von Oberst Beiser exzellent geführt mit einer offenen Kommunikation und Information, die in solch einer schwierigen Situation wie aktuell wichtiger denn je ist. Und die Rahmenbedingungen und Betreuungsmöglichkeiten im Camp in Gao sind hervorragend.

Beim geplanten Abzug gilt es abzuwägen, ob bestimmte Kräfte und Fähigkeiten, die vor Ort im Grunde nicht mehr gebraucht werden, frühzeitig zurückgeholt werden können. Die Frage stellt sich vor allem bei den Drohnen Heron und Luna. Denn jeder Tag im Einsatz, den sie nicht fliegen, bedeutet einen Fähigkeitsverlust für die Besatzungen, der zurück in Deutschland mit viel Engagement ausgeglichen werden muss.

Es sollte auch eine Lehre aus Afghanistan direkt umgesetzt werden: Frühzeitig sollten Vorkehrungen getroffen werden, um den Ortskräften, die unsere Soldatinnen und Soldaten all die Jahre tatkräftig unterstützt haben, Perspektiven aufzuzeigen.

Nach dem Abzug braucht es eine Bilanz des zehnjährigen Einsatzes. Es muss klar herausgearbeitet werden, was erreicht wurde, welche Fortschritte und Verbesserungen durch die Präsenz der Bundeswehr erzielt wurden. Das ist in erster Linie für unsere Soldatinnen und Soldaten wichtig. Damit sie wissen, dass ihr Einsatz in Mali wirkungsvoll und sinnvoll war.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

die Debatte über einen gesellschaftlichen Pflichtdienst gewinnt deutlich an Fahrt. Die Stimmen mehren sich, die dieser Idee viel abgewinnen können. Darunter Personen aller politischen Parteien, Bundesverteidigungsminister Pistorius und sogar Bundespräsident Steinmeier. Prominenter kann die Unterstützung also nicht sein.

Als ich 2020, kurz nach meiner Amtsübernahme, eine offene Diskussion über das Für und Wider eines Pflichtdiensts anregte, stieß diese Initiative noch auf breite Ablehnung im politischen Berlin. Manche taten es lapidar als Sommerloch- Debatte ab. Das hat sich mittlerweile geändert. Ein wesentlicher Grund ist sicherlich der Krieg in der Ukraine und die fundamental neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur, in der wir uns in Europa nun und auf absehbare Zeit befinden. Von Bürgerinnen und Bürgern sowie Soldatinnen und Soldaten hatte ich bereits 2020 viele positive, unterstützende Reaktionen erhalten.

Alle Befürworterinnen und Befürworter eines gesellschaftlichen Pflichtdiensts sind sich dabei einig: Es geht keineswegs um die Wiedereinführung der alten Wehrpflicht. Die Idee geht weit über Wehrpflicht und Bundeswehr hinaus. Es geht darum, dass sich junge Menschen eine Zeitlang in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft engagieren. Das kann bei der Bundeswehr sein, das kann aber auch in sozialen und karitativen Einrichtungen, in Kunst und Kultur oder im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit sein.

Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer bunter, vielfältiger und individueller geworden. Das bedeutet auch, dass Lebenswelten immer unterschiedlicher und die Berührungspunkte zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Generationen schwächer geworden sind. Ein gesellschaftlicher Pflichtdienst würde dem entgegenwirken. Er würde Menschen zusammenbringen, die sich in ihrem Leben womöglich nie begegnen würden. Das würde den individuellen Erfahrungshorizont erweitern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Ein Gewinn für Individuum und Gesellschaft.

Drei Punkte sind mir in der Debatte besonders wichtig.

Erstens: Es gibt viele Ideen, einen Gesellschaftsdienst so attraktiv zu gestalten, dass möglichst viele junge Menschen sich freiwillig hierzu entscheiden. Von besseren Rahmenbedingungen der bisherigen Angebote wie dem Bundesfreiwilligendienst über kostenfreie ÖPNV-Nutzung bis hin zu Vorteilen beim weiteren Lebensweg, etwa der Suche nach einem Ausbildungs-/Studienplatz. Diese Potenziale sollten gehoben und ausgeschöpft werden, ehe man einen Pflichtdienst einführt.

Zweitens: Ein Pflichtdienst wäre ein starker Eingriff in die Freiheitsrechte junger Menschen und eine Entscheidung von erheblicher gesellschaftlicher Tragweite. Sie sollte daher von der Mitte der Gesellschaft und mit breiter Mehrheit getragen werden. Das könnte eine parteiübergreifende Diskussion und eine Abstimmung ohne Fraktionszwang im Bundestag gewährleisten.

Dieser Prozess könnte durch Bürgerräte begleitet werden. Solche Bürgerräte sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben und sollen bei bestimmten Fragen genutzt werden, um parlamentarische Entscheidungsfindungen zu verbessern. Kaum ein Thema würde sich hierfür besser eignen als ein gesellschaftlicher Pflichtdienst. Zudem geben Bürgerräte die Möglichkeit, dass sich junge Menschen an der Diskussion intensiv beteiligen. Das ist von großer Bedeutung, schließlich sind sie diejenigen, die von einem Pflichtdienst betroffen sind.

Drittens: Ein Pflichtdienst bei der Bundeswehr könnte dazu beitragen, die Bundeswehr noch stärker in unserer Gesellschaft zu verankern. Er dürfte jedoch nicht wie die alte Wehrpflicht aussehen. Darauf wäre die Truppe materiell und infrastrukturell nicht vorbereitet. Das wäre für die Bundeswehr von heute als moderne, hoch professionelle Freiwilligen- und Berufsarmee auch gar nicht zielführend. Und es würde die aktuellen Personalprobleme der Truppe nicht lösen.

Wie eine zeitgemäße Wehrpflicht aussieht, zeigen Schweden oder Norwegen. In beiden Ländern gilt die Wehrpflicht für Frauen wie Männer. In Schweden finden eine breite Ansprache, selektive Musterung und gezielte Einberufung statt – mit einem weiterhin hohen Grad an Freiwilligkeit. In Norwegen werden alle gemustert, jedoch bei Weitem nicht alle eingezogen. Die Devise in beiden Ländern lautet gewissermaßen: Qualität statt Quantität. Hieran könnten wir uns für die Bundeswehr orientieren, sollten wir uns als Gesellschaft zur Einführung eines allgemeinen Pflichtdiensts entscheiden.

Ein gesellschaftlicher Pflichtdienst ist ein kontroverses Thema, das nicht nur Befürworterinnen und Befürworter hat. Und es ist ein Thema, das viele Facetten hat und uns als gesamte Gesellschaft betrifft. Darüber lohnt es sich in all seiner Breite und Vielfalt, mit Sorgfalt und Augenmaß zu diskutieren!

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

im März werde ich den Jahresbericht 2022 vorstellen. Das Jahr 2022 war geprägt durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Dieser Krieg verändert alles – auch für die Bundeswehr. Unsere Soldatinnen und Soldaten spürten das sehr schnell und sehr direkt. Allein die massive und kurzfristige Verstärkung der NATO-Ostflanke erforderte ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit und war ein Vorbote, was die Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung als Kernauftrag für die Truppe bedeutet. Die Auswirkungen dessen im Großen wie im Kleinen zeigt der Jahresbericht an vielen Stellen auf.

Der Jahresbericht ist jedoch weit mehr: Er beleuchtet die Bundeswehr in ihrer ganzen Vielfalt und Bandbreite. Die großen Themen sind Personal, Material und Infrastruktur. Und viele der Mängel in diesen Bereichen sind bereits seit Jahren bekannt. Noch immer sind fast 20.000 Dienstposten oberhalb der Laufbahn der Mannschaften unbesetzt, klagen Soldatinnen und Soldaten über fehlende Ausrüstung bei der Einsatzvorbereitung und sind Kasernen landauf, landab in einem zum Teil desolaten Zustand.

Der Jahresbericht benennt dabei nicht nur Fehler und Versäumnisse. Er zeigt auch, was gut läuft und wo sich etwas getan hat.

In manchen Bereichen ist die Personalgewinnung sehr erfolgreich. Es gibt zahlreiche Ausbildungs- und Verwendungsreihen, die einen Besetzungsgrad von bis zu 100 Prozent aufweisen. Es wird eine App entwickelt, die den gesamten Einkleidungsprozess digitalisiert. Soldatinnen und Soldaten scannen sich mit ihrer eigenen Smartphone-Kamera, bestellen Artikel selbst und bekommen sie direkt geliefert. Unpassende Größen und lange Warteschlangen in den Bekleidungskammern könnten damit der Vergangenheit angehören. In der Knüll-Kaserne im hessischen Schwarzenborn wurden sechs Unterkunftsgebäude errichtet – in weniger als zwei Jahren und als Holzmodulbau. Ein Modell, das Schule machen sollte in Hessen und bundesweit.

Solche Erfolge, Fortschritte und Innovationen aufzuführen, ist mir besonders wichtig. Denn nur von Fehlern und Versäumnissen zu sprechen, wird der Bundeswehr nicht annähernd gerecht.

Unsere Soldatinnen und Soldaten garantieren uns Frieden, Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaat. Sie tun das jeden Tag unter zum Teil sehr schwierigen Rahmenbedingungen. Angesichts dessen sind die hohe Motivation, Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit unserer Soldatinnen und Soldaten nicht selbstverständlich, sondern bemerkenswert. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung, Respekt und Wertschätzung. In diesen ernsten Zeiten mehr denn je.

Obwohl viele der im Jahresbericht aufgeführten Probleme schon lange bekannt sind, hat sich mitunter erschreckend wenig getan. Was der Bundeswehr viele Jahre entgegengebracht wurde, galt möglicherweise auch dem Jahresbericht: freundliches Desinteresse. Die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung der Bundeswehr haben sich seit dem und durch den Krieg in der Ukraine gewaltig gewandelt. Das wäre auch dem Jahresbericht zu wünschen.

Jetzt, mehr denn je, sollte der Jahresbericht Impuls für alle politischen und militärischen Verantwortlichen sein, an den hinlänglich bekannten Problemen zu arbeiten und sie Punkt für Punkt abzuarbeiten. Das würde nicht nur den alltäglichen Dienst für unsere Soldatinnen und Soldaten erheblich erleichtern. Das würde auch wesentlich zur Herstellung der vollständigen Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr beitragen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

am 27. Februar 2022 rief Bundeskanzler Scholz die Zeitenwende aus. Ein Jahr ist seitdem vergangen. Und die Frage ist: Was hat sich für die und in der Bundeswehr seither verändert?

Für unsere Soldatinnen und Soldaten sehr viel. Sie wurden binnen kürzester Zeit zur Verstärkung an die NATO-Ostflanke geschickt. Sie bilden Ukrainerinnen und Ukrainer an der Panzerhaubitze 2000 und in unterschiedlichen Fertigkeiten aus. Und sie geben Material an die Ukraine ab. Viel Material. Material, das sie selbst für Übung und Ausbildung dringend bräuchten. Und sie tun das aus voller Überzeugung.

Auch Politik und Wehrverwaltung haben einiges angestoßen. Mit rechtlichen Änderungen bei der Vergabepraxis und im Beschaffungswesen sollen Beschaffungen beschleunigt werden. Das Sondervermögen ist eingerichtet, die ersten Projekte sind auf dem Weg.

Das ist notwendig und richtig. Nur die Truppe spürt davon bislang wenig. Leider! Ihre Lastenbücher sind im vergangenen Jahr voller geworden, die Bekleidungskammern, Munitionsdepots und Ersatzteillager hingegen nicht. Noch immer berichten mir Soldatinnen und Soldaten, dass sie ohne Schutzwesten in den Einsatz gehen. Das Erstkontingent in der Slowakei musste anfangs private IT nutzen, eine Erstbefähigung durch den Dienstherrn fehlte. Und die 11. Rotation der eFP-Battlegroup (enhanced Forward Presence) in Litauen bekam zwar kurz nach Kriegsausbruch den lang ersehnten Nässe- und Kälteschutz, musste ihn jedoch bei der Rückkehr nach Deutschland wieder abgeben.

Das zeigt:
Ein Jahr nach Ausrufung der Zeitenwende mögen zwar Weichen gestellt sein. Doch bis zum Ziel einer kaltstartfähigen, vollständig einsatzbereiten und gut ausgestatteten Bundeswehr ist es noch ein weiter Weg. Zumal bei Themen wie Personal, Infrastruktur und Munition wegweisende Weichenstellungen weiterhin auf sich warten lassen.

Gewiss:
Was über Jahrzehnte bei der Bundeswehr vernachlässigt, verschleppt und versäumt wurde, lässt sich nicht innerhalb eines Jahres nachholen. Die Erwartungen in der Truppe, in Politik und Gesellschaft dürfen daher nicht überzogen sein. Gleichwohl droht ein erheblicher Vertrauensverlust, allen voran bei unseren Soldatinnen und Soldaten, wenn Erwartungen gänzlich enttäuscht werden.

Aktuell besteht eine einzigartige, womöglich gar einmalige Chance. Selten zuvor war das Interesse an Sicherheits- und Verteidigungspolitik so groß. Selten zuvor gab es einen derart breiten partei- und gesellschaftsübergreifenden Konsens, die Bundeswehr umfassend modernisieren zu müssen. Dass es für diese Einsicht eines schrecklichen Kriegs bedurfte, ist bitter. Dennoch: Dieses Momentum gilt es zu nutzen.

Zumal eine Legislaturperiode nur vier Jahre dauert. Nach dem ersten Jahr des Sortierens ist es im zweiten und dritten Jahr an der Zeit richtig loszulegen. Und diese Zeit ist jetzt.

Von schon länger geplanten Reformen wie der Soldatenarbeitszeitverordnung und der Wehrdisziplinarordnung über weitere Beschaffungsvorhaben aus dem Sondervermögen bis hin zu neuen Personalkonzepten und einer konzertierten Aktion zur Ertüchtigung der Infrastruktur – die Baustellen, Bedarfe und Projekte liegen auf der Hand.

Nun sind alle politisch wie militärisch Verantwortlichen gefragt anzupacken und umzusetzen. Mit Mut, Entschlossenheit und Entscheidungsfreude – sowie Tempo. Denn, auch wenn die Zeitenwende eine Dekaden-Aufgabe ist, darf sie nicht in Zeitlupe vorankommen. Mehr noch: Ob die Zeitenwende gelingt oder nicht, entscheidet sich nicht erst in zehn Jahren, sondern genau jetzt.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

2022

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

für mich ist Halbzeit. Am 7. Mai 2020 wählte der Deutsche Bundestag mich für fünf Jahre zur Wehrbeauftragten. Seit dem 25. Mai 2020 und damit seit rund zweieinhalb Jahren übe ich dieses besondere Amt aus. Und es ist mir Tag für Tag eine große Freude und Ehre, die „Anwältin“ der Soldatinnen und Soldaten zu sein – gerade in diesen schweren und herausfordernden Zeiten. Das liegt vor allem an unseren Soldatinnen und Soldaten. Sie leisten Herausragendes. Ihre Professionalität, Loyalität, Kreativität, ihr Engagement und ihr Einsatz beeindrucken mich bei jedem Truppenbesuch, bei jedem Gespräch.

Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren für die Truppe alles andere als Dienst nach Vorschrift. Die Covid-19-Pandemie mit all ihren Auswirkungen und Einschränkungen, die beispiellosen Amtshilfeeinsätze zur Pandemie-Bekämpfung und Flutschäden-Beseitigung, das Ende des Afghanistan-Einsatzes, die herausfordernden Auslandseinsätze in Mali und im Irak haben von den Einzelnen und der gesamten Bundeswehr viel verlangt. Die Truppe war und ist gefordert wie nie zuvor. Und das alles mit nicht immer guten Rahmenbedingungen: fehlendes Material, zu wenig Personal, veraltete Infrastruktur und unzureichende Digitalisierung erschweren den Dienst ganz erheblich.

Angesichts dessen sind die hohe Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit unserer Soldatinnen und Soldaten nicht selbstverständlich, sondern bemerkenswert.

Auch in den kommenden Jahren wird für die Truppe alles andere als Normalbetrieb auf dem Dienstplan stehen. Denn der Angriff Putins auf die Ukraine verändert alles. Die umgehende und umfassende Verstärkung der NATO-Ostflanke ist lediglich ein Vorbote dessen, was auf unsere Soldatinnen und Soldaten in Zukunft zukommen wird. Veränderte Strukturen und Prozesse, andere Ausbildungen und Übungen, erhöhte Alarmbereitschaften und möglicherweise Einsätze von heute auf morgen – das verbirgt sich hinter Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung, vollständige Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit.

Die ausgerufene Zeitenwende muss sehr ernst genommen werden. Sie ist umfassend zu denken und umzusetzen. Mit einem einmaligen Sondervermögen ist es nicht getan. Und nicht nur die Bundeswehr muss sich verändern. Alle militärisch, politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen sind gefragt. Die Zeitenwende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Diese Aufgabe gehen unsere Soldatinnen und Soldaten mit großer Ernsthaftigkeit an. Ihnen ist bewusst, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss und dass sie immer einsatzbereit sein müssen. Das spüre ich sehr deutlich in meinen Begegnungen und Gesprächen seit dem 24. Februar. Diese Haltung und Herangehensweise sind vorbildlich. Und sie sollte beispielgebend für alle sein, die auch einen Beitrag für eine erfolgreiche Zeitenwende zu leisten haben.

Die Kolumne zur Halbzeit meiner Amtszeit, zum Jahresende und Jahreswechsel möchte ich daher nutzen, von ganzem Herzen DANKE zu sagen. Danke unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren verantwortungsvollen Dienst sowohl in den vergangenen, sehr besonderen Jahren als auch in den künftigen, sehr herausfordernden Jahren.

Ob zuhause im Kreise von Freunden und Familie oder im Einsatz mit Kameradinnen und Kameraden: Ich wünsche allen eine besinnliche Adventszeit, gesegnete Weihnachten und für das neue Jahr alles Gute, viel Gesundheit, Soldatenglück und Gottes Segen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

unsere 183.000 Soldatinnen und Soldaten leisten enorm viel. Sie sind jeden Tag gefordert. Und seit zweieinhalb Jahren sind die Anforderungen an sie außergewöhnlich hoch.

Das begann mit der Covid-19-Pandemie. Hierdurch war alles – Grundbetrieb, Ausbildung, Übung und Einsatz – eingeschränkt und erschwert. Nicht zu vergessen die Amtshilfe während dieser Zeit, die unsere Soldatinnen und Soldaten exzellent ausführten, sie jedoch zusätzlich forderte. Vieles konnte nicht wie geplant stattfinden. Etliche Verbände berichteten mir von Bugwellen bei Ausbildung und Übung, deren Abbau im Normalbetrieb bis zu zwei Jahren dauern würde. Als das Pandemie-Geschehen kontrollierbarer wurde, war an Normalbetrieb und Abbau dieses Rückstaus jedoch nicht zu denken.

Denn zum einen endete der Afghanistan-Einsatz – auf sehr dramatische Art und Weise, die eine beispiellose und hoch anspruchsvolle Evakuierungsoperation erforderte, welche unsere Soldatinnen und Soldaten herausragend ausführten. Zum anderen ereignete sich der 24. Februar 2022. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine verändert(e) alles. Sehr kurzfristig und sehr schnell wurde die NATO-Ostflanke verstärkt, um unsere Partner und Verbündeten zu unterstützen. Die Bundeswehr hat binnen kürzester Zeit ihr Engagement in Litauen, Estland, Rumänien, der Slowakei sowie in der Ostsee massiv ausgebaut.

Bei jedem meiner Truppenbesuche im In- und Ausland spüre ich die Auswirkungen der letzten zweieinhalb Jahre und wie belastet unsere Soldatinnen und Soldaten sind. Es gibt Verbände, die befinden sich in einem gefühlten Dauereinsatz. Sie verlegen von einem Einsatz in den nächsten, führen davor, dazwischen und danach – wann immer es möglich ist – Ausbildungen und Übungen durch. In solchen Verbänden sind nicht selten 20 % der Dienstposten unbesetzt und von den 80 % der besetzten Dienstposten sind mitunter 30 bis 40 % der Soldatinnen und Soldaten nicht vollumfänglich einsatzbereit. Das bedeutet: Immer wieder müssen dieselben ran. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind klasse. Auch unter diesen schwierigen Bedingungen und trotz dieser Belastungen machen sie alles möglich – hoch professionell, kreativ, flexibel, motiviert und engagiert.

Die Anforderungen an die Truppe werden nicht weniger. Im Gegenteil. Mit dem entsetzlichen Krieg in der Ukraine ist die Landes- und Bündnisverteidigung endgültig (wieder) zum Kernauftrag der Bundeswehr geworden. Hierfür gilt es, die volle Einsatzbereitschaft wiederherzustellen und eine Kaltstartfähigkeit zu entwickeln. An dieser Maßgabe muss sich alles – Personal, Material und Infrastruktur, Organisation, Strukturen und Prozesse – orientieren. Das erfordert viele Veränderungen und eine extrem hohe Einsatzbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten, aktuell ebenso wie in absehbarer Zukunft. Allein der deutsche Beitrag zum new force model der NATO, bei dem sich bis zu 30.000 Soldatinnen und Soldaten bereithalten müssen, binnen 30 Tagen einsatzfähig zu sein, wird ihnen sehr viel abverlangen.

Schon jetzt ist die Vereinbarkeit von Familie und Dienst extrem herausfordernd. Schon jetzt kommen Einsatznachbereitungen, Regenerationsphasen, Kuren zu kurz oder fallen runter. Beides ist jedoch absolut wichtig und notwendig für die individuelle Gesundheit, Robustheit und Motivation einer jeden Soldatin und eines jeden Soldaten, ebenso wie für die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit der Truppe insgesamt.

Es erfordert eine enorme Kraftanstrengung und wird ein Balanceakt werden, die aktuellen und absehbaren Anforderungen an unsere Soldatinnen und Soldaten mit Möglichkeiten des Ausgleichs und der Regeneration in Einklang zu bringen. Das muss gelingen. Denn auch Fürsorge und Betreuung sind elementare Bestandteile einer nachhaltigen Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

seit dem Angriff Putins auf die Ukraine wird viel über die Bundeswehr, ihre Aufgaben, Aufstellung und Ausstattung gesprochen. Alle sind sich einig, dass die Landes- und Bündnisverteidigung nun oberste Priorität haben muss. Dafür gilt es, die Einsatzbereitschaft der Truppe zu erhöhen und insbesondere ihre Kaltstartfähigkeit zu verbessern.

Der Deutsche Bundestag hat noch vor der parlamentarischen Sommerpause wichtige Weichen hierfür gestellt, allen voran das 100 Milliarden Euro Sondervermögen eingerichtet und ein Gesetz, das Vergabeverfahren und Beschaffungsprozesse erheblich beschleunigen soll, verabschiedet. Das ist notwendig, um die materielle Ausstattung der Bundeswehr – von der persönlichen Ausrüstung bis zum Großgerät – zu verbessern. Wenn es um Einsatzbereitschaft geht, verengt sich der Blick leider allzu oft auf das Material. Dabei bedeutet Einsatzbereitschaft weit mehr.

Einsatzbereitschaft bedeutet eine personell gut aufgestellte Bundeswehr. Schon heute fehlt es an Personal. Viele Verbände haben keinen personellen Puffer. Bis 2031 soll die Bundeswehr sogar auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten aufwachsen. Geeignetes Personal gewinnen, binden und entwickeln sowie zur richtigen Zeit auf den passenden Dienstposten setzen – das ist eine große Herausforderung und unabdingbar, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dauerhaft und nachhaltig zu erhöhen.

Die zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten brauchen Unterkünfte und Büros, Nasszellen, Truppenküchen und Betreuungseinrichtungen, das neue Gerät erfordert Spinde und Stauräume, Lagerhallen und Schleppdächer. Die neue F-35A wird wenig bringen, wenn sie bei Wind und Wetter unter freiem Himmel stehen muss. Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es nicht. Viele Kasernen sind in keinem guten Zustand. Unter welchen Bedingungen unsere Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst leisten, ist teilweise unzumutbar. Einsatzbereitschaft bedeutet auch eine gute und zeitgemäße Infrastruktur. Hier braucht es eine echte Kraftanstrengung aller beteiligten Stellen und Ebenen, zivil wie militärisch.

Material, Personal und Infrastruktur – dieser Dreiklang ist entscheidend zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft. Es gibt jedoch noch eine weitere Dimension, die es zu berücksichtigen gilt. Soldatinnen und Soldaten müssen auch im Kopf einsatzbereit sein. Sie müssen wissen, wofür sie eintreten, im Ernstfall auch unter Einsatz ihres Lebens. Als überzeugte Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger in Uniform unseren Frieden, unsere Freiheit und Demokratie verteidigen zu wollen – auch das bedeutet Einsatzbereitschaft.

Wer das als weichen, zu vernachlässigenden Faktor ansieht, irrt sich. Und zwar gewaltig. Das zeigt der schreckliche Krieg in der Ukraine. Die ukrainische Armee ist den russischen Streitkräften deutlich unterlegen, was Material, Personal und Infrastruktur angeht. Doch: Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten wissen ganz genau, wofür sie kämpfen – für ihre Freiheit, Selbstständigkeit und Demokratie. Diese innere Überzeugung verleiht ihnen eine völlig andere Kraft und Energie. Sie weckt den Mut, über das normal Erwartbare hinauszugehen, eigene, persönliche Belange hintanzustellen und für das große Ganze einzustehen. Das zeichnet die bisher so tapfere und bemerkenswerte Verteidigungsfähigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer aus.

Innere Überzeugung, geistige Rüstung oder, wie es neuerdings so oft heißt, das richtige Mindset – auch das ist wesentlicher Bestandteil von Einsatzbereitschaft. Und auch das gilt es zu stärken. In diesem Sinne sollten etwa die Grundsätze der Inneren Führung in den Blick genommen, geschärft und weiterentwickelt werden. Es ist gut, dass am Zentrum Innere Führung genau hieran bereits engagiert gearbeitet wird. Denn nur so kann die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr – in all ihren Dimensionen und Facetten – hergestellt werden.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

unsere Gesellschaft wird vielfältiger und bunter. Und das trifft auch auf die Truppe zu. In der Bundeswehr dienen Menschen ganz unterschiedlichen Alters, kultureller Zugehörigkeit, religiösen oder weltanschaulichen Glaubens, sexueller Identität und Orientierung, mit oder ohne Einschränkung.

Die Bundeswehr als „Spiegelbild der Gesellschaft“ ist keine bloße Floskel, sondern Realität. Das ist auch eine wesentliche Erkenntnis der Studie „Bunt in der Bundeswehr?“. Bereits 2020 wurde die Studie vom Streitkräfteamt erstellt, ihre Ergebnisse jetzt endlich veröffentlicht. Ein Grund für die zeitliche Verzögerung mag sein: Die Truppe ist zwar vielfältig und bunt. Doch die Realität ist nicht nur rosig.

Immer noch und immer wieder fühlen sich Angehörige der Bundeswehr aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung oder wegen einer Beeinträchtigung benachteiligt. Besonders betroffen sind Menschen mit diversem Geschlecht sowie Frauen. So gaben 21,1 % der Studienteilnehmerinnen an, innerhalb der vergangenen 24 Monate aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein. Weiterhin sehr verbreitet sind auch stereotype Denkweisen – vor allem in Bezug auf Frauen und Männer. Soldaten wird eine bessere Führungsfähigkeit und eine höhere Leistungsfähigkeit als ihren Kameradinnen zugeschrieben, Soldatinnen hingegen pauschale Vorteile bei der Beförderung und Beurteilung.

Die Bundeswehr hat die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und bekennt sich dazu, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das von Offenheit, Wertschätzung und Gleichberechtigung geprägt ist. Vielfalt wird als Teil der Führungs- und Organisationskultur angesehen.

Dementsprechend wurde in den letzten Jahren viel unternommen, um Diversität zu fördern und Diskriminierungen abzubauen. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht eine Lücke. Das zeigt die Studie.

Darauf weist auch immer wieder QueerBw hin, die vor kurzem 20 Jahre „Geburtstag“ gefeiert haben. Mit viel Engagement setzt sich der Verein für lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, inter- und andersgeschlechtliche Angehörige der Bundeswehr ein. Die Ergebnisse der Studie müssen somit ein Auftrag sein, weitere Maßnahmen, Anstrengungen, Projekte und Initiativen auf den Weg zu bringen, damit aus dem zaghaften „Bunt in der Bundeswehr?“ ein selbstbewusstes „Bunt in der Bundeswehr!“ wird.

Das wird ein langer Weg sein. Leider. Denn überkommene Moralvorstellungen, stereotype Denkweisen und diskriminierende Praktiken sind sehr hartnäckig in der Bundeswehr und in unserer Gesellschaft. Das verdeutlicht auch die Entscheidung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts im Fall von Oberstleutnant Anastasia Biefang.

Dass solch eine Entscheidung im 21. Jahrhundert ergeht, hätte ich nicht für möglich gehalten. Es ist zu bezweifeln, dass das Bundesverwaltungsgericht bei einem gleich gelagerten Fall mit einem cis-heterosexuellen Soldaten in einer offenen Beziehung auf der Suche nach Sex mit Frauen ähnlich entschieden hätte.

Die Entscheidung wirft Fragen auf und wird zu Recht kontrovers diskutiert. Wird hier das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beschnitten? Welche Grenzen gelten für Angehörige der Bundeswehr? Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Das sorgt für Unruhe in der Truppe.

Mich sprechen viele Angehörige der Bundeswehr an, die nun verunsichert sind, wie sie im und außer Dienst, online wie offline, privat wie öffentlich, als Vorgesetzte wie Untergebene aufzutreten haben. Das sind berechtigte Sorgen und Fragen, denen nun schnellstmöglich begegnet werden muss.

Die Truppe braucht von der politischen und militärischen Führung Klarstellung und Kommunikation, Weisungen, Handlungs- und Orientierungshilfen. Ob möglicherweise auch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, müssen die Abgeordneten des Bundestages beraten und entscheiden.

Ich hoffe, dass der Fall zum Bundesverfassungsgericht kommt, damit das höchste deutsche Gericht die offenen juristischen Fragen beantwortet. Und ich hoffe sehr, dass dieses Urteil progressiv und modern ist und der vielfältigen und bunten Realität, die sowohl unsere Gesellschaft als auch unsere Bundeswehr kennzeichnet, entspricht.

Wir alle müssen uns engagieren gegen Diskriminierung, für Vielfalt und Gleichberechtigung – überall und jeden Tag.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

unbesiegbar sein zu wollen, das gehört zur DNA eines Soldaten, einer Soldatin. Und doch schwingt bei jedem Einsatz auch die Sorge mit, vielleicht doch nicht unbezwingbar zu sein, seine Gesundheit zu riskieren, im schlimmsten Fall sogar das eigene Leben. Sich selbst nach einem solchen Schicksal nicht unterkriegen lassen, nicht zuzulassen, dass die Folgen einen in die Knie zwingen – dafür stehen die Invictus Games, die ich jetzt in Den Haag besuchte.

Die Invictus Games haben sich als Sportveranstaltung für kriegsversehrte Soldaten, die von Prinz Harry, Duke of Sussex, ins Leben gerufen wurden, etabliert und fanden vom 16. bis 22. April 2022 zum fünften Mal statt. Verwundete, einsatzgeschädigte, traumatisierte sowie erkrankte aktive und ehemalige Soldatinnen und Soldaten sollen mit den Wettkämpfen eine Öffentlichkeit bekommen. Die Vorbereitung auf die Wettkämpfe und die Teilnahme selbst gehören zur Rehabilitation. In den Niederlanden habe ich sehr bewegende Spiele erlebt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Welt kämpften in zehn Sportarten von Bogenschießen, Diskuswerfen bis hin zu Sitzvolleyball, Schwimmen und Rollstuhlbasketball leidenschaftlich und emotional nicht um Medaillen, sondern um Anerkennung. Sie machten einen großen Schritt für die Rückkehr in Dienst und Alltag, zurück ins Leben.

In vielen Gesprächen mit dem deutschen Team wurde das deutlich. Im Rahmen der Sporttherapie nach Einsatzschädigung wurden die Teilnehmer nicht danach ausgewählt, ob sie Siege erringen könnten, sondern für wen die Teilnahme den größten Erfolg der Rehabilitation verspricht. Den Soldatinnen und Soldaten, die an der Seele oder körperlich verwundet sind, soll dauerhaft die Rückkehr in den und der Verbleib im Dienst ermöglicht werden. Und nicht nur das. Auch die Familie und Freunde sind Teil des Konzepts der Rehabilitation. Sie helfen mit, die Soldatinnen und Soldaten auf ihrem schwierigen Weg zu begleiten. Die Gruppe Sporttherapie der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf leistet hier durch die medizinische, sportwissenschaftliche und psychologische Unterstützung eine hervorragende Arbeit und führt uns vor Augen, welche Kraft der Sport für die individuelle Genesung haben kann. Wie stark der Lebenswille und Lebensmut der Wettkämpferinnen und Wettkämpfer sein kann.

Die Veteranenkultur ist hierzulande nicht so ausgeprägt wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Großbritannien. Erst durch die Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Auslandseinsätzen rückte das Thema bei uns stärker ins Bewusstsein. Ein weit gefasster Veteranenbegriff – jede oder jeder im aktiven Dienst oder Ehemalige zählen dazu – hat einerseits das Ziel, niemanden auszugrenzen, führt andererseits aber dazu, dass sich viele in der Truppe gar nicht angesprochen fühlen. Mit dem Soldatenversorgungsgesetz und dem Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wurden wichtige Verbesserungen erreicht.

Die Behandlung Einsatztraumatisierter in der Bundeswehr ist in vielen Bereichen vorbildlich – auch im weltweiten Vergleich. Über Jahre wurde ein vielfältiges und umfassendes Hilfesystem entwickelt von niederschwelligen Angeboten im Kameradenkreis bis hin zu ambulanten und stationären Therapieangeboten, damit eine Wiedereingliederung gelingen kann. Doch kein System ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Die Wertschätzung für die Betroffenen muss auch in der Gesellschaft sichtbar sein und verankert werden. Das muss das Ziel sein.

Deshalb ist es ein großartiges Signal, dass die 6. Invictus Games im nächsten Jahr nach Deutschland kommen. Die Wettkämpfe in Düsseldorf, die vom 9. bis 16. September 2023 stattfinden werden, stehen unter dem Motto „A Home for Respect“. Eine Aufforderung an uns alle: Wer für unsere Freiheit und Demokratie gekämpft hat, dadurch krank, verletzt oder verwundet wurde, der verdient unseren uneingeschränkten Respekt und unsere Anerkennung. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf diese große Chance, die die Wettkämpfe für unsere Soldatinnen und Soldaten bieten werden.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

das neue Beurteilungssystem bewegt Sie offensichtlich. Bei meinen Truppenbesuchen sprechen sowohl Beurteiler als auch Beurteilte das Thema immer wieder an. Rund 30 Petentinnen und Petenten haben sich bereits mit einer Eingabe an mich gewandt. Die Sorgen und Fragen der Soldatinnen und Soldaten sind nachvollziehbar. Denn die Beurteilung entscheidet über zentrale Fragen des beruflichen Fortkommens, ob bei Beförderungen, Laufbahnaufstiegen oder dem Wunsch, in den Berufssoldatenstatus zu wechseln.

Gleichzeitig halte ich die Einführung der neuen Beurteilungsvorschrift für einen richtigen Schritt. Im alten System konnten sich nämlich selbst Soldatinnen und Soldaten mit herausgehobenen Wertungen nicht immer für eine Förderung qualifizieren. Durch die Inflation von Spitzennoten waren die Beurteilungen vor der Reform kaum noch aussagekräftig. Ein Beispiel aus dem Jahr 2020 veranschaulicht dieses Problem: Von rund 1.300 beurteilten Offizieren des militärfachlichen Dienstes der Besoldungsstufen A 12 und A 11/A 12 erzielten fast 1.100 ein Spitzenergebnis im Wertebereich zwischen 8,0 und 9,0, während nur gut 200 Offiziere Beurteilungsnoten in dem darunter liegenden Wertekorridor zwischen 6,0 und 7,99 erhielten. Keine Beurteilung lag im Wertebereich zwischen 4,0 und 5,99. Eine Papierlage, die über 80 Prozent der Beurteilten ein hervorragendes Leistungsbild bescheinigte, eignete sich ebenso wenig als Grundlage gerechter Auswahlverfahren für förderliche Verwendungen wie als Basis für alle übrigen Personalentwicklungsentscheidungen.

Wenn sich Beurteilte in Gesprächen und Eingaben an mich wenden, fühlen sich viele von ihnen mit dem Notenwert „D“ zu schlecht eingeschätzt, obwohl diese Wertung bedeutet, dass der Soldat oder die Soldatin die Anforderungen in vollem Umfang erfüllt und teilweise sogar übertroffen hat. Die Wertung „D“ liegt sogar im oberen Bereich der sogenannten Normalleistung. Selbst mit einem „E“ erfüllt man die Anforderungen noch vollständig und erledigt die Aufgaben gänzlich zufriedenstellend. Auch das „E“ liegt noch im Spektrum des Normalwerts. Mein Eindruck ist, dass alle am Beurteilungsprozess Beteiligten die Abkehr von der „Inflationsbeurteilung“ und Hinwendung zu einer ehrlichen Differenzierung erst als Chance begreifen müssen.

In vielen Eingaben beschweren sich Petentinnen und Petenten, die zu sogenannten Kleinstvergleichsgruppen gehören. Sie tragen die Sorge vor, nach der neuen Vorschrift keine Chance auf ein gutes Gesamturteil zu haben. In der Beurteilungsvorschrift sind Richtwerte festgelegt, wonach nur 30 Prozent der Angehörigen einer Vergleichsgruppe die Noten „A“, „B“ oder „C“ erhalten sollen. In einer aus zwei Personen bestehenden Vergleichsgruppe könne damit rein rechnerisch immer nur einer der beiden eine der Höchstnoten erhalten, so die Sorge der Petenten. Das Verteidigungsministerium hat mir gegenüber wiederholt betont, dass diese Befürchtung unbegründet sei. Die Richtwertvorgaben fänden bei Vergleichsgruppen unter 20 Personen keine unmittelbare Anwendung. Entgegen der Befürchtung der Petentinnen und Petenten könnten bei Klein- und Kleinstvergleichsgruppen auch mehrere Spitzennoten vergeben werden. Im Gegenteil bestehe bei kleinen Vergleichsgruppen eher die Gefahr, dass die beurteilenden Vorgesetzten zu viele Spitzennoten vergeben. Dies zu vermeiden liegt in der Verantwortung des sogenannten Gesamtverantwortlichen, in der Regel dem Inspekteur des jeweiligen Organisationsbereichs. Er muss am Ende des Abstimmungsprozesses die Perspektive für seinen gesamten unterstellten Bereich einnehmen und die Einhaltung der Richtwertvorgaben durch die Vorgabe hierarchieübergreifender vergleichbarere Beurteilungsmaßstäbe an seine unterstellten Beurteilerinnen und Beurteiler sicherstellen.

Eine Chance auf Beurteilungsgerechtigkeit

Die Eingaben und Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten zeigen mir, dass das neue Beurteilungssystem noch nicht bei allen Beurteilern und Beurteilten uneingeschränkte Akzeptanz findet. Aus meiner Sicht ist es daher besonders wichtig, den Soldatinnen und Soldaten das neue System transparent und überzeugend zu erklären. Hier sind die Fachleute in den Personalbereichen der Truppe gefragt, aber auch die beurteilenden Disziplinarvorgesetzten. Und natürlich dürfen die Richtwertvorgaben auf keiner Ebene missachtet werden. Nur auf diesem Weg kann sich das neue Beurteilungssystem zu einem akzeptierten Führungsinstrument in einem von Vertrauen geprägten Miteinander in der Bundeswehr entwickeln. In besonderer Weise ist aber weiterhin der Herausgeber der neuen Beurteilungsvorschrift gefragt, die Personalabteilung im Verteidigungsministerium. Wie nach jeder umfassenden Reform müssen die Verantwort-lichen mögliche Schwachpunkte des neuen Systems erkennen und beheben. Diesen Prozess werde ich in den nächsten Monaten eng begleiten. Grundsätzlich wünsche ich mir aber, dass alle Betroffenen dem neuen System zunächst einmal eine Chance geben. Dabei halte ich einen Aspekt für ausschlaggebend: Die Anwendung der neuen Vorschrift führt nicht etwa dazu, dass es in der Bundeswehr weniger Fördermöglichkeiten gibt als zuvor. Allein das Notenspektrum wird wieder stärker differenziert und damit auch die Aussagekraft der Wertungen. Die Soldatinnen und Soldaten erhalten ehrlichere Aussagen über ihre Leistungen wie auch ihre Fördermöglichkeiten. Hierin liegt aus meiner Sicht die Chance für einen Zugewinn an Beurteilungsgerechtigkeit.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

am 15. März habe ich meinen Jahresbericht 2021 der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring- Eckardt übergeben und anschließend auf der Bundespressekonferenz vorgestellt. Er spiegelt das Soldatenleben in seiner ganzen Breite und Vielfalt wider – von A wie Ausbildung bis Z wie Zulagen. 2021 war das Jahr der Bundeswehr. Ob im Rahmen der Amtshilfe oder beim Ende des Afghanistan-Einsatzes: Die Bundeswehr war da, wo sie gebraucht wurde. Drei Themen haben das Jahr 2021 in besonderer Weise bestimmt:

Erstens: der Afghanistan-Einsatz. Dieser fast 20-jährige Einsatz hat die Bundeswehr geprägt und verändert wie kein anderer. 59 Soldaten ließen ihr Leben am Hindukusch. Viele kehrten an Körper und/oder Seele verwundet zurück nach Deutschland. Der Einsatz war und ist eine Zäsur – auch wegen des dramatischen Endes und der Machtübernahme der Taliban. Mit der Evakuierungsoperation hat die Truppe eindrucksvoll gezeigt, was sie kann: Binnen elf Tagen konnten
5.347 Personen ausgeflogen werden. Das war eine herausragende Leistung.

Mir ist es besonders wichtig, dass der Afghanistan-Einsatz umfassend, schonungslos und offen bilanziert wird. Dafür soll im Deutschen Bundestag eine Enquête-Kommission eingerichtet werden. Sie sollte auch Lehren ziehen für laufende und künftige Einsätze der Bundeswehr.

Zweitens: Frauen in der Bundeswehr. Durch ein mutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurden im Jahr 2001 alle Teile der Bundeswehr für Frauen geöffnet. 20 Jahre später dienen 23.606 Soldatinnen in der Truppe. Das entspricht 12,85 Prozent. Das kann und muss noch aufwachsen. Vor allem außerhalb der Sanität und in Führungspositionen sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Die Bundeswehr sollte ihre Bemühungen intensivieren, mehr Frauen zu gewinnen und zu fördern – und das vor allem durch gute Kameradschaft, Respekt und gleichberechtigte Chancen.

Drittens: Corona. Auch im zweiten Jahr der Pandemie beschäftigte das Virus die Truppe. Ausbildungen und Übungen, Grundbetrieb und Einsatz waren weiterhin beeinträchtigt. Eine zusätzliche Belastung war nicht zuletzt die Amtshilfe, in der unsere Soldatinnen und Soldaten seit Beginn der Pandemie ununterbrochen gebunden sind – im Februar 2021 waren 19.000 Soldatinnen und Soldaten zeitgleich in der Corona-Amtshilfe im Einsatz. Sie sind professionell und zuverlässig – und dafür können wir sehr dankbar sein. Wir sind stolz auf diese Leistung! Aber zivile Strukturen hätten längst aufgebaut und ertüchtigt werden müssen. Amtshilfe darf kein Dauerzustand sein. Die jetzt getroffene Entscheidung des Generalinspekteurs, die Amtshilfe zu beenden, ist daher richtig und notwendig.

Denn der Kernauftrag der Bundeswehr ist ein anderer, vor allem die Landes- und Bündnisverteidigung. Das führte uns der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine vom
24. Februar auf schreckliche Weise vor Augen. Was niemand für möglich hielt, ist bittere Realität: Es herrscht Krieg in Europa.

Der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf uns alle, besonders auf die Bundeswehr. Landes- und Bündnisverteidigung muss ab jetzt oberste Priorität haben. Zu lange stand dieser Auftrag im Schatten der Auslandseinsätze – auch nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014. Die volle Einsatzbereitschaft muss zügig wieder hergestellt werden.

Das bedeutet, dass die Truppe umfassend und schnell modernisiert werden muss. Das angekündigte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro begrüße ich ausdrücklich. Das ist für die Bundeswehr eine gute Nachricht in schweren Zeiten. Es ist gut investiertes Geld in Frieden, Freiheit und Sicherheit.

Der Jahresbericht 2021 beschreibt Mängel, Versäumnisse und Fehler. Im besten Fall ist er die Grundlage für Verbesserungen. Bei Personal, Material und Infrastruktur gilt es, Abhilfe zu schaffen und Lösungen zu finden. Schnell und pragmatisch. Er enthält jedoch auch viele Beispiele und Entwicklungen, die gut laufen und auf die wir stolz sein können. In so manchem Bereich ist die Bundeswehr aktiv und erfolgreich wo nur wenige es vermuten, etwa bei der Spitzensportförderung oder dem Umweltschutz. Deswegen habe ich auch diese Themen im Jahresbericht aufgegriffen.

2021 war ein Jahr der Bundeswehr. Das verdeutlicht der Jahresbericht. Auf die Truppe war Verlass, wann immer und wo immer sie gebraucht wurde. 2022 wird ein Jahr, in dem wir uns auf die Bundeswehr mehr denn je verlassen müssen. Für ihren wertvollen und wichtigen Dienst, insbesondere in diesen Zeiten, verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten Interesse, Anerkennung und Wertschätzung. Für ihr Engagement danke ich ihnen von ganzem Herzen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

die nachfolgende Kolumne entstand vor der dramatischen Zuspitzung der Lage in der Ukraine. Auf die wochenlangen diplomatischen Bemühungen, eine Eskalation in dem Konflikt abzuwenden, hat Präsident Putin am 24. Februar 2022 mit einem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine reagiert.

Unser Mitgefühl gilt den Opfern des russischen Angriffskrieges.

Ein Krieg in Europa, das ist jetzt bittere Realität. Er verändert alles. Die Landes- und Bündnisverteidigung - bisher zwar in den Köpfen - wird nun erschreckend real.

Der Westen hat deutlich gemacht, dass er nicht wehrlos ist. Wir lassen unsere östlichen Bündnispartner in der NATO nicht allein. Wir stellen die Bundeswehr besser auf, damit sie diese Herausforderungen meistern kann. Die Bundesregierung handelt entschlossen und schafft ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Das ist in diesen schweren Zeiten gut für die Bundeswehr. Es geht darum, die Bundeswehr für die anstehenden Aufgaben angemessen auszustatten und zu modernisieren.

Das ist eine wichtige und notwendige Investition in Frieden, Freiheit und Sicherheit.

In der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am vergangenen Sonntag wurden eine große Wertschätzung der Bundeswehr und der Dank an die Soldatinnen und Soldaten zum Ausdruck gebracht. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das haben unsere Soldatinnen und Soldaten sehr verdient.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 


Seit fast 77 Jahren herrscht im größten Teil Europas Frieden. Das ist eine Errungenschaft und ein Erfolg, den es zu bewahren gilt. Mit aller Kraft und mit aller Macht. Unser Frieden gewährleistet Stabilität, Sicherheit sowie wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Und es ist das große Glück unserer Generation, dass die deutsche Einheit durch eine friedliche Revolution möglich und die Spaltung Europas überwunden wurde.

Deshalb betrachte ich mit großer Sorge die aktuelle Sicherheitslage in Europa. Nach der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim durch Russland 2014 wird die Ukraine erneut massiv bedroht. Auch unsere NATO-Partner und Mitgliedstaaten im Osten der Europäischen Union sind bedroht und fordern zu Recht Unterstützung.

Und uns allen ist klar, dass es eine militärische Lösung nicht geben kann. Nicht geben darf. Ein Krieg in Europa ist undenkbar. Ich hoffe daher, dass die Gespräche auf allen Ebenen und in unterschiedlichen Formaten zu Entspannung führen werden.

Das aktuelle Bedrohungsszenario unterstreicht die Bedeutung von Landes- und Bündnisverteidigung als Aufgabe der Bundeswehr. Lange Zeit stand diese im Schatten der Auslandseinsätze in Afghanistan, Mali und im Irak. Jetzt wird erschreckend deutlich, dass Landes- und Bündnisverteidigung keine abstrakte Theorie in irgendwelchen Strategiepapieren und Kommandobehörden, sondern Einsatzrealität in Europa und der Truppe ist.

Diesen Auftrag erfüllt die Bundeswehr auf vielfältige Weise. Erstens beteiligt sie sich an der Speerspitze der NATO, der „Very High Readiness Joint Task Force“. Die Bundeswehr hat diese schnelle Eingreiftruppe mitaufgebaut und wird sie 2023 erneut anführen. Zweitens übernimmt sie Verantwortung bei der Luftraumüberwachung im Baltikum und in Rumänien sowie bei den maritimen Einsatzverbänden der NATO im Nordatlantik, in der Nordsee und Ostsee und im Mittelmeer. Und drittens führt die Bundeswehr seit fünf Jahren die multinationale NATO-Battlegroup in Litauen an. Im Februar hat das Panzergrenadierbataillon 411 aus Viereck die 11. Rotation übernommen.

Von der Mission „enhanced Forward Presence“ (eFP) in Litauen habe ich mir im vergangenen Sommer vor Ort persönlich einen Eindruck gemacht. Deutschlands Engagement wird dort auf politischer, militärischer und gesellschaftlicher Ebene über alle Maßen geschätzt.

Mit diesen umfangreichen Beiträgen senden wir ein klares Signal der Solidarität mit unseren Partnern und Verbündeten, allen voran an der NATO-Ostflanke. Die Bundeswehr trainiert, übt und bildet gemeinsam mit verbündeten Streitkräften aus. Wir schützen ihre territoriale Integrität. Und wir stehen an ihrer Seite – auch im Ernstfall. Damit leisten wir einen herausragenden und sichtbaren Beitrag zu ihrer und unser aller Sicherheit und für ein starkes Europa.

Unsere Geschlossenheit und Entschlossenheit müssen eindeutig und glaubwürdig sein sowohl gegenüber unseren Verbündeten als auch gegenüber Russland. Angesichts der aktuellen Situation ist es daher richtig, mit unseren Partnern und innerhalb der NATO genau zu überlegen, ob dieses Signal auch deutlich genug ist. Diese Diskussionen müssen jedoch mit äußerster Sorgfalt und Augenmaß geführt werden. In genau diesem Sinne ist die ohnehin für Mai geplante und nun vorgezogene Aufstockung des eFP-Kontingents in Litauen um bis zu 350 Verstärkungskräfte entschieden worden.

Neben Abschreckung und Absicherung gilt es, die Türen zu Verhandlungen weiterhin jederzeit offen zu halten. Denn eine langfristige Deeskalation und Stabilisation der Lage kann und wird es nur durch Dialog und Diplomatie geben.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

im neuen Jahr gibt es Veränderungen – auch bei der Bundeswehr und in der Verteidigungspolitik. Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler und Christine Lambrecht neue Bundesministerin der Verteidigung. Diese Veränderungen zeigen schon Wirkung: Eine Entscheidung zur Tornado-Nachfolge rückt endlich näher, das Mandat zum Irak-Einsatz wurde angepasst und die Debatte über die Auslandseinsätze nimmt Fahrt auf.

Eines jedoch hat sich in diesem Jahr leider nicht geändert: Noch immer hat das Corona-Virus unser Leben fest im Griff. Die Bundeswehr ist davon in besonderem Maße betroffen. Abstandsgebote, Maskenpflicht, Quarantäneauflagen schränken weiterhin Ausbildungen, Übungen und Einsätze ein. Trotz dessen schafft es die Bundeswehr, den Grundbetrieb aufrechtzuerhalten und ihren Kernauftrag zu erfüllen. Das ist eine herausragende Leistung!

Nicht nur dafür gebührt unseren Soldatinnen und Soldaten Respekt und Anerkennung. Auch für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Bekämpfung der Pandemie im Rahmen der Amtshilfe.

Seit Beginn der Pandemie im März 2020 sind Soldatinnen und Soldaten im Corona-Dauereinsatz. Zwischenzeitlich waren bis zu 25.000 Soldatinnen und Soldaten in Bereitschaft. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen das Virus – ob in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern oder Pflegeheimen, bei der Kontaktnachverfolgung, beim Impfen und Testen. Man mag sich nicht vorstellen, wie die pandemische Lage heute aussehen würde ohne die helfenden Hände der Truppe.

Ausdruck dieser herausragenden Unterstützung ist auch der neue Krisenstab im Bundeskanzleramt. Er bringt die notwendige Struktur und Ordnung in die Pandemiebewältigung. Und mit Generalmajor Carsten Breuer als Leiter ist er in besten Händen.

Die Pandemie zeigt: Auf die Bundeswehr ist Verlass. Durch die Amtshilfe haben das auch viele Bürgerinnen und Bürger gesehen und gespürt. Die Anerkennung und Sichtbarkeit der Bundeswehr ist dadurch größer und das Band zwischen Truppe und Gesellschaft stärker geworden. Das ist klasse!

Doch darf dabei nicht vergessen werden: Amtshilfe ist subsidiär und kurzzeitig angelegt. Das heißt, die Bundeswehr unterstützt immer dann und nur solange wie andere, zivile Stellen nicht können. In den vergangenen fast zwei Jahren der Pandemie hätten Bund und Länder, Landkreise und Kommunen mehr tun können und mehr tun müssen, um ihre eigenen Strukturen zu ertüchtigen. Das Virus ist längst kein Novum mehr, dessen Tragweite und Wucht uns alle überrascht. Langsam rückt der Zeitpunkt näher, dass zivile Stellen gefragt und gefordert sind, ihre Hausaufgaben zu machen. Amtshilfe ist und darf kein Dauerzustand sein.

Es ist eine, wenn nicht gar die zentrale Lehre dieser Pandemie, dass die Strukturen im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe überarbeitet werden müssen – grundlegend, nachhaltig und krisensicher. Deswegen hoffe ich sehr, dass es im neuen Jahr auch in diesem Bereich noch zu einigen Veränderungen und Verbesserungen kommen wird. Denn die Bundeswehr hat einen anderen Kernauftrag als den Kampf gegen das Corona-Virus. Und dafür benötigt sie all ihre Ressourcen. Besser heute als morgen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

2021

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

das Amt der Wehrbeauftragten mit seiner besonderen Historie, seinen umfassenden Aufgaben und Befugnissen ist auf der Welt einmalig. Doch auch in anderen Ländern und Streitkräften gibt es Institutionen, die sich um Anliegen ihrer Soldatinnen und Soldaten kümmern. Mehr als 30 solcher Ombudsinstitutionen gibt es weltweit – von Norwegen bis Südafrika, von Kanada bis Kirgisistan.

Sie sind ganz unterschiedlich aufgestellt und ausgestaltet. Einige sind unabhängige, zivile Stellen, andere in die Strukturen des Militärs eingebunden. Manche sind Ansprechstelle lediglich für Soldatinnen und Soldaten, andere auch für Zivilistinnen und Zivilisten. So unterschiedlich sie auch sein mögen, sie eint die Aufgabe, individuelle Beschwerden entgegenzunehmen und Lösungen zu suchen. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Zufriedenheit von Soldatinnen und Soldaten und der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte.

Regelmäßig tausche ich mich mit meinen internationalen Kolleginnen und Kollegen aus. Zum Beispiel treffen wir uns einmal im Jahr bei der International Conference of Ombuds Institutions for the Armed Forces (ICOAF). Die Konferenz geht auf eine Initiative meines Vorgängers Reinhold Robbe zurück.

Mitte Oktober war ich auch in Wien und habe dort das Präsidium der Parlamentarischen Bundesheerkommission getroffen.

Dieser internationale Austausch ist für mich als Wehrbeauftragte sehr wichtig. Zum einen erfahre ich, welche Anliegen Soldatinnen und Soldaten anderer Streitkräfte beschäftigen, und erkenne hier viele Parallelen – von unzureichender Ausstattung über die Vereinbarkeit von Familie und Dienst bis hin zu PTBS-Erkrankungen. Zum anderen lernen wir voneinander, wie diese Anliegen aufgegriffen und angegangen werden, und tauschen Beispiele guter Praxis aus.

Auch in einer weiteren Hinsicht ist dieser Austausch sehr wichtig. In internationalen Einsätzen – der Europäischen Union, der NATO oder den Vereinten Nationen – wirken nationale Streitkräfte zusammen. Das ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. So selbstverständlich diese Zusammenarbeit von Streitkräften ist, ein Aspekt ist bislang noch nicht in gleichem Maße etabliert: die Zusammenarbeit von Ombudsinstitutionen.

Dabei ergeben sich in multinationalen Einsätzen und Missionen ganz besondere Herausforderungen. Soldatinnen und Soldaten stehen Seite an Seite mit Kameradinnen und Kameraden anderer Streitkräfte und unterstehen mitunter Vorgesetzten anderer Armeen. Wenn es hier Schwierigkeiten und Probleme gibt: An wen wenden sie sich und wer ist zuständig? Die nationale, eigene Ombudsinstitution? Die Ombudsinstitution des Partnerlandes? Oder des gastgebenden Landes? Anfang Oktober habe ich auch meine Kollegen aus Öster-reich, den Niederlanden, Norwegen und Mali zu einem Workshop nach Berlin eingeladen, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Zum Abschluss haben wir eine Resolution verabschiedet, mit der wir unsere Zusammenarbeit stärken und intensivieren. Beispielsweise haben wir uns zu gemeinsamen Besuchen von Einsätzen und Übungen, in denen unsere Streitkräfte zusammenwirken, verabredet.

Es ist mir eine große Ehre, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages zu sein. Es ist ein wunderbares und wichtiges Amt. Die Bundeswehr und ihre Einsatzbereitschaft sind ohne das Amt nicht zu denken. Deswegen freue ich mich, wenn andere Länder sich für das Amt der Wehrbeauftragten interessieren. So habe ich mit politischen Vertretern des Kosovo und der Slowakei über die Idee, das Wissen und die Erfahrung des Amtes gesprochen. Ich hoffe sehr, hiermit einen kleinen Beitrag zu leisten, dass auch diese Länder eine vergleichbare Institution etablieren. Damit bliebe das Amt der Wehrbeauftragten zwar weiterhin einmalig, doch keineswegs allein in der Welt.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

der Afghanistan-Einsatz war und ist eine Zäsur – vom Beginn über den Verlauf bis zum Ende. Erstens war es das erste und bisher einzige Mal, dass die NATO den Bündnisfall nach Artikel 5 ausrief. Zweitens war es der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr. 59 deutsche Soldaten ließen am Hindukusch ihr Leben. Viele wurden verwundet an Leib und Seele und leiden noch immer an den Folgen. Drittens implodierte das politische System und übernahmen die Taliban die Kontrolle, kaum dass die internationalen Kräfte abgezogen waren. Welche Fortschritte des fast 20-jährigen Einsatzes Bestand haben werden, ist völlig ungewiss.

Der Afghanistan-Einsatz sollte daher umfassend, offen und schonungslos bilanziert werden. Eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag wäre hierfür ein guter Rahmen. Eine Erkenntnis ist dabei schon sicher: Nach Afghanistan kann es kein Weiter-so geben. Wir sollten und müssen über Einsätze der Bundeswehr im Ausland diskutieren – allen voran in Mali. Denn: So unterschiedlich die Länder, Rahmenbedingungen und Einsätze in Afghanistan und Mali auch sein mögen, gewisse Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen.

Die politische Situation in Mali ist fragil. Demokratie und Rechtsstaat sind keineswegs stabil und fest verankert. Die Gefährdungslage ist nicht gut. Mali ist mittlerweile der gefährlichste Einsatz der Vereinten Nationen und der Bundeswehr. Das macht der Anschlag Ende Juni sehr deutlich, bei dem zwölf unserer Soldaten zum Teil schwer verwundet wurden. Die Aufgabe der Bundeswehr ist zweigeteilt. Im Rahmen der UN-Mission MINUSMA trägt sie zu Stabilität und Frieden bei. Bei den EU-Missionen EUTM und Gazelle bildet sie malische Soldatinnen und Soldaten aus.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Afghanistan und Mali besteht in der Rolle des Militärs. Die militärischen Strukturen in Afghanistan waren trotz der umfangreichen Ausbildung offensichtlich nicht nachhaltig und tragfähig, wie die dramatischen Ereignisse nach dem Abzug zeigen. Anders scheinbar in Mali. Hier putschten die malischen Streitkräfte zwei Mal binnen weniger Monate. Besonders brisant: Der Anführer des Putsches und neue Staatspräsident wurde teilweise auch in Europa ausgebildet.

Das erschüttert unser Vertrauen in unsere malischen Partner und wirft viele, sehr grundlegende Fragen auf. Wie sinnvoll und nachhaltig ist der Einsatz in Mali? Welche Ziele verfolgen wir? Setzen wir hierfür die geeigneten Mittel ein? Und haben wir klare Kriterien, um Erfolg (oder Misserfolg) des Einsatzes zu messen? Diese Fragen werden – wie schon beim Afghanistan-Einsatz – zu selten und zu wenig diskutiert. In der Bundesregierung, im Deutschen Bundestag, aber auch in unserer Gesellschaft. Was auch dazu führt: Sie sind keineswegs beantwortet. Das muss sich durch und nach dem Afghanistan-Einsatz ändern. Von der künftigen Bundesregierung und dem neuen Bundestag erwarte ich eine breite, ernste und offene Debatte über den Einsatz in Mali und über Auslandseinsätze der Bundeswehr im Allgemeinen.

Es ist die schwerste Entscheidung, die Bundestagsabgeordnete zu treffen haben, wenn sie unsere Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze schicken. Mittel, Ziele und Zeitpläne müssen daher gut begründet und klar benannt sein. Das ist wichtig für unsere Soldatinnen und Soldaten. Nur mit klaren Vorgaben und Zielen sowie mit Vertrauen aus Politik und Gesellschaft können sie ihre Aufträge auch mit Sinnhaftigkeit und aus voller Überzeugung ausführen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

2021 ist das „Jahr der Bundeswehr“. Selten zuvor war die Truppe an so vielen Stellen, auf so unterschiedliche Art und mit solch einer Intensität gefordert wie in diesem Jahr. Ob bei ihrem Kernauftrag, wie der Evakuierungsoperation in Afghanistan, oder bei der Amtshilfe zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zur Bewältigung der Flutkatastrophe – überall dort, wo die Truppe zum Einsatz gekommen ist, hat sie ihren Auftrag mehr als erfüllt.

2021 ist auch das Jahr der Bundestagswahl. Ein neuer Bundestag wird sich konstituieren und eine neue Bundesregierung sich bilden. Sie werden die zentralen Weichen für die nächsten Jahre stellen – für unsere Gesellschaft und auch für unsere Bundeswehr. Egal in welcher Konstellation und Zusammensetzung, die Bundeswehr braucht eine breite Unterstützung aller politisch Verantwortlichen. Denn wenn das Jahr 2021 eines verdeutlicht hat, dann wie wichtig und richtig es ist, dass wir sie haben.

Viel zu oft wird über Mängel, Versäumnisse und Skandale in der Bundeswehr gesprochen – und viel zu selten über Erfolge, Leistungen und das, was gut läuft. 2021 bietet Anlass, das zu ändern. In diesem Jahr hat die Truppe ihre ganze Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Sie hat gezeigt, dass auf sie Verlass ist. Darüber gehört gesprochen. Dafür gebühren unseren Soldatinnen und Soldaten unser aller Dank, Anerkennung und Wertschätzung.

Nicht zuletzt wegen ihrer großen Verdienste in diesem Wahljahr sollte die Bundeswehr als Parlamentsarmee ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dazu gehört zweierlei: einerseits mehr Wahrnehmung und mehr Wertschätzung für die Truppe und was sie leistet. Und andererseits die bestmögliche Ausstattung und Ausrüstung, damit sie ihre Aufträge erfüllen kann. Beides zu gewährleisten, wird Auftrag des neuen Bundestages und der neuen Bundesregierung sein.

In einem ersten Schritt bedeutet das, der Bundeswehr mehr Interesse entgegenzubringen und mehr darüber zu diskutieren, wo und wofür wir sie einsetzen wollen. Viel zu oft wurden Bundeswehreinsätze in der Vergangenheit lediglich dreißig Minuten lang im Bundestag diskutiert und dann mandatiert. Das wird ihrer Bedeutung nicht gerecht.

Jeder einzelne Einsatz muss – im Bundestag und in der Gesellschaft – intensiv und breit debattiert werden. Es muss gut begründet und klar benannt werden, welche Ziele wir verfolgen mit welchen Mitteln und Möglichkeiten. Diese Fragen haben mit Ende des Afghanistan-Einsatzes und den dramatischen Entwicklungen seit Abzug der internationalen Truppen eine völlige neue Dringlichkeit erhalten.

In einem zweiten Schritt bedeutet das, die Bundeswehr angemessen auszurüsten. Unsere Soldatinnen und Soldaten dürfen mit Recht erwarten, dass sie die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ihre Einsätze und Aufträge vorfinden. Schließlich sind wir es, die ihnen diese erteilen. Unsere Soldatinnen und Soldaten erwarten dabei keineswegs Goldrandlösungen, sondern lediglich Personal, das ausreichend qualifiziert ist, genügend Springerhelme, ABC-Schutzmasken und moderne Funkgeräte sowie Gebäude, die nicht schimmeln und sanierungsbedürftig sind. Was selbstverständlich klingt, ist es keineswegs.

Der neue Bundestag und die neue Bundesregierung sind gefragt, hier schnell Abhilfe zu leisten – durch eine größere Wahrnehmung und Wertschätzung sowie bessere Rahmenbedingungen für unsere Soldatinnen und Soldaten. Damit sie auch in Zukunft so einsatz- und leistungsfähig sind und wir uns auch in künftigen Krisen weiterhin so sehr auf sie verlassen können wie in diesem „Jahr der Bundeswehr“.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

die nachfolgende Kolumne entstand vor den Ereignissen in Afghanistan der letzten Tage und Wochen. Die Dynamik und Dramatik dessen, was seit der Machtübernahme der Taliban geschehen ist, war zu diesem Zeitpunkt für mich – wie für viele andere – nicht annähernd zu erahnen. Die für den 31. August geplante gesamtstaatliche Würdigung des Afghanistan-Einsatzes wurde folgerichtig vorerst abgesagt. Vor diesem Hintergrund bitte ich, meine Kolumne zu lesen und zu verstehen. In meiner Kolumne spreche ich von großen, wenn auch fragilen Fortschritten, die Afghanistan politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich erreicht hat. Wie fragil diese sind, haben die letzten Tage offenbart.

Ich bin sehr erleichtert, dass alle Soldatinnen und Soldaten, das Botschaftspersonal sowie Kräfte der Bundespolizei wohlbehalten in Deutschland angekommen sind. Sie alle haben Herausragendes geleistet, um so viele deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ebenso wie afghanische Ortskräfte und ihre Familien wie möglich aus Kabul herauszuholen. Für diesen Evakuierungseinsatz gebührt ihnen unser allergrößter Respekt und unsere Anerkennung.

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen verdeutlichen noch einmal, wie wichtig und geboten eine umfassende und vor allem schonungslose Bilanz des Afghanistan-Einsatzes ist – vom Beginn vor nunmehr zwanzig Jahren bis zum Abzug und der Evakuierungsoperation zuletzt. Daraus gilt es, Lehren und Konsequenzen zu ziehen für aktuelle und künftige Einsätze der Bundeswehr im Ausland.

Mit herzlichen Grüßen
Eva Högl


Am 30. Juni sind die letzten 264 deutschen Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan zurückgekehrt. Alle sind sicher zuhause bei ihren Familien und Freunden angekommen. Das war und ist das Allerwichtigste. Der Abzug war perfekt vorbereitet und organisiert – bis auf ein kleines, jedoch wichtiges Detail.

Bei ihrer Ankunft in Wunstorf wurden die Rückkehrerinnen und Rückkehrer von Generalleutnant Pfeffer, Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, empfangen. Kein politischer Vertreter oder politische Vertreterin hat am Empfang teilgenommen – weder die Verteidigungsministerin oder ihre Staatssekretäre noch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Im Nachhinein muss man feststellen: Das war ein Fehler.

Rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten waren in den vergangenen 20 Jahren am Hindukusch im Einsatz. Sie haben einen herausragenden Beitrag dazu geleistet, dass das Land nicht länger ein safe haven islamistischer Terroristen ist und politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich große, wenn auch fragile Fortschritte gemacht hat. 59 Soldaten verloren ihr Leben in Afghanistan, 35 von ihnen bei Anschlägen oder Gefechten. Viele weitere wurden körperlich verwundet oder tragen seit ihrem Einsatz seelische Narben, die sie bis heute spüren.

Ohne Frage: Afghanistan war der bislang intensivste und prägendste Einsatz der Bundeswehr. Die Rückkehr der letzten Soldatinnen und Soldaten besaß daher eine besondere Symbolik und Bedeutung. Und diese hätte bei der Ankunft durch eine politische Vertretung gewürdigt werden müssen. Schließlich waren es die politische Führung und der Deutsche Bundestag, die unsere Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan schickten.

Dabei hätte es gar keiner großen Worte oder Ansprache bedurft. Die bloße Anwesenheit als Tat hätte genügt. Die Symbolik solch einer Geste wurde – leider – unterschätzt.

Dabei sind die Anerkennung und Wertschätzung des Deutschen Bundestages für alle Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, sehr groß. Das machte eine Aktuelle Stunde am 23. Juni deutlich, in der sich der Bundestag an herausgehobener Stelle mit dem Afghanistan-Einsatz befasste. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble dankte – im Namen des Bundestages und unter großem Beifall aller Bundestagsfraktionen – allen Einsatzsoldatinnen und -soldaten für ihre Einsatzbereitschaft und dafür, dass sie ihre Gesundheit und ihr Leben riskiert haben. Auf der Ehrentribüne waren während der Aktuellen Stunde sechs Soldatinnen und Soldaten, stellvertretend für die Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche als Afghanistan-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer, anwesend.

Für den 31. August ist nun eine gesamtstaatliche Würdigung des Einsatzes geplant. Angesichts der „unglücklichen“ Ankunft in Wunstorf ist es wichtig, dass diese nun in besonderem Maße dem Einsatz Rechnung trägt. An verschiedenen Orten in Berlin sind Veranstaltungen geplant, an denen der Bundespräsident, die Bundestagspräsidenten, die Bundeskanzlerin, die Verteidigungsministerin und viele Abgeordnete teilnehmen werden.

Ein Großer Zapfenstreich auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag soll den Abschluss markieren.

Diese Planungen begrüße ich ausdrücklich. Es wird wichtig sein, dass möglichst viele Soldatinnen und Soldaten, aktive wie ehemalige, versehrte wie unversehrte, Angehörige und Hinterbliebene teilnehmen. Ihnen gebühren unsere Anerkennung und unser Dank.

Zu einer angemessenen Würdigung des Afghanistan-Einsatzes gehört auch, Bilanz zu ziehen. Welche Ziele haben wir in 20 Jahren erreicht und welche nicht? Was können wir für andere und künftige Einsätze lernen? Hierüber muss politisch und gesellschaftlich breit, offen und auch schonungslos diskutiert werden. Der nächste Deutsche Bundestag sollte hierfür eine Enquete-Kommission einrichten. Sie wäre ein ideales Format, um den Afghanistan-Einsatz in all seinen Facetten und mit allen relevanten Akteuren umfassend zu bilanzieren.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

es ist ein historisches Ereignis: Am 21. Juni 2021 wurde mit Zsolt Balla der erste Militärrabbiner der Bundeswehr ernannt. Gut 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs – und 76 Jahre nach dem Holocaust – gibt es damit erstmals wieder militärische Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens in den deutschen Streitkräften. An der Feierstunde zur Ernennung von Rabbi Balla teilzunehmen, war mir eine große Ehre und Freude.

Die Einführung jüdischer Seelsorge sendet eine ganz unmissverständliche Botschaft: Die Bundeswehr steht für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit. Jüdische Soldatinnen und Soldaten sind selbstverständlicher Teil der Bundeswehr. Antisemitismus hat in der Truppe keinen Platz.

Diese Botschaft ist aktuell wichtiger denn je. Denn leider verzeichnen wir immer noch und immer wieder antisemitische Vorfälle in der Truppe, wie zuletzt in Litauen. Neben vielen anderen Abscheulichkeiten soll dort auch antisemitisches Liedgut gesungen worden sein. Das ist völlig inakzeptabel. Ein solches Verhalten ist ein Schlag ins Gesicht für alle Soldatinnen und Soldaten, die verantwortungsvoll ihren Dienst tun. Und das ist mit Abstand die große Mehrheit. Antisemitismus ist auch keineswegs ausschließlich in der Truppe zu finden, sondern ein gesellschaftliches Problem. Seit Jahren nehmen rechtsextremistisch motivierte Straftaten mit antisemitischem Hintergrund zu. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 war der bisher fürchterlichste Ausdruck dieser Entwicklung, die mich sehr besorgt.

Genau in dieser Situation ist die Einführung der jüdischen Militärseelsorge daher ein ganz klares und starkes Zeichen – mit hoffentlich großer Symbolkraft nach innen in die Truppe und nach außen in die Gesellschaft.

Bis zu zehn Militärrabbiner sollen eingestellt werden. Ihre Aufgaben reichen – wie bei anderen Militärgeistlichen – weit über rein religiöse Angelegenheiten hinaus. Ihre Tür steht allen Soldatinnen und Soldaten, egal welchen Glaubens, offen. Sie geben Rat in allen Fragen und leisten Beistand in schwierigen Situationen – im Dienstlichen wie im Privaten, im Inland wie im Ausland.

2011 habe ich erstmals selbst erlebt, welch große Bedeutung die Militärseelsorge hat. Damals war ich im Rahmen einer Informationsreise für Bundestagsabgeordnete in Afghanistan. Im Camp in Masar-i Scharif waren Militärgeistliche ein zentraler Anlaufpunkt. Mit ihnen konnten Soldatinnen und Soldaten offen und vertrauensvoll über ihre Erfahrungen und Erlebnisse, über die besonderen Belastungen und Schwierigkeiten ihres Einsatzes sprechen. Wie in anderen Auslandseinsätzen stärkt die Militärseelsorge auf diese Weise auch die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit der Truppe.

Im Inland leiten Militärgeistliche vielerorts den Lebenskundlichen Unterricht. Er fördert das Verständnis von Soldaten als Staatsbürger in Uniform, die fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Militärrabbiner können hier wichtige Akzente der Prävention setzen, über Judentum und Antisemitismus aufklären und damit Vorurteilen und Extremismus entgegenwirken.

Die jüdische Militärseelsorge ist somit nicht nur ein Angebot für die rund 300 jüdischen Soldatinnen und Soldaten, sondern in jeder Hinsicht eine echte Bereicherung für die gesamte Bundeswehr.

Von der Einführung der jüdischen Seelsorge erhoffe ich mir auch einen Schub für islamische Militärseelsorge. Denn in der Truppe leisten rund 3.000 Soldatinnen und Soldaten muslimischen Glaubens ihren Dienst. Auch sie verdienen eine religionsbezogene Seelsorge. Sie wäre ein Zeichen von Wertschätzung und Anerkennung für ihren wertvollen Dienst. Am Islamkolleg in Osnabrück werden künftig Imame ausgebildet. Die Bundeswehr sollte sie willkommen heißen.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

unsere Soldatinnen und Soldaten sind aktuell im In- und Ausland sehr stark gefordert. Es ist ein Kraftakt, Grundbetrieb, Ausbildung und Übung unter Pandemie-Bedingungen durchzuführen. Zehntausende sind in der Amtshilfe gebunden. Der Abzug aus Afghanistan läuft auf Hochtouren. Der Einsatz in Mali steht mit dem Bau eines Ausbildungszentrums in Sévaré vor einem neuen Kapitel. Nicht zu vergessen unsere Bündnisverpflichtungen, die mit Blick auf die russischen Truppenbewegungen der letzten Wochen wichtiger denn je sind.

Angesichts dieser Vielzahl herausfordernder Aufgaben ist es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, genau jetzt große Reformen anzustoßen, wie sie die Bundesministerin für Verteidigung mit ihren „Eckpunkten für die Bundeswehr der Zukunft“ vorgestellt hat. Dieses Timing zeugt nicht gerade von Gespür für die Truppe. Unsere Soldatinnen und Soldaten beschäftigen zurzeit ganz andere Fragen.

Auch in anderer Hinsicht verwundert der Zeitpunkt: Große Reformvorhaben werden für gewöhnlich zu Beginn einer Legislaturperiode begonnen. Schließlich müssen sie gut begründet, behutsam und transparent angegangen werden. Doch im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Eine breite parlamentarische Begleitung und Unterstützung kann so nicht gewährleistet werden. Zwar ist das Eckpunkte-Papier Ausdruck exekutiven Handelns der politischen und militärischen Führung. Allerdings kann die politische Führung nach September eine ganz andere sein – mit anderen Ideen und Schwerpunkten. Kurzum: Vor der Bundestagswahl ein so ein großes Reform-Projekt anzugehen, ist nicht sinnvoll.

Dabei ist das zentrale Anliegen des Eckpunkte-Papiers durchaus richtig: Führungsstrukturen verschlanken und Stabslastigkeit abbauen, Zuständigkeiten klarer fassen und der Truppe vor Ort mehr Verantwortung geben. Damit sollen Kaltstart-fähigkeit, Reaktionsfähigkeit sowie Durchsetzungsfähigkeit verbessert werden. Das ist mit Blick auf die Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung notwendig. Ob jedoch die Umorganisation des Sanitätsdiensts und der Streitkräftebasis die geeigneten Maßnahmen sind, diese Ziele zu erreichen, bleibt abzuwarten. Zumal wesentliche Details der geplanten Umstrukturierungen noch keineswegs feststehen.

Ich hätte mir zudem gewünscht, dass das Eckpunkte-Papier die täglichen Belange unserer Soldatinnen und Soldaten stärker berücksichtigt. Denn die Truppe hat viele Herausforderungen und erheblichen Reformbedarf. Das ist offenkundig. Das erlebe ich bei jedem meiner Truppenbesuche und in all meinen Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten.

Hochspezialisiertes Personal fehlt. Persönliche Ausrüstung fehlt oder passt nicht. Großgerät ist nicht in ausreichendem Maß einsatzbereit. Instandsetzungen dauern zu lange, ebenso Beschaffungen. Selbst bei der Beschaffung von kleinen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Helmen oder Rucksäcke kommt es zu erheblichen Verzögerungen. Gebäude – von Unterkünften über Lagerhallen bis hin zu OHGs und UHGs – sind zum Teil in desolatem Zustand. Neubauten brauchen Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte.

Doch zu all diesen Themen – Personal, Material, Beschaffung und Infrastruktur – findet sich in den Eckpunkten leider herzlich wenig. Viele Optionen werden zwar angerissen, sollen jedoch erst mal geprüft werden. Wann diese Prüfungen abgeschlossen werden und mit welchem Ergebnis, bleibt unklar. An dem selbsterklärten Ziel der Vollausstattung mit modernem Gerät wird festgehalten. Ebenso an der Zielgröße von 203.300 Soldatinnen und Soldaten. Doch wie beides erreicht werden soll, bleibt ebenfalls unklar.

Das Eckpunkte-Papier der Ministerin bietet somit wenig Konkretes. Etliches ist Gegenstand weiterer Prüfungen und Untersuchungen. Die offenen Fragen sollten nun schnell beantwortet werden. Ein monatelanger Schwebezustand ist nicht tragbar und sorgt für erhebliche Unruhe in der Truppe. Im weiteren Prozess sollten daher auch alle Soldatinnen und Soldaten, vor allem die Beteiligungsgremien, umfassend beteiligt werden. Mitbestimmung, Klarheit und Gewissheit, wann es wie nun weitergeht –, das verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

seit fast 20 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan, zunächst im Rahmen der internationalen Schutzmission ISAF, aktuell mit der Ausbildungsmission Resolute Support. Vieles wurde in den letzten zwei Jahrzehnten erreicht.

Afghanistan ist nicht mehr Hort des internationalen islamistischen Terrorismus. Ein politisches System mit rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien wurde etabliert. Afghanische Sicherheitskräfte wurden aufgebaut und ertüchtigt. Es gibt mehr Freiheiten, Wirtschaftswachstum und Bildungschancen.

Das alles ist ein Verdienst des internationalen Engagements – auch des Einsatzes der Bundeswehr. Bis heute waren über 158.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. Sie haben einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Freiheit, Demokratie und Stabilität im Land geleistet.

Wie geht es weiter in Afghanistan? Diese Frage beschäftigt uns alle zurzeit sehr. Für viel Unruhe hat die Absicht des ehemaligen US-Präsidenten Trump gesorgt, die US-Truppen kurzfristig und ohne Absprachen mit Verbündeten abzuziehen. Das hätte katastrophale Folgen für Afghanistan und darüber hinaus gehabt. Denn die aktuelle Situation ist äußerst fragil. Die Sicherheitslage ist in Teilen des Landes nicht kontrollierbar. Die Taliban verüben weiterhin blutige Anschläge. Und die inner-afghanischen Friedensverhandlungen stecken fest.

Mit der neuen US-Administration sind die überstürzten Abzugspläne vom Tisch. Das ist gut so. Präsident Biden hat entschieden, bis zum 11. September 2021 – also 20 Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center – die US-Truppen abzuziehen. Die Bundeswehr wird bis Mitte August das Land verlassen. Die Devise lautet nun also: gemeinsam rein, gemeinsam raus.

Unser Engagement darf jedoch mit dem Abzug nicht enden. Wir müssen unsere afghanischen Partner weiter unterstützen – politisch, zivil und humanitär. Denn nur so kann das bisher Erreichte bewahrt und der Friedensprozess weiter vo-rangetrieben werden. Die Absicht von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, afghanischen Helferinnen und Helfern der Bundeswehr eine Perspektive in Deutschland zu eröffnen, begrüße ich sehr.

Als Wehrbeauftragte sind mir drei Anliegen besonders wichtig.

Erstens: Oberstes Gebot für das weitere Engagement der Bundeswehr ist die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert. Die Taliban haben mit einem „großen Krieg“ gedroht, wenn die internationalen Kräfte länger bleiben. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Entsprechendes Personal sowie Fähigkeiten für besseren Schutz werden bereitgehalten.

Zweitens: Nach dem Abzug braucht es eine kritische, offene und schonungslose Bilanz des Afghanistan-Einsatzes. Was waren unsere Ziele? Was haben wir erreicht? Und was bedeutet das für künftige Einsätze? Eine Enquetekommission im Deutschen Bundestag könnte diese Fragen ausführlich erörtern.

Afghanistan ist zweifelsohne der umfangreichste und prägendste Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Alle Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan eingesetzt waren und sind, müssen wissen, wofür sie dort eintreten. Nur so identifizieren sie sich mit ihrem Auftrag. Nur so können sie stolz auf das im Einsatz Geleistete sein. Eine Zäsur war gewiss das Jahr 2010 – dem mit acht Gefallenen bislang verlustreichsten Jahr in der Geschichte der Bundeswehr. Insgesamt ließen 59 Soldaten ihr Leben in Afghanistan. Auch die Hinterbliebenen aller Gefallenen müssen wissen, wofür ihre Angehörigen ums Leben gekommen sind.

Eine solche Bilanz ist auch für andere Einsätze und Missionen, etwa in der Sahelzone, von großer Bedeutung. Aus Afghanistan gilt es zu lernen – und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.

Drittens: Nicht zuletzt verbinde ich mit einem solchen Rück- und Ausblick des Afghanistan-Einsatzes auch den Wunsch, dass wir über die Auslandseinsätze der Bundeswehr insgesamt wieder mehr diskutieren. In der Öffentlichkeit werden sie nur wenig wahrgenommen. Das spüren unsere Soldatinnen und Soldaten. Es wird ihrem Dienst, den sie oftmals unter lebensbedrohlichen Bedingungen erbringen, nicht gerecht. Unsere Soldatinnen und Soldaten verdienen Anerkennung, Respekt und Wertschätzung für ihre Leistung – in Afghanistan und allen weiteren elf Auslandseinsätzen der Bundeswehr!

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

die Diskriminierung homosexueller Soldaten war über Jahrzehnte offizielle Praxis in der Bundeswehr. Per Erlass wurde ihre sexuelle Orientierung zum Sicherheitsrisiko erklärt. Sie hatten erhebliche dienstrechtliche Benachteiligungen zu befürchten – von Herabsetzung ihres Dienstgrads bis hin zur fristlosen Entlassung. Erst im Jahr 2000 beendete die Bundeswehr diese systematische Diskriminierung und hob den Erlass auf.

Letztes Jahr hat sich die Verteidigungsministerin bei den Betroffenen für das Leid, das sie erfahren haben, offiziell entschuldigt und ihre Rehabilitierung auf den Weg gebracht. Das entsprechende Gesetz wird derzeit im Deutschen Bundestag diskutiert und voraussichtlich Ende Mai verabschiedet.

Das ist für die Betroffenen ein sehr wichtiger Schritt – der auch überfällig war. Die Bundeswehr hinkte der gesellschaftlichen Realität hinterher. Im Strafgesetzbuch wurde die Kriminalisierung homosexueller Handlungen bereits 1994 endgültig aufgehoben – sechs Jahre früher als in der Bundeswehr.

Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahren offener, vielfältiger und bunter geworden. Das sollte sich auch in der Truppe mit ihrem Anspruch, Spiegelbild unserer Gesellschaft zu sein, wiederfinden.

Vielfalt ist dabei keineswegs Selbstzweck. Sie ist eine echte Chance und pure Notwendigkeit. Die Bundeswehr ist nämlich nur dann zukunftsfähig, wenn sie für alle Menschen gleichermaßen attraktiv ist – egal woher sie kommen, wen sie lieben oder an wen sie glauben.

Anders als man vielleicht glauben mag, besitzt die Bundeswehr dafür großes Potenzial. Sie hat so vielfältige Arbeitsbereiche und Dienststellen zu bieten, dass sie jedem und jeder Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung bieten kann. Maßgebend für Chancen und Karrieren sind Eignung, Befähigung und Leistung – nicht Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Glaube. Und Soldatinnen und Soldaten eint ein besonderes Band: Kameradschaft. Sie verpflichtet zu gegenseitiger Anerkennung, Rücksicht und Achtung. Sie sorgt für Einheit in Vielfalt.

In den letzten Jahren hat sich in der Bundeswehr viel getan. Im Verteidigungsministerium wurde ein „Stabselement Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“ eingerichtet. Es gibt eine Ansprechstelle für Diskriminierung. Im Zentrum Innere Führung hat die „Zentrale Ansprechstelle für den Umgang mit Vielfalt“ ihre Arbeit aufgenommen. Es wurde ein Leitfaden zum Umgang mit transgeschlechtlichen Menschen erarbeitet.

Diese Entwicklungen sind sehr erfreulich. Wichtig ist jedoch, dass sie auch in der Truppe ankommen. Noch immer erhalte ich Eingaben von homosexuellen Soldatinnen und Soldaten, die als „Lesbe“ oder „Schwuchtel“ beleidigt werden, oder von transsexuellen Menschen, die sich einen sensibleren Umgang mit ihren Belangen wünschen. Auch bei religiöser Vielfalt gibt es noch was zu tun: 3.000 muslimische Soldatinnen und Soldaten haben keinen Zugang zu islamischer Seelsorge.

Trotz der Fortschritte in den letzten Jahren sind also weitere Anstrengungen geboten, vor allem auch Aufklärung und Sensibilisierung innerhalb der Truppe. Die Auseinandersetzung mit Vielfalt in all ihren Dimensionen sollte fester Bestandteil der Ausbildung werden. Nur so kann Vielfalt von unten und von Beginn an gelernt und gelebt werden.

Grundlage und Katalysator für die bevorstehende Rehabilitierung homosexueller Soldaten war eine bemerkenswerte Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Darin wurde der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende akribisch und selbstkritisch nachgezeichnet.

Auch zur Frage von Vielfalt in der Truppe gibt es eine Studie. Sie wurde bereits im Mai 2019 durchgeführt. Sie kann aufzeigen, wie bunt die Truppe bereits ist, und Impulse geben, wo sie noch Nachholbedarf hat. Es wäre daher gut, wenn die Ergebnisse der Studie zeitnah veröffentlicht, diskutiert und weitere Schritte auf den Weg zu gelebter Vielfalt unternommen werden.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

am 23. Februar habe ich den Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vorgestellt und dem Bundestagspräsidenten übergeben.

Neun Monate bin ich jetzt im Amt. Es ist eine große Ehre, dieses wunderbare und verantwortungsvolle Amt auszuüben. Bei meinen Truppenbesuchen und in vielen Gesprächen in den vergangenen neun Monaten habe ich ausschließlich hochmotivierte und engagierte Soldatinnen und Soldaten kennengelernt – auf allen Ebenen und an allen Stellen, von der Kommandeurin bis zur Vertrauensperson, vom General bis zur Gefreiten. Es ist eine tägliche Freude, mich für sie einzusetzen.

Der Jahresbericht zeigt deutlich, dass im vergangenen Jahr vor allem Covid-19 die Truppe sehr beschäftigte. Die Pandemie war und ist eine Herausforderung – für Grundbetrieb, Ausbildung, Übung und Einsatz. Soldatinnen und Soldaten sorgten sich um ihre Gesundheit und ihren Dienst. Fast 500 Eingaben von Soldatinnen und Soldaten haben mich hierzu erreicht.

Doch: Die Covid-19-Pandemie hat auch gezeigt, was gut läuft in der Truppe. So paradox das klingen mag.

Führen mit Auftrag hat sich bewährt. Überall dort, wo vor Ort verantwortungsvoll entschieden und gehandelt wurde, konnte die schwierige Lage bewältigt werden. Digitalisierung hat einen enormen Schub erfahren. Das hat die Einsatzbereitschaft im Krisenfall gewährleistet. Und nicht zuletzt: In der Krise hat die Truppe ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Darauf können wir sehr stolz sein.

Nicht nur haben Soldatinnen und Soldaten unter den erschwerten Bedingungen ihren Auftrag stets erfüllt – im Inland, in den Auslandseinsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen.

Zusätzlich haben sie Amtshilfe geleistet – in einem Umfang, der beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Wo zivile Institutionen und Strukturen schwächelten, griff die Truppe unter die Arme – schnell, tatkräftig, vielfältig.

Zehntausende Soldatinnen und Soldaten leisten täglich einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Virus. Dafür gebührt ihnen unser Dank. Das herausragende Engagement bei der Amtshilfe sollte durch eine Einsatzmedaille ausgezeichnet werden. Das wäre eine sehr verdiente Anerkennung!

Zum 65-jährigen Bestehen der Bundeswehr hat der Bundespräsident betont, dass es keine Distanz geben darf zwischen Bundeswehr, Gesellschaft und Politik. Das ist ein Auftrag.

Für die Bundeswehr bedeutet das: Sie ist eine Parlamentsarmee. Sie steht ein für unsere Freiheit, Sicherheit, Demokratie und unseren Rechtsstaat. Rechtsextremismus hat daher in der Truppe keinen Platz. Im Jahresbericht sind rechtsextremistische Vorfälle aufgeführt. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel und muss zügig und gründlich aufgeklärt werden.

Für die Gesellschaft bedeutet es: Die Soldatinnen und Soldaten stehen mehrheitlich mit beiden Beinen auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Sie leisten jeden Tag verantwortungsvoll ihren Dienst. Sie stehen ein für uns und unsere Werte – notfalls mit ihrem Leben. Dafür verdienen sie Anerkennung und Wertschätzung.

Für die Politik bedeutet es: Die Bundeswehr verdient die bestmögliche Ausrüstung, um ihren Auftrag zu erfüllen. Das ist nicht der Fall. Im Jahresbericht finden sich die bekannten und bestehenden Probleme der Truppe: zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie. Das ist inakzeptabel. Strukturen und Prozesse müssen dringend verändert werden. Das Geld muss in der Truppe ankommen.

Ich hoffe, dass der Jahresbericht Grundlage sein wird für die politische und militärische Führung für Reformen, Lösungen und Verbesserungen zum Wohle unserer Soldatinnen und Soldaten. Denn wir brauchen sie. Gut ausgestattet, motiviert und einsatzbereit.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

1996 bewarb sich Tanja Kreil als Elektronikerin bei der Bundeswehr. Sie wurde mehrfach abgelehnt. Weil sie eine Frau war. Frauen durften damals nämlich nur zur Sanität und in den Musikkorps, jedoch nicht zu Kampfeinheiten. Denn in Artikel 12a des Grundgesetzes hieß es: Frauen „dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“.

Dagegen klagte Tanja Kreil beim Europäischen Gerichtshof – und bekam Recht. Das Grundgesetz wurde geändert. Am 2. Januar 2001 traten die ersten 244 Rekrutinnen ihren Dienst in Kampfeinheiten der Bundeswehr an.

20 Jahre später ist vieles erreicht worden. Der Anteil von Soldatinnen wächst seit Jahren kontinuierlich. Über 23.000 Frauen tragen mittlerweile Uniform. Sie sind eine Selbstverständlichkeit in allen Teilen der Truppe – bei Sanität und Militärmusik, beim Heer, bei der Luftwaffe und Marine, auch im Bereich Cyber.

Doch der Frauenanteil in der Bundeswehr insgesamt beträgt gerade einmal 12,54 Prozent. Rechnet man den Sanitätsdienst raus, wo Frauen über 45 Prozent ausmachen, liegt er bei knapp 9 Prozent. Die Vorgabe aus § 4 Absatz 5 des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes von 15 Prozent für alle Laufbahnen mit Ausnahme des Sanitätsdienstes verfehlt die Bundeswehr damit bisher deutlich.

Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Und damit meine ich nicht irgendwelche Sonderbehandlungen und Extras. Soldatinnen sollen – und wollen – genauso behandelt werden wie ihre Kameraden. Das schildern mir Soldatinnen immer wieder in persönlichen Gesprächen. Sie wollen keinen Schonraum, sondern sich unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen durchsetzen und beweisen. Was also heißt bessere Rahmenbedingungen?

Erstens: passende Ausrüstung und Infrastruktur. Dass heute immer noch nicht Schutzwesten in Größen verfügbar sind, passgenau für Soldatinnen, ist inakzeptabel. Das hat nichts mit Sonder-, sondern mit Gleichbehandlung zu tun. Es ist eine Selbstverständlichkeit: Soldatinnen verdienen die bestmögliche Ausrüstung – genau wie Soldaten.

Zweitens: ein diskriminierungsfreies Umfeld. Soldatinnen hören immer noch unangebrachte Sprüche und erfahren sexuelle Übergriffe. Es ist gut, dass dies in der Truppe zunehmend ernsthaft aufgegriffen, konsequent geahndet und strikte Maßnahmen getroffen werden.

Drittens: Planbarkeit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Dafür braucht es flexible Arbeitsmodelle, weniger Pendeln, mehr Kinderbetreuung und eine personenzentrierte Personalführung. Das sind übrigens Themen, die mir auch junge Soldaten immer wieder vortragen.

Viertens: mehr Frauen in Führungspositionen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie gehen voran und ebnen damit den Weg für andere. Es ist schade, dass es noch immer keine Soldatinnen der Besoldungsordnung B gibt – außer in der Sanität.

Natürlich: Das braucht Zeit. Schließlich dienen Frauen in der Sanität bereits seit 1975, in anderen Bereichen der Truppe eben erst seit 2001. Und das wird auch aufwachsen. So sind Soldatinnen als Offiziersanwärterinnen überproportional vertreten. Das kann und muss unterstützt werden, zum Beispiel durch gezielte Ansprachen und Mentoring-Programme – in der Truppe, an den Universtäten, im BMVg, beim Zentrum Innere Führung und vor allem auch bei der Führungsakademie.

Mehr Frauen würden der Bundeswehr guttun. Sie bereichern die Truppe. Sie bringen andere Fertigkeiten, Perspektiven und Erfahrungen ein. Die Bundeswehr profitiert von gemischten Einheiten und Verbänden.

So ist zum Beispiel das KSK – anders als viele vermuten – keine reine „Männerbastion“. 120 Frauen sind an unterschiedlichen Stellen im KSK tätig. Weibliche Aufklärungsfeldwebel Spezialkräfte stellen einen erheblichen Fähigkeitszuwachs für den Verband dar. Vor kurzem hat eine Soldatin den ersten Teil des Potenzialfeststellungsverfahrens bestanden – zum ersten Mal in der Geschichte des KSK. Vielleicht wird sie die erste weibliche Kommandosoldatin.

Das sind Vorbilder, die wir brauchen und fördern müssen. 30 Prozent Frauen bis 2030. Das wäre ein wünschenswertes – wenn auch ambitioniertes – Ziel.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

2020

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

train as you fight – dieser Grundsatz ist entscheidend für die Einsatzbereitschaft der Truppe und für die persönliche Motivation eines jeden Soldaten und einer jeden Soldatin. Nur: Gelebte Praxis ist er – leider – nicht immer. So gibt es kaum einen Truppenbesuch von mir, bei dem Soldatinnen und Soldaten nicht das Fehlen von persönlicher Ausrüstung, Werkzeugen und Ersatzteilen oder die mangelnde Einsatzbereitschaft von Großgeräten beklagen.

Ein Soldat berichtete mir, dass er seit über anderthalb Jahren auf eine neue Winterjacke warte. Eine Gruppe von Soldaten bemängelte, dass ihr Gehörschutz nicht mit ihren Gefechtshelmen kompatibel sei. Eine Soldatin beschwerte sich, dass Schutzwesten nicht in Größen verfügbar seien, die passgenau für Soldatinnen sind. Dass Frauen mitunter andere Anforderungen an Ausrüstung haben, sollte kein Novum sein. Schließlich dienen sie bereits seit 20 Jahren in allen Teilen der Bundeswehr.

Einzelfälle sind das keineswegs. Auf das neue Sturmgewehr wird die Truppe warten müssen. Das Vergabeverfahren ist de facto vorerst gestoppt. Bis alle Pannen aufgearbeitet, die Patentfragen geklärt, das Verfahren abgeschlossen und der G36-Nachfolger tatsächlich ausgeliefert wird, werden Jahre vergehen. Gleiches gilt für einen neuen Schweren Transporthubschrauber. Hier ist das Vergabeverfahren gänzlich gestoppt. Aufgrund hoher Anforderungen wären die Kosten aus dem Ruder gelaufen.

Verantwortliche in Ministerium, BAAINBw, Bundeswehr und Parlament mögen solche Zustände mittlerweile gewohnt sein, sind sie ihnen doch bereits seit Jahren bekannt. Alle meine Vorgänger haben das in ihren Jahresberichten ausführlich beschrieben. Verbessert hat sich wenig. Mich macht das fassungslos. Es ist für mich unbegreiflich, dass in einer so professionellen und strukturierten Organisation wie der Bundeswehr Beschaffungen – selbst alltäglicher Ausrüstungsgegenstände wie Stiefel und Jacken – teilweise Jahre dauern. Das ist nicht hinnehmbar. Das muss sich ändern.

Am Geld allein kann es nicht liegen. Die Verteidigungsausgaben sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Und das ist gut so. Nach Jahren des Sparens und Schrumpfens müssen wir investieren, um die Bundeswehr für ihre veränderten und gewachsenen Aufgaben – Stichwort „Landes- und Bündnisverteidigung“ – zu rüsten.

Entscheidend ist vielmehr, dass Prozesse beschleunigt und Strukturen vereinfacht werden. Oftmals sind an einer Entscheidung viele Leute beteiligt. Zu oft wird die Verantwortung von A nach B geschoben. Bei allen Beteiligten muss der Gedanke sein „Wie kann ich das schnell möglich machen?“ und nicht „Was spricht dagegen? Bin ich überhaupt zuständig?“. Und: Nicht immer muss es der Goldrand-Standard sein, der eigens für die Bundeswehr entwickelt und produziert wird. Marktverfügbare 80-Prozent-Lösungen tun es mitunter auch.

Dringend nötig sind also mehr Verantwortungsbewusstsein und klarere Entscheidungsstrukturen, mehr Flexibilität und Pragmatismus. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Handgeld für Kommandeurinnen und Kommandeure.

Verantwortliche vor Ort wissen genau, was fehlt und wie es schnell beschafft werden kann. Nicht alles muss von einer Behörde zentral genehmigt und gesteuert werden. Bei jedem meiner Truppenbesuche wird das Handgeld ausdrücklich gelobt.

In diese Richtung müssen wir weiterdenken und weitergehen. Damit der Anspruch train as you fight nicht nur Theorie ist, sondern Wirklichkeit wird. Damit unsere Soldatinnen und Soldaten bestens ausgestattet sind für Ausbildung, Übung und Einsatz.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

das Kommando Spezialkräfte (KSK) befindet sich in einem historischen Umbruch. Nach mehreren rechtsextremistischen Vorfällen mit starker medialer Aufmerksamkeit, wurde – angestoßen durch einen sehr offenen und selbstkritischen Brief des Kommandeurs, Brigadegeneral Kreitmayr – ein umfassender Reformprozess in Gang gesetzt. 60 Maßnahmen hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer beschlossen – von der Auflösung der 2. Kompanie über die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung, die Stärkung von logistischen Strukturen im Verband bis hin zur stärkeren Öffnung des KSK in Truppe und Gesellschaft.

Seit meiner Amtsübernahme Ende Mai war ich bereits zweimal in Calw, um mich vor Ort ausführlich zu informieren. Wichtig ist mir, bei meinen Besuchen mit den Soldatinnen und Soldaten zu sprechen, um zu hören, was sie über die Vorfälle und die Reformen denken, was sie bewegt, wie sie sich fühlen und welche Ideen sie haben.

In meinen Gesprächen habe ich aufrichtige Betroffenheit erlebt. Das Eigeninteresse und die Motivation waren spürbar, die rechtsextremistischen Vorkommnisse der Vergangenheit mit aufzuklären, aufzuarbeiten und die Reformen umzusetzen. Das ist sehr wichtig. Denn der Reformprozess kann nur gelingen, wenn er vom KSK selbst gewollt, getragen und gestützt wird.

Bei meinem letzten Besuch wurde ich von Kommandeur Kreitmayr eingeladen, mir den zweiten Teil des Potenzialfeststellungsverfahrens für Kommandosoldaten anzuschauen. Das ist ein mehrtägiges Auswahlverfahren zum Thema Überleben und Durchschlagen unter extremen Bedingungen.

Die Bewerber werden hierbei an körperliche und mentale Belastungsgrenzen geführt. Nicht von ungefähr wird dieser Teil auch „Höllenwoche“ genannt. Es hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Entschlossenheit und Durchhaltefähigkeit die Bewerber die verschiedensten Aufgaben und Herausforderungen bewältigten und wie professionell das KSK auch unter Rückgriff auf externe Expertisen das Verfahren organisiert und durchführt.

Unter den Kommandosoldaten gibt es zurzeit noch keine Frauen. Auch bei den diesjährigen Bewerbern war keine Frau dabei. Aber der Einsatz von Frauen im KSK (auch bei Kommandosoldaten) ist grundsätzlich möglich und von der Führung gewollt. In anderen Bereichen ist er auch bereits Alltag. Rund 120 Frauen sind an unterschiedlichen Stellen im Kommando Spezialkräfte tätig. Insbesondere weibliche Aufklärungsfeldwebel stellen einen erheblichen Fähigkeitszuwachs für den Verband dar. Für sie fand zeitgleich auch ein Potenzialfeststellungsverfahren statt.

Bei den Auswahlverfahren waren die angestoßenen Reformen bereits sichtbar. So steht neben der physischen und psychischen Belastbarkeit noch stärker als früher die charakterliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber – Führungsverhalten, Teamfähigkeit und Verfassungstreue – im Fokus. Ebenso wurden die psychologische Betreuung und Begutachtung noch weiter ausgebaut.

Dass mich Kommandeur Kreitmayr einlud, zwei Tage lang bei Tag und Nacht so nah bei den Auswahlverfahren dabei zu sein, ist keine Selbstverständlichkeit. Auch das ist ein Zeichen der Veränderungen im KSK – weniger Blackbox, mehr Transparenz.

Mein Eindruck ist: Der Reformprozess im Kommando Spezialkräfte befindet sich auf einem guten Weg. Das ist wichtig. Denn wir brauchen das KSK. Wir brauchen diese Spezialkräfte und ihre wichtigen Fähigkeiten – und zwar als eine Eliteeinheit für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und Frieden.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Liebe Soldatin, lieber Soldat,

fast 1.000 Kameradinnen und Kameraden von Ihnen sind in Mali im Einsatz. Dort, wo vor wenigen Wochen das Militär putschte und die demokratisch legitimierte Regierung absetzte.

Keine Frage: Die Lage in Mali ist ernst. Der Auftrag unserer Soldatinnen und Soldaten ist aktuell wichtiger denn je. Schließlich leisten sie einen Beitrag zu Frieden und Freiheit, Sicherheit und Stabilität.

Doch: An oberster Stelle stehen Ihre eigene Sicherheit und Ihr Schutz. Als Wehrbeauftragte beobachte ich die Situation daher sehr genau. Wann immer unsere Soldatinnen und Soldaten in ihrem Einsatz – in Mali, aber auch in den anderen Einsatzgebieten – Probleme, Sorgen und Nöte haben, können sie sich an mich wenden. Sie sollen bestmöglich ausgebildet, ausgerüstet und ausgestattet sein. Ich werde mich stets für sie einsetzen und für ihre Sicherheit stark machen.

Was bedeutet der Putsch für unser Engagement in Mali? Diese Frage müssen wir in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern beantworten. Nationale Alleingänge sind nicht angebracht. Die Ausbildungsmissionen sind vorerst ausgesetzt. Das ist richtig.

Ihre Wiederaufnahme muss an klare Bedingungen an die malische Militärführung geknüpft werden, nämlich an eine Rückkehr zur verfassungsgemäßen Ordnung. Dazu braucht es einen glaubwürdigen Transformationsprozess, an dessen Ende freie Wahlen unter internationaler Beobachtung stehen.

Ich halte es für problematisch, dass die Putschisten zum Teil auch in Europa ausgebildet wurden. Solche Missionen setzen voraus, dass wir in den Ländern legitimierte Regierungen als Partner haben. Ausbildungsmissionen sind wichtig. Aber so ein Fall wie in Mali gibt Anlass, in Zukunft vorsichtiger zu sein und genauer hinzuschauen, welche Regime wir mit unseren Fähigkeiten unterstützen – um dann, gegebenenfalls, auch nein zu sagen.

Seit etwas mehr als 100 Tagen bin ich nun im Amt. Sehr gerne wäre ich bereits in den Einsatzgebieten gewesen – auch in Mali. Aufgrund von Corona war mir das bisher – leider – nicht möglich. Bis es mir möglich sein wird, werde ich mich regelmäßig über die Situation vor Ort informieren, zum Beispiel durch Videoschalten in die Einsatzgebiete. Vor Kurzem war ich auch in Storkow und habe bei einem Verabschiedungsappell zu Soldatinnen und Soldaten des Informationstechnikbataillons 381 gesprochen, die in den Einsatz nach Mali gehen.

Der direkte Austausch mit unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz ist mir sehr wichtig. Zum einen, um mich zu erkundigen, wie es der Truppe vor Ort geht. Zum anderen, um Ihnen ‚Danke‘ zu sagen. Danke für den wertvollen Dienst, den Sie leisten – erst recht unter solch schwierigen Bedingungen wie derzeit in Mali.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Seit Monaten ist die Covid-19-Pandemie das beherrschende Thema – auch in der Truppe. Das Virus stellt die Bundeswehr vor große Herausforderungen. Das spüre ich als Wehrbeauftragte sehr deutlich. Täglich erreichen mich hierzu Eingaben von Soldatinnen und Soldaten.

Übung und Ausbildung sind eingeschränkt. Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel fehlten – vor allem zu Beginn der Krise. Kritisiert werden auch die Quarantäne-Maßnahmen vor den Auslandseinsätzen. Es ist zwar richtig, dass wir alles dafür tun müssen, um zu verhindern, das Virus in die Einsatzgebiete zu bringen. Dass während dieser Quarantäne jedoch nur einmal am Tag das Zimmer für einen 30-minütigen Ausgang verlassen werden darf, mutet den Soldatinnen und Soldaten doch zu viel zu.

Insgesamt begrüße ich die strikten Hygiene- und Schutzmaßnahmen sehr. Das haben mir auch viele Soldatinnen und Soldaten mitgeteilt. Die Zahlen zeigen, dass sie richtig und gut sind: Die Anzahl infizierter Soldatinnen und Soldaten war und ist sehr gering – im Inland wie im Ausland. Ich hoffe sehr, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Natürlich ist die Corona-Krise eine enorme Belastung. Doch wir sollten auch den Blick auf das Positive richten. Themen wie Digitalisierung und Vereinbarkeit von Familie und Dienst haben Corona-bedingt einen großen Schub erhalten. Sonderurlaube zur Kinderbetreuung wurden unbürokratisch gewährt. Viele Soldatinnen und Soldaten können Homeoffice machen.

Ich wünsche mir, dass wir genau das, was in der Corona-Krise gut lief, weiterführen. Zum Beispiel Homeoffice für Dienstposten, die sich dafür eignen. Und dass wir dort, wo es noch hakt, weiterdenken und weiter daran arbeiten. Zum Beispiel mehr IT-Ausstattung für mehr Telearbeitsplätze, die Möglichkeit, Sonderurlaube auch stundenweise zu nehmen oder die Durchführung von Auswahlkonferenzen für Berufssoldaten mit digitalen Mitteln.

Und noch etwas Positives hat die Corona-Krise: Deutschlandweit sind Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gegen das Virus. Während meiner Sommertour war ich im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz, wo Infizierte mit modernster Ausstattung behandelt werden. Und ich war beim Fallschirmjägerregiment 26 in Zweibrücken, das mobile Abstrichstationen betreibt.

Allen Soldatinnen und Soldaten möchte ich von ganzem Herzen für ihren Einsatz danken! Sie leisten einen großen Beitrag im Kampf gegen das Virus. Ich hoffe sehr, dass die Amtshilfe der Bundeswehr nicht nur die Sichtbarkeit der Truppe in unserer Gesellschaft erhöht, sondern auch die Wertschätzung und Anerkennung für ihren wertvollen Dienst.

Ich freue mich, als Wehrbeauftragte künftig diese Kolumne schreiben zu dürfen. Dabei möchte ich vor allem die Themen aufgreifen, die Soldatinnen und Soldaten bewegen. Denn ihre Anliegen bestimmen meine Agenda. Mir gefällt die schöne Beschreibung des Amtes als „Anwältin“ der Soldatinnen und Soldaten.

Mit herzlichen Grüßen

Eva Högl, 
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages